Bald erscheint in der Edition Sonderwege der erste Band unserer unterhaltsamen antifeministischen Trilogie Frau ohne Welt (zur Rettung der Liebe!) mit dem Titel »Krieg gegen den Mann«. Wie ich schon im ersten Werkstattbericht Frau. Bohne. Welt. mitgeteilt habe, gestaltet die Umschläge der Berliner Grafikdesigner und Kalligraf Frank Ortmann. Zusammen mit seinem überarbeiteten Entwurf hat Ortmann nun freundlicherweise die Beschreibung der Kursivschrift nachgereicht, die er für den Untertitel verwendet: »Zu sehen ist dort der leichte Schnitt einer zeitgenössischen, schmal laufenden, linksgeneigten, serifenlosen Linear-Antiqua (= Grotesk). Die Grundlinie der Schrift wurde um den Grad der Buchstaben-Neigung so schräg gestellt, daß die Schrift schließlich wieder senkrecht steht und nach rechts oben ›klettert‹.«
In Ortmanns neuem Entwurf hat jetzt auch das wichtige Wörtchen »ohne« zwischen »Frau« und »Welt« den gewünschten Schwung bekommen (den beträchtlichen Arbeitsaufwand dokumentiert das nebenstehende Foto). Nachdem ich mich gefreut und bedankt hatte, tauchte die Frage auf, wie die Buchrücken zu beschriften seien. Für die von mir nach Möglichkeit bevorzugte »falzquere« Beschriftung sind die drei Essaybände von dem bislang vor allem als Kinderbuchautor bekannten gewordenen Bernhard Lassahn leider zu schmal. Eine falzquere Beschriftung lässt sich nur auf dem ganzen Dreierpack realisieren. Diese Gelegenheit wird Ortmann auf augenfällige Weise nutzen, wie auf unserer dritten Abbildung zu sehen. Was aber die Einzelbände betrifft, so müssen wir auf »falzparallele« Rückenbeschriftung ausweichen.
Diese kann nun entweder »links-« oder »rechtsdrehend« sein, was nicht bedeutet, dass sich die Schrift dreht, sondern der Kopf des vor dem Bücherregal stehenden Lesers, und zwar hierzulande in der Regel nach links. Mit Ausnahme wissenschaftlicher Bücher ist die große Mehrheit deutschsprachiger Buchrücken im Unterschied zu englischsprachigen Buchrücken linksdrehend beschriftet. Wir lesen unsere Buchtitel bei linksgeneigtem Kopf von unten nach oben. Das hat den Vorteil, dass wir weitere Buchrücken – nach rechts gehend – zeilenweise von oben nach unten lesen können, indem wir also der gewohnten Leserichtung folgen. Die Buchrücken ergeben dann einen eigenen Text. Das tun sie freilich auch bei rechtsdrehender Beschriftung, nur dass wir in diesem Fall lesend nach links gehen müssen.
Damit Buchrücken einen eigenen Text ergeben können, müssen wir erst einmal mehrere Bücher besitzen. Bei der rechtsdrehenden Variante ist das weniger selbstverständlich als bei der linksdrehenden. Die im englischsprachigen Raum übliche rechtsdrehende Beschriftung ist nämlich besonders gut für das einzeln auf dem Tisch liegende Buch geeignet, bei dem ich ohne Verrenkung das Cover betrachten und zugleich den Rücken lesen kann. Ein eher individualistisches Gestaltungskonzept für den Buchsingle. Die Engländer haben, wie ein pfiffiger ZEIT-Leser bemerkte, »Linksverkehr und rechtsdrehende Bücher, Deutschland hat Rechtsverkehr und linksdrehende Bücher«. Das wäre nicht weiter schlimm. Schlimm ist nur, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – illoyal gegen das Eigene wie jede höhere deutsche Autorität – bei Büchern für Westbindung eintritt. Offenbar haben die Herren in Frankfurt verschiedene Formen von Bindung verwechselt … Herausgekommen ist jedenfalls mit schlafwandlerischer Sicherheit ein Verrat an unserer heimischen Buchtradition (Stichwort Kulturnation), vermutlich auch aus antivölkischem Affekt (Missbrauch durch linksdrehendes NS-Schrifttum), ein Verrat, den man überhaupt nur dann für zumutbar und erträglich halten könnte, wenn alle Leser »in Deutschland« von einem Tag auf den anderen nur noch neue Bücher lesen würden.
Der Besitzer einer langsam gewachsenen Büchersammlung, meist ein traditionsbewussterer und gebildeterer Bürger, würde also vom Börsenverein mit einer steigenden Zahl von Kopfverrenkungen bestraft werden. Vielleicht ist das ja die Absicht. Zum Glück findet aber der Börsenverein in dieser Sache kaum Gehör: »Zwar legt eine internationale Norm aus dem Jahr 1985 (ISO 6357, Spine titles on books and other publications) die rechtsdrehende Variante fest, auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels empfiehlt das, aber die wenigsten deutschen Verlage halten sich daran.« (Raimund Wolfert auf ZEIT ONLINE) Bleibt nur zu hoffen, dass nicht die EU-Kommission einen Regelungsbedarf bei Buchrückenbeschriftungen entdeckt. Zu fürchten ist es.
So leicht sich im Interesse des Eigenen Partei für unsere gute, alte Linksdrehung ergreifen lässt (wo bleibt eigentlich der Kampf gegen Rechts!?), so schwer kann die Entscheidung im konkreten Fall sein. Bei Frau ohne Welt können wir die linksdrehende Variante nur um den Preis beibehalten, dass die Buchrückenbeschriftung auf dem Kopf steht, sobald alle drei Bände mit dem Cover nach oben als Stapel auf dem Tisch liegen. Schade. Aber man kann eben nicht alles haben. Wenn wir es anders herum machen würden, käme der linksgeneigte Buchbesitzer, der seine mit antifeministischen Titeln hoffentlich gut gefüllte Bibliothek entlangschreiten würde, an Lassahns maßstabsetzender Trilogie nur mit den vom Börsenverein gewollten Verrenkungen vorbei. Und das werden wir den vielen Lesern natürlich nicht zumuten.