Kategorie-Archiv: Massendemokratie

»›Homosexualität‹ ist ein groß angelegtes Täuschungsmanöver«

Interview mit dem Publizisten Andreas Lombard

Homosexuelle Reproduktion gibt es nicht – allen Versprechungen und Hoffnungen zum Trotz. Andreas Lombard sagt: Für den reproduktionstechnischen Markt dienen diese bloß als Türöffner. – Das folgende Interview erschien zuerst auf freiewelt.net

Foto: privat

FreieWelt.net: »Homosexualität gibt es nicht«, behaupten Sie im Titel Ihres neuen Buches. Wie ist diese steile These zu verstehen?

FreieWelt.net: Das müssen Sie mir erklären.

Andreas Lombard: Drei Beispiele: Erstens gilt Homosexualität für unveränderbar, als wäre sie ein sicherer Hafen, eine Art Schutz vor den Unwägbarkeiten des Lebens. Den gibt es nicht. Zweitens gibt es die behauptete Gleichheit nicht. »Gleich« ist Homosexualität nur dann, wenn ich die Fortpflanzung wegdenke. Und drittens führt die Gleichstellung zu einer fiktiven homosexuellen Fruchtbarkeit und am Ende zu einer Diskriminierung der Heterosexualität. Es gibt keine homosexuellen Eltern im Vollsinn des Wortes.

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Arschtritt aus dem Führerbunker

Eine Frankfurter Professorin kämpft gegen die Zukunft der Familie und des deutschen Volkes. Ihr Motiv ist antideutscher Rassismus.

Es ist ein Krieg gegen das eigene Volk ausgebrochen, und ohne daß auch nur ein einziger Schuß fallen müßte, soll er mit unserem Untergang enden. Der Aggressor, das sind unsere eigenen Eliten in Politik und Medien. Wir wissen nicht, wer sie steuert, das können wir nur vermuten, aber daß sie gesteuert werden, ist am Ausmaß ihrer Gleichschaltung zu erkennen. Ob sie selbst daran glauben, das Richtige zu tun, wissen wir nicht. Jedenfalls versuchen sie nicht einmal zu heucheln, denn das würden wir merken. Sie lassen keine Selbstzweifel erkennen, und sie geben uns keinen noch so diskreten Hinweis darauf, daß sie etwas anderes dächten als sie sagen. Wenn sie das täten, gäbe es wenigstens einen Grund, unter veränderten »Rahmenbedingungen« auf einen »Politikwechsel« zu hoffen. Der ist nicht in Sicht, und die Temperatur steigt. Zuwanderungspolitik, Familienpolitik und Gleichstellungspolitik scheinen verschiedene Themen zu sein. Aber sie haben eine gemeinsame Wirkung. Diese Wirkung besteht darin besteht, daß die Deutschen ungefähr im Jahr 2035 zur Minderheit im eigenen Land werden. Vielleicht auch schon früher. Unser Bundespräsident teilte uns jetzt aus der Ferne mit, daß er das ganz prima findet, das Motto »Inder statt Kinder« hat er in dem betreffenden Land wiederbelebt. Er bietet mecklenburgische Erde wie Sauerbier an. Es ist aber nicht irgendeine Entwicklung, die wir da erleben, es ist die Folge eines Krieges, dessen Opfer wir, das heißt, unsere nicht zu gebärenden Nachfahren sind. Noch schwimmen wir tief unten in einem kühlen Brunnen, aber dieser Brunnen wurde bereits modernisiert wie alles andere im guten, alten Deutschland auch. Mikrowellen heizen das Wasser, bis es kocht. Das Experiment heißt »Endlösung Deutschland«. Zu seinen treibenden Kräften gehört die Frankfurter Juristin Ute Sacksofsky. Sie findet, daß wir, die Badenden, es nicht besser verdient haben. Sie selbst sitzt wohl irgendwo im Trocknen.

I.

»Ihr Kinderlein kommet – Bevölkerungspolitik als Staatsaufgabe«, so heißt ihre Rechtskolumne vom Juni 2013 im Merkur Nr. 769. Unseren längst geschwächten kollektiven Selbsterhaltungstrieb, soweit er überhaupt noch vorhanden ist, erklärt unsere Professorin kurzerhand für »nationalistisch«. Die Steigerung der Geburtenrate ist nach ihrer Meinung »kein legitimes staatliches Ziel«, dafür aber die kostentreibende Gleichbehandlung von allen möglichen Sonderlebensförmchen, die neuerdings ebenfalls »Familie« heißen sollen, auch wenn sie nie eine werden, weil ihnen die Zeugung von Kindern natürlicherweise verwehrt bleibt. Unser demographisches Problem hält Frau Professor wahlweise für unerheblich oder für begrüßenswert. Dabei genießt sie persönlich das Glück, überhaupt geboren worden zu sein, zu einer Zeit, da es den von ihr geforderten Verzicht auf ein staatliches Interesse an Neugeborenen noch nicht gab. Also nach ihr die Sintflut.

Die sogenannte Gleichbehandlung von offensichtlich Ungleichem erklärt Frau Professor nicht nur für geboten, sondern für zwingend. Warum, das sagt sie uns ganz offen, und dabei spielen irgendwelche gleich zu berechtigenden Gruppen plötzlich gar keine Rolle mehr. Die Berufung auf sie ist nur das Mittel zum abgründigen Zweck: »Gehen wir davon aus, dass es um die Weitergabe deutschen Erbgutes nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr gehen kann [wegen der Kollektivschuld, denkt sich wohl unsere Anhängerin des Morgenthau-Plans, A.L.]: Was wäre  eigentlich so schlimm daran, wenn die Deutschen aussterben sollten (was ohnedies noch ein paar Jahrhunderte dauern dürfte)? Das Territorium, auf dem sich derzeit [!] Deutschland befindet, könnte der Natur zurückgegeben oder (das ist wahrscheinlicher) von anderen Menschen besiedelt werden.«

Damit nicht genug. Wenige Zeilen später folgt ein biopolitischer Arschtritt aus den Tiefen des Führerbunkers, der an Zynismus nicht zu überbieten ist: »Wenn es diese deutsche Kultur nicht schafft, das Leben der kommenden Generationen mitzuprägen, dann muss sie wohl kaum unter Artenschutz gestellt werden.« Und damit die deutsche Kultur ihre Bewährungsprobe auch wirklich nicht besteht, betreibt Frau Professor ihre spezielle Form der Familienpolitik, in der sie unentwegt mit dem Gleichheitsgrundsatz herumwedelt, um alles zu unterstützen, was nicht nach traditioneller Familie – vulgo Kindern – aussieht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist natürlich nur ein leicht zu durchschauender Vorwand. Um ihn geht es letztlich gar nicht.

Das destruktive Ziel besteht einzig und allein darin, eine positive Bevölkerungspolitik zu unterbinden. Kinder müssen der Frau Professor ein riesiger Dorn im Auge sein, denn deren Eltern kassieren ja Geld vom Staat dafür, daß sie Kinder haben, wie die Autorin nicht müde wird, sich seitenlang zu empören, indem sie jeden Euro Familienförderung einzeln aufzählt. Der Neid spritzt ihr nur so aus der Feder. Nähme man ihr Argument ernst, daß der Staat aus Gründen seiner weltanschaulichen Neutralität keine Geburtenförderung betreiben dürfte, könnte man ebenso gut eine weltanschauliche Neutralität in Fragen der persönlichen Lebenserhaltung konstruieren und fordern, daß Leute, die essen, und Leute, die nicht essen, in keiner Weise manipuliert werden dürften, auch nicht in die Richtung, die ihnen das nackte Leben retten würde: »Wenn du es nicht schaffst, dich zu erhalten, verreckst du halt, und deine Sippe am besten gleich mit. Artenschutz gibt’s nicht! Pech gehabt!«

Was im Einzelfall absurd klingt, weil es die Therapie von Bulimie unterbinden würde, wird von Frau Professor für das deutsche Kollektiv sogar mit Kant begründet und als ganz vernünftig ausgegeben: »Der Mensch soll niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandelt werden«, schreibt sie und hat, kaum daß der Satz beendet ist, das Wörtchen »zugleich« auch schon wieder vergessen. Sie tut so, als ginge es dem Staat nur um den Menschen als profanes Mittel seines Selbsterhalts, und das findet sie einfach degoutant, wobei sie vergißt, daß auch der Staat aus Menschen besteht – was nichts anderes bedeutet, als daß Frau Professor Menschen degoutant findet, die sich fortpflanzen und erhalten wollen. Jedenfalls, wenn sie das als Angehörige eines Kollektivs namens Deutsche wollen und im Interesse eines deutschen Staates und wenn der ihnen dafür auch noch Geld gibt. Ganz zu schweigen davon, daß auch ein Mensch, der ursprünglich als bloßes Mittel gedacht gewesen wäre (weil die Firma halt einen Erben braucht), spätestens ab dem Zeitpunkt seiner Zeugung unantastbarer »Zweck an sich« ist.

Aber mit der Natalität hat es unsere Frankfurter Juristin nun mal nicht. Daß sie persönlich kein Interesse daran hat, ist ihre Sache, aber daß sie die Öffentlichkeit mit ihrer penetranten Lebensfeindlichkeit manipuliert, damit ein paar Frauen mehr durch die fiktive »gläserne Decke« schießen, geht entschieden zu weit. Gegen Abtreibung zum Beispiel hat Frau Professor, soweit ich sehe, noch nicht das Wort erhoben, jedenfalls nicht im feinen Merkur, obwohl doch dies nun wirklich das Beispiel für eine Tat wäre, bei der es um nichts anderes als eine brutale Zweck-Mittel-Relation geht. Aber hier wird das Kind nicht geboren, und das ist nach Frau Sacksofsky ja nur zu begrüßen. Wenn es darum geht, daß ein Kind nicht geboren wird, darf die kühle Zweck-Mittel-Relation Anwendung finden; wenn es aber darum geht, daß es geboren wird, ist sie nicht erlaubt. Das liegt an der Neutralität des Staates, wir haben verstanden. Und an der Gleichheit von Leben und Tod (genauer gesagt, von Leben und Nicht-Leben), aus der der Tod (genauer gesagt, das Nicht-Leben) bekanntlich als Sieger hervorgeht und in diesem Fall auch hervorgehen soll. Diese dämonische Lebensfeindlichkeit drapiert Frau Professor mit einer zwar hübschen, aber verlogenen Zurückhaltung: »Familie ist der Ort, in dem gesellschaftliche Nützlichkeitserwägungen keinen Platz haben sollten.« Der Satz ist sogar mit Einschränkung richtig, aber hier geht es nicht darum, was in der Familie passiert, sondern außerhalb ihrer, nämlich auf Seiten des Staates.

Mit einem derartigen, nun ja, ich muß es leider sagen, menschverachtenden Müll  wird unsere Frau Professor sogar als Gutachterin im Bundestag gehört und darf dort erklären, daß das Betreuungsgeld dem Gleichheitsgrundsatz widerspräche. Nicht etwa, weil es den Zweck, für den es gemacht wurde, verfehle, sondern den, den Frau Sacksofsky seiner Nichtgewährung höchstpersönlich zuschreiben möchte, nämlich, die Frauen weg vom bequemen Herd ins Berufsleben hinauszutreiben, wo sie bekanntlich allesamt hingehören, seit sie von den Männern nichts mehr unterscheidet (ist da schon wieder Neid auf ein häusliches Leben im Spiel?). Für den Fall einer womöglich »rückwärtsgewandten«, »allein an der Steigerung der Geburtenrate orientierten Politik« (wieso »allein«?) prophezeit die Juristin das Eintreten von »Horrorszenarien«. Aha, dann kommt also Bomber-Harris wieder über den Kanal geflogen und haut alles kurz und klein. So etwa?

II.

Statt uns zu erklären, warum die Zeugung von Kindern auf einmal so gefährlich ist, hat Frau Professor eine weitere Kolumne verfertigt und ebenfalls im Merkur veröffentlicht. Dort äußert sie sich in der neuesten Nummer (777) zum »Märchen vom Untergang der Familie«. Einerseits handelt es sich bei der Rede vom Untergang der Familie also um ein Märchen, andererseits aber ist dieses Märchen doch keines, denn »die Monokultur der auf Ehe gegründeten Familie ist ausgestorben«, schreibt sie, »und kein Staatsrechtslehrer wird sie wiedererwecken können.« Natürlich weiß sie, daß es eine Monokultur in Sachen Familie noch nie gegeben hat. Sie muß aber ihren Gegnern die totalitäre Phantasie unterschieben, es hätte sie gegeben und sie ließe sich auch wiederbeleben. Erstens, damit die Autorin nicht selbst als totalitär dasteht, und zweitens, damit die große, polierte Vase namens Monokultur, gemeint ist aber die Familie, möglichst laut auf dem Boden zerschellt. Hier spritzt ihr zwar einmal nicht der Neid, dafür aber die merkwürdige Zufriedenheit über eine Entwicklung aus der Feder, die normale Leute mindestens bedauernswert finden.

Dazu paßt es, daß sie den tausendmal betonten Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber sozusagen alten und neuen »Familien« an keiner Stelle inhaltlich füllt. Das gehört zur Strategie, denn die substantielle Ungleichheit dessen, was gleich behandelt werden soll, darf gar nicht erst auffallen. Wo es darauf ankäme, den Unterschied kenntlich zu machen, weil es um Kinder und Jugendliche geht, die in Europa bislang zu 72 Prozent glücklicherweise immer noch mit Mama und Papa aufwachsen, werden wir mit leeren Worten abgespeist. Aber bevor wir abgespeist werden, werden wir getäuscht. Die Autorin sagt nichts gegen den falschen und von ihr vermutlich gewünschten Leseeindruck, daß jenes Drittel Kinder, das außerhalb der Ehe geboren wird, von vornherein bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen würde.

Wie es wirklich ist, das interessiert Frau Professor nicht. Und deshalb soll es auch alle anderen nicht mehr interessieren. Das öffentliche Interesse an der auf Ehe gegründeten Familie sei »nicht offensichtlich«, behauptet sie mit einer erstaunlichen Grausamkeit gegen Kinder, die natürlich und grundsätzlich viel lieber bei ihren eigenen, biologischen Eltern aufwachsen. Ob die Kinder »in einer für sie förderlichen Umgebung« aufwachsen (von eigenen Eltern ist nicht die Rede), das hänge »eben nicht an der ›Form‹, in der die Eltern zusammenleben, sondern an den gelebten Inhalten.« Man ahnt, welche Inhalte dazugehören und welche nicht. Möglichst frühe Einführung in die Welt der Darkrooms – ja; Hochzeit von Mann und Frau auf dem womöglich katholischen Dorf – nein. Und dann die »Form«, in der die Eltern zusammenleben. Als ob es nicht zunächst darum geht, daß sie überhaupt zusammenleben. Aber nein, darum geht es der Frau Professor nicht. Da sie es schon nicht mit Kindern hat, hat sie es auch nicht mit dem wünschenswerten Zustand, daß deren Eltern sich zum Wohle ihres Nachwuchses möglichst lieben und vertragen. Schlimmer noch. Es geht ihr nicht nur nicht darum, daß möglichst viele Kinder in den Genuß einer stabilen elterlichen Beziehung kommen. Sie ist sogar dagegen, denn das würde ja die traditionelle Familien-»Monokultur« stärken. Das führt zu einer absurden Konsequenz. Gleichbehandlung und Gleichstellung führen früher oder später zu dem absurden, gedanklichen Kurzschluß, daß es mindestens gleich viele hetero- und homosexuelle »Eltern« geben müsste. Als ob etwas, was nicht wünschenswert ist, sondern allenfalls toleriert werden kann, doch noch wünschenswert wird, sobald es nur genug davon gibt.

Das Recht der Kinder auf ihre eigenen Eltern ist der Preis, den diese schöne neue Welt der Gleichheit kosten darf und kosten soll. Frau Sacksofsky zahlt ihn gern – auf Kosten fremder Wehrloser, deren Mutter sie jedenfalls nicht ist. Gewiß, im strengen Sinn gibt es kein »Recht auf Eltern«, weil auch hier das Schicksal jederzeit dazwischenfunken kann. Im übertragenen Sinn gibt es dieses Recht aber eben doch. Die Erfüllung des natürlichen, menschengemäßen Grundbedürfnisses auf Liebe durch die eigenen Eltern kann zwar, aus welchen Gründen auch immer, beeinträchtigt werden. Aber ein solches Unglück gibt uns nicht das Recht zu einer Kulissenschieberei, bei der die Substanz (eigene Mama, eigener Papa) zur bloßen »Form«-Frage herabgewürdigt und durch beliebige »Inhalte« ersetzt wird. Denn das ist totalitär. Als Stalins Sekretär eines Tages den Namen seiner Frau auf den Todeslisten fand, beruhigte der Chef seinen Mitarbeiter mit den Worten, es werde schon alles gut. Als der Sekretär am Abend nach Hause kam, öffnete eine neue, ihm unbekannte Frau die Tür. Diese Form der Grausamkeit finden wir auch in dem neuen Essay von Frau Sacksofsky, in dem die Frage tunlichst vermieden wird, wie in ihren neuen »Familien«-Formen die beiden leiblichen Elternteile vorkommen, von denen mindestens eins willkürlich durch den gleichgeschlechtlichen »Lebenspartner« ersetzt werden können soll. Was zur Folge hat, daß diese Elternteile von vornherein danach ausgewählt werden, ob sie später Ansprüche auf eine Beziehung zum Kind erheben oder nicht.

Sacksofskys Argumente zielen darauf ab, unveränderliche Naturrechtspositionen abzuräumen, als ob sie spätestens seit den fünfziger Jahren überflüssig wären – seit Kinder, wie alles andere auch, bekanntlich aus der Steckdose kommen. Sie behauptet sogar, der Wertewandel wäre dem Verfassungsrecht als Diskriminierungsverbot »dogmatisch eingeschrieben« und ziele auf »gleiche Anerkennung« in immer neuen Problemfällen ab. Sie verschweigt nur leider, daß dabei die wichtigste Gleichheit unter den Tisch fällt: daß alle Kinder eine eigene Mama und einen eigenen Papa haben, ganz gleich, von wem und aus welchen Gründen sie wie gezeugt wurden. Niemand anderes als Frau Professor selbst macht mit ihrer verrückten Argumentation den Menschen zum bloßen Mittel: die Kinder nämlich, um deren Schicksal sie sich einen Dreck schert und denen man beliebige Lebensumstände aufdrücken kann, die zufällig im Interesse irgendwelcher sexueller Randgruppen liegen. In was für einer Dekadenz leben wir, daß solche Phantasien auf Staatskosten gezüchtet und verbreitet werden dürfen? Daß wir uns unmöglich machen vor dem großen Rest der Welt, der zum Glück nach wie vor anders tickt, und nicht nur in Rußland?

III.

In ihrem erfolgreichen Buch Das Drama des begabten Kindes erklärt die Autorin und Psychoanalytikerin Alice Miller den rapiden Zuwachs von Depressionen in unserer Zeit damit, daß das Leben in mehreren, gleichzeitig existierenden Wertesystemen enorm erschwert wird. Der Halt im eigenen Selbst, und das heißt bei Miller, der lebensnotwendige Zugang zu den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen, die Fähigkeit, sie zu artikulieren, wird immer schwieriger. Früher, in abgeschirmten Wertesystemen, half der Zusammenhalt der Gruppe mit. Wenn heute dem Menschen der Halt im eigenen Selbst versagt bleibt, droht die Depression, und das oft lebenslang. Und wo bleibt nach Alice Miller dem Menschen wohl der Zugang zu sich selbst am häufigsten versagt? In narzißtischen Verhältnissen, wo ein Elternteil oder beide vor allem auf sich selbst und ihre eigene Triebbefriedigung bezogen sind und nicht auf das Kind. Wo das Kind von klein auf lernt, seine eigenen Triebe und Bedürfnisse zugunsten der Eltern zurückzustellen, wie zum Beispiel das Bedürfnis nach seinem zweiten Elternteil …

In Zeiten der äußeren und inneren Pluralisierung, der Zunahme globaler Einflüsse und der Vervielfältigung unserer Lebenswelten käme es erst recht darauf an, die daraus entstehenden Zumutungen zu kompensieren. Und zwar durch das beste Mittel, das es gibt. Das ist eine liebevolle Kindheit mit stabilen Beziehungen möglichst zu den eigenen Eltern, die ausreichend Zeit haben, die Bedürfnisse der Kinder vollauf zu befriedigen (in den frühen Jahren sollte das die Mutter tun), so daß das Kind für sein Leben lang »satt« ist und sich derart gestärkt allen kommenden Herausforderungen stellen kann. Anders geht es bekanntlich nicht. Es ist verrückt, diese Notwendigkeit völlig zu ignorieren und ein lebenslang anhaltendes seelisches Massenelend heraufzubeschwören, welches aus dem »Recht auf Anerkennung« neuer, ungleicher »Familien«-Formen folgen würde. Dieses Recht gibt es nicht, denn Anerkennung »gehört zur Selbstdarstellung der anderen«, wie der Rechtsphilosoph Gerd Roellecke betont hat. Und wie man  nicht oft genug wiederholen kann.

Die geforderte »Gleichbehandlung« hat, wie alles, ihren Preis, hier in Form einer dramatischen und verschwiegenen, künstlich erzeugten Ungleichheit. Menschen, die auf eine glückliche Kindheit mit eigenen, nicht narzißtisch auf das gleiche Geschlecht fixierten Eltern zurückblicken können, haben gute Chancen, einigermaßen entspannt auf der Siegerstraße durchs Leben zu fahren. Das weiß und beachtet jeder kluge Personalberater bei seiner Kandidatenauswahl, indem er wie nebenbei den Bewerber nach der Intaktheit seiner Herkunftsfamilie fragt. Die anderen, die schon in den ersten drei Lebensjahren Pech hatten und es nie auf die Siegerstraße schaffen, werden sich künftig bei Leuten wie Frau Professor Sacksofsky bedanken dürfen, die ihren morbiden Gleichheitsterror mindestens solange betreiben würde, bis die Deutschen ausgestorben sind oder nur noch aus seelischen Krüppeln bestehen. Diese biopolitische Grausamkeit, erdacht ausgerechnet von einer Frau, wird uns deshalb so kritiklos präsentiert, weil es sich bei den Opfern ja »nur« um Deutsche handelt, die ihren Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Völkern dieser Erde bekanntlich verwirkt haben. Vor lauter Eifer merkt Frau Sacksofsky gar nicht, daß wir den Artenschutz, den sie uns verwehren möchte, überhaupt nicht brauchen, besser gesagt, daß man einen Artenschutz für Deutsche nur dann ablehnen kann, wenn man der Meinung ist, irgendjemand hätte die Macht, ihn zu gewähren oder zu verweigern.

Mir persönlich ist diese Sichtweise neu. Ich wüßte nicht, wer eine solche Macht oder ein solches Recht besäße. Vor allem dachte ich immer, daß die Menschenrechte so eine Art Artenschutz wären, die, so verstehe ich Frau Sacksofsky, für uns Deutsche plötzlich nicht mehr zu gelten brauchen. Ich kannte den Artenschutz ganzer Völker bzw. seine Verweigerung bislang nur in der Form, daß zum Beispiel die Nazis den Juden, Polen und wem sonst noch alles den »Artenschutz« absprachen, um den sie niemand gebeten hatte …

Daß Frau Sacksofsky Karriere macht, während sie uns einen Artenschutz abspricht, um den wir sie nicht gebeten haben, verheißt nichts Gutes. Man muß sich nur antifaschistisch und antinationalistisch genug gebärden, damit die Vereinigung mit dem bekämpften Gegenteil sich unbemerkt vollziehen kann – unbemerkt und zugleich vor aller Augen. Auch der Führer war der Meinung, daß unsere Tage zu Recht gezählt seien.

Schluss mit Vater und Mutter

Von Monette VACQUIN und Jean-Pierre WINTER

Homo-Ehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle sind das Symptom einer tiefen Krise. Der totalitäre Angriff auf das Leben, auf unsere Werte und Institutionen geht über die Forderungen weit hinaus. Die Flucht nach vorn findet kein Ende. D.E.d.E. dokumentiert eine weitere Stimme der vielfältigen französischen Debatte.

Vorbemerkung von Andreas Lombard

In diesen Tagen meint die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« im französischen Widerstand gegen die Homo-Ehe eine »neue Allianz« zu erkennen, in der sich »alte Reaktion und neuer rechter Nihilismus« zur »Ablehnung der Moderne und der Rationalität« vereinten. Nils Minkmar,  Leiter des Feuilletons, bezeichnet es als einen »Grund zur Sorge«, dass sich das »ländlich-katholische Frankreich der Handwerker, kleinen Selbstständigen und Notablen mit seiner gemütlichen, aber tendenziell intoleranten bis bornierten [!] Weltanschauung« der Homo-Ehe verschließt. Im Rahmen einer Großdemonstration mit hunderttausenden Teilnehmern genügen ihm ein paar hundert randalierender Jugendlicher und 36 Leichtverletzte, um »Auswüchse von Gewalt« zu beklagen. Es gehe doch nur um »bekennende Homosexuelle« und um »eine gesetzliche Regelung der Krankenversicherung«, die aus Sicht ihrer Gegner »in den Stalinismus« führe. Minkmar erklärt den »Angriff auf die Ausweitung des Rechts, die Ehe zu schließen«, schlicht für »unlogisch«.

In seinem Beitrag zu den französischen Ereignissen wird einfach nur die neueste ideologische Trommel gerührt: »Wo das angelsächsische System die checks and balances kennt, in Deutschland die Kunst des politischen Kompromisses hoch gehalten wird, ist in Frankreich der Ort der politischen Konsensfindung die Straße. Die Seite, die nicht regiert, legt beim ersten passenden Anlass das Land so lange lahm, bis die Zentrale nachgibt.« Die böse Tante Ideologie wohnt natürlich auf der Seite der angeblichen neuen radikalen Rechten – und nicht etwa bei der aggressiven Gleichstellungspolitik. Man könnte meinen, schon würde ganz Frankreich im Chaos versinken, es wäre der Präsident im Laufe seines Fluchtversuchs verhaftet worden und die Hauptstadt radikalen Katholiken in die Hände gefallen, die nun damit begonnen hätten, die Hälse homosexueller Bürger unter die Guillotine zu schieben. Wo war Herr Minkmar am vergangenen Sonntag? Auf einer Zeitreise?

Dass Homosexualität vorkommt, dass es sie gibt, begründet kein Werturteil, übrigens auch kein negatives. Die Sache ist ganz einfach. In der Geschichte wurde Homosexualität immer dann gefördert, wenn es kein politisch-gesellschaftliches Interesse an Nachwuchs gab bzw. ein ausdrückliches Interesse an möglichst wenig Nachwuchs (vgl. Hans Kelsen, »Die platonische Liebe«, in: Aufsätze zur Idelogiekritik, Neuwied und Berlin [Luchterhand], 1964, S. 117–197).

In Frankreich – und nicht nur dort – sind übrigens viele Homosexuelle gegen das neue Gesetz und lehnen die »Anerkennung« oder Gleichstellung von Homosexualität mit Bedacht ab. Auch Homosexuelle sind mitunter in der Lage, die gerade von ihnen vielleicht schmerzlich vermisste Weitergabe des Lebens höher zu bewerten als Homosexuellenrechte. Auch sie sind in der Lage, jenem generativen Zusammenhang die Ehre zu geben, dem sie ihr eigenes Dasein verdanken.

Nicht einmal die Annahme einer allgemeinen bisexuellen Veranlagung des Menschen spräche dagegen. Es gibt im Leben nicht nur den Zwang, sondern auch die freie Entscheidung, sich hier und da gegen sich selbst zu stellen. Denn nicht alles, was uns unsere Wünsche, Impulse und Bedürfnisse einreden, ist auch gut für uns. Wenn es anders wäre, wäre das Leben so einfach wie das der Tiere, die sich fast immer auf ihre Instinkte verlassen können. Wir Menschen können das nicht, und deshalb haben wir Kultur, die von Grenzen, Unterschieden und Werturteilen lebt.

Aber nun darf in der Verachtung französisch-reaktionärer Zustände sogar der nationale Gegensatz wieder auferstehen: Frankreich als das Land des Straßenpöbels, Deutschland als der Hort gesitteter Streitkultur. Das stimmt nur leider nicht, wie der nachfolgende Artikel aus der keineswegs rechten, sondern liberalen Zeitschrift Le Débat illustriert, die bestimmt auch Herr Minkmar kennt. Eher verhält es sich umgekehrt: In Deutschland wird jedes Gegenargument von vornherein unterdrückt, der gutmenschliche Totalitarismus dominiert die Szene, in Frankreich aber wird noch lebendige Streitkultur pflegt.

Die Autoren Monette Vacquin und Jean-Pierre Winter arbeiten als Psychoanalytiker. Sie haben zu Fragen von Genetik und Fortpflanzung sowie zur gleichgeschlechtlichen Elternschaft publiziert. Ihre hier in leicht gekürzter Form übersetzten Überlegungen anlässlich der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich erschienen dort unter dem Originaltitel »Pour en finir avec père et mère« in: Le Débat 174, März/April 2013, S. 84–89. – Wir danken den Autoren für die freundlich erteilte Genehmigung, hier die deutsche Fassung ihres Aufsatzes zu veröffentlichen.

 

Schluss mit Vater und Mutter

Vater und Mutter sind noch ein letztes Mal davongekommen. Nur knapp sind sie vor kurzem bei der Verabschiedung des Gesetzes zur »Homo-Ehe« ihrer völligen Streichung aus den Gesetzbüchern entgangen. Auch in anderen westlichen Ländern fallen die beiden zunehmend unangenehm auf. Verdichten sich in ihnen doch alle Unterscheidungen, geschlechtliche ebenso wie generationelle. Damit stehen sie in der akuten Gefahr, aus den rechtlichen Kodifikationen unseres Lebens ausradiert zu werden. Welch ein zivilisatorischer Fortschritt! Jahrtausende verbrachte man damit, sich mit den zwei Störenfrieden auseinanderzusetzen. Offenbar rufen Vater und Mutter beim Menschen seit jeher eine unausweichliche Ambivalenz hervor. Selbst die großen religiösen Texte geboten ja, die beiden zu ehren, nicht zu lieben. Die Zeitenwende, die 1968 mit dem »Verbot zu verbieten« eingeläutet wurde, brauchte indes weniger als ein halbes Jahrhundert, um die beiden Repräsentanten des »Zwangs« zu neutralisieren.

Nun geht es darum, die Verderber ungehemmten Amüsements gänzlich zu vernichten. Mit dem ideologischen Kehrbesen werden jahrhundertealte Gewohnheiten hinweggefegt und die Begriffe beseitigt, die diejenigen bezeichnen, denen wir die Weitergabe des Lebens verdanken. Es ist anzunehmen, dass die verbreitete Zustimmung hierzu ihren Grund in archaischen Ambivalenzen hat, die die Realisierung eines solchen Vorhabens überhaupt erst ermöglichen. Dieses vielsagende Symptom bedarf unserer näheren Betrachtung.

Der Versuch der Beseitigung von Mutter und Vater besitzt ein explosives Potential. Dieses rührt nicht nur von den Bemühungen einer Minderheit der Homosexuellen, die das Recht auf Eheschließung fordern und die damit selbst nur Symptome einer tieferreichenden Krise sind. Es zeigt sich vielmehr im kollektiven Echo auf das inhärente Angebot, die Weitergabe von Leben, Institutionen und Werten zu verweigern. Andernfalls wäre die Forderung allenfalls belächelt oder übergangen, nicht aber mit dieser erstaunlich breiten Zustimmung und Zufriedenheit aufgenommen worden.

Der Vorgang wird freilich von einer winzigen Minderheit gesteuert. Sie bedient sich einer politisch-korrekten Sprache, deren Gebrauch mit dem Ende des Denkens gleichzusetzen ist. Weder für Huxley noch für Orwell wäre eine derartige Attacke vorstellbar gewesen. Selbst wenn Orwell schreibt, »durch immer weniger Worte wirkt die Sprache wie bis auf die Knochen abgenagt«, so dachte er doch nicht an eine Beseitigung der Worte »Vater« und »Mutter«. Zwar war ihm klar, dass jede Perversion eine Manipulation der Sprache mit sich bringt und dass jeder Totalitarismus von einer totalen Verneinung begleitet sein müsse, die in der Sprache selbst wuchert. »Die Lüge ist die Wahrheit«, »Der Krieg ist der Frieden«, diese Slogans aus 1984 gehörten zur bewusst herbeigeführten Erosion der Sprache, die diese für die menschlich-zwischenmenschliche Verständigung unbrauchbar machen sollte. Doch niemals ging es in Orwells Werk bis zur äußersten Verneinung, der Leugnung geschlechtlicher Unterschiede. Allerdings kam er der Sache nahe: Seine »Anti-Sex-Liga« kämpft nicht für die sexuelle Freiheit sondern für die Abschaffung der Geschlechtlichkeit – jegliche Differenzen sind totalitärem Denken missliebig.

Auch Huxley ist nicht in den Sinn gekommen, was heute bei uns geschieht. Zwar zeigte er auf, dass das Wort »Eltern« lächerlich gemacht werden würde, weil es aus einer überholten Epoche der »Fortpflanzung durch Lebendgeburten« stamme. Aber seine Vorstellung reichte nicht soweit, dass »Eltern« zu einem »neutralen« Begriff werden könnte, der etwas anderes als einen Mann und eine Frau bezeichnet.

Freud bezeichnete die Verleugnung der Differenz – »ein Mann ist eine Frau« – als eine Verdrängung der »Kastrationsangst«. Dem entspricht in der Psychoanalyse die Weigerung, Unvollständigkeit und Komplementarität zu akzeptieren. Diese Verdrängung erfordert freilich ein kategorisches Bestreiten der Wirklichkeit. Dies geschieht durch weit auswuchernde Allmachtphantasien, gegen die keinerlei äußere Tatbestände mehr ins Feld geführt werden können. Schließlich entsteht hieraus in der psychischen Disposition ein unablässiges, sich abkapselndes Selbstgespräch. Der Irrsinn tritt letztlich als Hass nach außen.

Die öffentlichen Beschwichtigungsreden bemühen sich, das Gewaltpotential einer solchen sprachlichen und mentalen Bereinigung unter die Wahrnehmungsgrenze zu drücken. Bereits seit etwa zehn Jahren fordern Splittergruppen, den Begriff der Elternschaft zu »neutralisieren«. Neutralisieren, das bedeutet, die Geschlechtlichkeit des Männlichen und des Weiblichen zu beseitigen, bedeutet, Geschlechtlichkeit unschädlich zu machen. Die Intention heißt Vatermord. Vater und Mutter müssen sterben, im Namen der neu erfundenen, neutralen »Elternliebe«.

Jenseits der Vorstellungen Orwells liegt auch unsere politisch korrekte Sprache in ihrer »soften«, alltäglichen Variante. Ihr Bezugspunkt sind leicht gekränkte und beleidigte Minderheiten von Minderheiten. Zugegeben, wenn Schwarze zu »Farbigen« oder Blinde zu »Sehbehinderten« werden, ist der Schaden noch gering. Wenn Entlassungen »Sozialpläne« heißen, beginnt man, sich unwohl zu fühlen. Wenn ein »Mohr im Hemd« künftig als »Schokoladenkuchen mit Schlag« bezeichnet werden soll, fragt man sich, ob man träumt. Und wenn die »Ehe«, wie sie bisher verstanden wurde, als »legale Diskriminierung von Bürgern mit nicht-heterosexueller Orientierung« diffamiert wird, macht sich Angst breit. Genau dies geschieht derzeit.

»Politisch korrekt« bedeutet, dass die Sprache aalglatt sein soll, ohne Widerhaken, ohne Schärfe. Es handelt sich um ideologische Glättungsversuche, die bis ins Detail überwacht werden. Sie kaschieren einen geistigen Terrorismus, der direkt in eine Art Ethik der Konfusion führt. Der Kampf für das auf diese Weise neutralisierte »Gute« hinterlässt Schlachtfelder des Hasses und der Unmenschlichkeit. Die Verstümmelung der Sprache wird hinter pathetischen Bekundungen einer Gesellschaft verborgen, die nichts mehr zu empfangen und nichts mehr weiterzugeben weiß, die weder zu denken, noch zu hierarchisieren noch einzuordnen vermag. Am Ende steht eine Gesellschaft, die nur noch Traditionen brechen und Forderungen aufstellen kann – und die das mit einem erschreckenden Aufwand an pseudo-wissenschaftlicher Untermauerung zelebriert. Die Weisheit bricht unter den Schlägen eines solchen »Expertentums« zusammen. Sie wird von der Forderung überrannt, alle menschlichen Bindungen zu verwissenschaftlichen. Die Vernunft flieht vor einer sich als Scharfrichter gebärdenden Rationalität, die Herkommen und Tradierung nicht mehr kennt. Das verursacht allgemeine Paranoia, und die ist bereits weit fortgeschritten.

Die Forderung nach der »Homo-Ehe« hat ganz offensichtlicher Weise weder eine sachliche Berechtigung, noch zielt sie auf eine zu beseitigende Ungerechtigkeit. Sie ist ein zu entzifferndes Symptom. Denn was bedeutet die Gleichzeitigkeit der Forderung nach Anerkennung einer Differenz und dem gewaltsamen Bestreben ihrer Aufhebung? Was bedeutet die Forderung nach »symbolischem Gehalt« der Gesetzgebung, während zugleich aller Inhalt nivelliert wird? Was bedeutet die Besessenheit, mit der der Bruch mit allem Überkommenen gesucht wird? Was bedeuten schließlich die bemerkenswerten Veränderungen in den Forderungen aus dem homosexuellen Milieu – gestern nach dem Recht auf eine »andere« Sexualität, heute nach den Attributen der »alten« Sexualität: Familie und Kindern? Wozu diese Parodie der alten Ehe, die ansonsten langsam aus der Mode zu kommen schien? Um ihr den Gnadenstoß zu geben? Oder weil ihr Platz nicht leer bleiben darf? Und dies alles vor dem Hintergrund des erstaunlichen Desinteresses der Homosexuellen an der noch vor kurzem so vehement geforderten eingetragenen Partnerschaft (»Pacs«). In allen Bereichen fordern Gleichstellungsfanatiker heute die Parität von Männern und Frauen. Der Geschlechtsunterschied wird so massiv politisiert wie nie zuvor in der europäischen Geschichte. Und ausgerechnet bei der Ehe und bei Eltern soll er keine Rolle mehr spielen?

Angesichts großer – und realer – nationaler und globaler Probleme sollte es eigentlich erstaunen, dass sich das politische und mediale Interesse in einem solchen Ausmaß von der Frage der »Homo-Ehe« absorbieren lässt. Aber auch Präsidenten, Politiker und Medienleute können offensichtlich beherrscht werden von der Ambivalenz gegenüber allem Herkommen, gegenüber allem, was sich »wissenschaftlichen« Beweisen entzieht, gegenüber allem, was noch eine »Grenze« des Humanen aufzeigt. Allerdings ist zu bedenken: Die kindliche Ambivalenz gegenüber »Papa/Mama« wiederholt sich in der Achtung des Bürgers vor den öffentlichen Institutionen, vor der staatlichen Gewalt. Auf einmal wird deutlich, dass uns das Ende von Vater und Mutter auf noch schlimmere Abwege führen könnte …

Die Identifikation der Politiker mit diesen Zielen ist als solche rätselhaft. Im Kern soll eine jahrhundertelang fraglos hingenommene Gewohnheit beseitigt werden, die im hergebrachten Begriff der Ehe immer die Vereinigung von Mann und Frau sah. Noch nie wurde daran gezweifelt – bei aller Vielfalt der Ehe in den verschiedenen Kulturen! Andererseits erfordert dieser Umbau die unhinterfragte Unterwerfung unter eine Minderheit von Aktivisten, die keinesfalls von allen Homosexuellen unterstützt wird, die aber die Deutungshoheit mittels einer Sprache des ideologischen Egalitarismus und der Entdifferenzierung errungen hat und so in wirksamer Weise mit dem Vorwurf der »Homophobie« den Verzicht auf das Denken erpressen kann.

Auch scheint unsere Gesellschaft, der ihre Grundlagen und festen Bezugspunkte vollends abhanden gekommen sind, die überkommenen und ihr unverständlich gewordenen Institutionen insgesamt behandeln zu wollen wie ein Kind, das ein Spielzeug zerbricht, um seine Funktionsweise zu verstehen. Zerstören kann eine barbarische Art des Fragens sein. Und in der Tat ist uns in der westlichen Welt im Bereich der Sexualität und der Weitergabe des Lebens in rasch aufeinanderfolgenden Etappen alles radikal fraglich geworden: In den 1970er Jahren: Wie funktioniert Sexualität ohne Zeugung von Kindern? In den 1980er Jahren: Wie erzeugt man Kinder ohne Sexualität? Und heute: Wie bekommt man Kinder ohne Geschlechtsdifferenz der Eltern?

Zwei Männer oder zwei Frauen als »Mann und Frau« im Sinne der Ehe zu behandeln, bedeutet schließlich auch, die fundamentale Verknüpfung von Worten an Körper aufzulösen, die Bedeutungen von den Dingen zu trennen, auf dass sie wie freie Elektronen durch virtuelle Welten fliegen. Im Namen einer anti-ontologischen Gleichheit sollen alle zur kollektiven Regression verpflichtet werden, zu einem Dasein als Neutra. Dabei ist die menschliche Welt alles andere als neutral – sie ist nichts anderes als die Welt der in ihr vorhandenen Dinge. Der unheilvolle Neutralitätsgedanke geht mit einer verfälschenden Vorstellung von Objektivität einher.

Bei all dem wäre daran zu erinnern, dass es nicht die Aufgabe des Staates sein kann, auf Provokationen ideologischer Aktivisten einzugehen, die eine konfuse Sprache sprechen und auf jeglichen Widerspruch mit dem Terror ihrer »korrekten« Sophismen reagieren. Noch weniger ist es Aufgabe des Staates, dergleichen Provokationen institutionelle Formen zu geben. Wenn so etwas geschieht, dann wird die Verdrängung zum bürgerlichen Gesetz – und dies mit unabsehbaren psychischen Folgen für alle. Homophobie zu bekämpfen ist eine Sache. Rechtsformen für die Partnerschaften zwischen Homosexuellen, die dies wünschen, zu institutionalisieren eine weitere.

Funktionierende Institutionen aber auszuhöhlen und zu entwerten, ist etwas völlig anderes. Genau das ist das Problem der »Homo-Ehe«: Ein legitimes Anliegen verbindet sich mit einer antizivilisatorischen Attacke auf unsere Institutionen. Das wird zwangsläufig archaische Kräfte wecken. Die Gegner eines solchen Unternehmens sind keinesfalls homophob, sie sind weder Moralapostel noch Fanatiker der »Normalität«. Wenn sich etwa zahlreiche französische Bürgermeister bei ihrer Weigerung, eine Homo-Ehe zu schließen, auf das Gewissen berufen, dann steht dahinter vielmehr ein sicheres Gespür für den Angriff auf die öffentlichen Institutionen. Und sie versuchen, sich einem double bind zu entziehen.

Dennoch glaubt man offenbar, gleichzeitig Transparenz und Gerechtigkeit anrufen und offensichtliche Lügen in die Gesetzbücher schreiben zu können. Wie soll man diese Kröten schlucken? Einmal mehr durch eine Vergewaltigung der Sprache: »Vater« und »Mutter« werden aus den Gesetzen getilgt, das Fräulein [»Mademoiselle«] wird verboten, alle Funktionen – wie »Autofahrer« zu »Autofahrerinnen« – werden feminisiert. Demnächst wird die angeblich diskriminierende »Ecole maternelle« [fr. für Kindergarten] umbenannt. Wir befinden uns hier auf dem bevorzugten ideologischen Schlachtfeld. Das Ziel lautet in der unklaren Formulierung eines bekannten zeitgenössischen Intellektuellen, die Welt nicht mehr »nach dem Unterschied der Geschlechter zu organisieren«.

Das akademische Fundament hierfür sollen die gender studies liefern. Sie wiederholen teils, was seit der Antike schon bekannt war, nämlich das mögliche Vorhandensein weiblicher Züge beim männlichen Geschlecht und männlicher Züge beim weiblichen Geschlecht. Die umfassende Verneinung der Differenz sollen sie wissenschaftlich untermauern und mit einer Pseudobürgschaft versehen. Aber, ganz gleich, welche bisexuellen psychischen Dispositionen es auch immer geben mag, der Unterschied der Geschlechter bleibt. Nur mit Hilfe dieser Voraussetzung kann man alle möglichen Überschreitungen überhaupt feststellen. Er bliebe besser Gegenstand von Literatur und Film, als dass er in die Hände von Politikern fiele, die ihn mit einer modernistischen Mischung aus Toleranz und archaischem Selbsthass zu beseitigen suchen.

Sicherlich kann es befreiende Formen geben, überkommene Grenzen zu übertreten. Andere Grenzverletzungen aber wirken wie eine Injektion tödlichen Giftes. Das sind jene, die – in der Regel im Namen der Egalität – auf eine wachsende Entdifferenzierung zielen. Solche Überschreitungen, die das »Andere« auf das »Gleiche« zurückführen wollen, zerstören das langsame Voranschreiten jeglicher zivilisierender Unterscheidung. An dieser Arbeit wirkte bisher auch das Recht maßgeblich mit. Künftig wird es zur Konfusion beitragen. Huxley erwähnte die »mühsam durch Zivilisierung errungenen Hemmungen«. Ziel dieses Prozesses ist nichts anderes als der Schutz des menschlichen Individuums vor der immer neuen Versuchung, als einzelner schon ein in sich geschlossenes Ganzes sein zu wollen.

Und was die Kinder betrifft: Natürlich sind Homosexuelle in der Lage, Kinder zu erziehen. Viele tun es auch. Es ist völlig unnötig, aus Kindern Objekte ideologischer Forderungen oder gerichtlicher Klagen zu machen. Die Absurdität, homosexuellen Paaren staatlicherseits künstliche Befruchtung zu ermöglichen – zwangsläufig verbunden mit Leihmutterschaften – zeigt hingegen, dass die derzeitigen Bestrebungen rein gar nichts mit den realen Bedürfnissen realer Kinder zu tun haben.

Unsere Generation zerstört alles, was Grenzen setzt. Sie wird somit nichts mehr an die Nachkommenden weitergeben können, vor allem nicht jenen teils unergründlichen Gehalt unserer Zivilisation, der innerhalb jener Grenzen liegt. Was passiert, wenn diese Generation in den Augen der Nachfolgenden demnächst für altmodisch befunden wird? Die Flucht nach vorn wird kein Ende finden. Wissenschaftler arbeiten schon an der Herstellung männlicher Eizellen und weiblicher Spermazoiden aus Stammzellen. Das leibliche Kind homosexueller Eltern taucht als Gespenst am Horizont bereits auf. Dem werden mit scheinbar zwingender Logik weitere Forderungen folgen: »Die Homo-Ehe hat ihnen gut gefallen? Dann ist der künstliche Uterus sicher auch was für sie …!«

Schrieb Descartes nicht, der gesunde Menschenverstand sei die am weitesten verbreitete Sache der Welt? Ließ Shakespeare seinen Macbeth nicht sagen, nichts sei zu fürchten von dem, der aus dem Weibe geboren sei? Übrigens – auch das Wort »geboren« wird verschwinden müssen. »Geburt« verweist auf Ursprung, auf Weitergabe, ist Metapher für Aufbruch, Wachstum, Zukunft. Den Platz werden »Sohn« und »Tochter« – und zwar als rein administrative Zuschreibungen – einnehmen.

Wir müssen den Bürgern, die von einer derart verlogenen Sprache betäubt und von angeblichen Experten betrogen werden, die archaische Gewalt bewusst machen, die in der Beseitigung von Mutter, Vater und Geburt liegt. Zwischen Homosexuellen und Heterosexuellen scheint sich heute eine rigide Trennung aufzubauen. Dabei teilen alle dieselbe Welt. Ebenso obliegt es allen, zutiefst menschliche Institutionen wie die Ehe zu schützen, die den Verbindungen zwischen Männern und Frauen und zwischen den Generationen eine unverzichtbare Form geben. »Institution« kommt von »status«, von »sich aufrecht halten«. Diese Vertikalität ist die Metapher der menschlichen Würde, sie impliziert Verbindungen, die nur unter »Gleichen« nicht mehr bestehen.

Paul Valéry schrieb in seiner »Rede über den Fortschritt«: »Die neue Zeit wird bald einen Menschen schaffen, der durch keinerlei geistige Gewohnheit mehr mit der Vergangenheit verbunden ist. Die Geschichte wird ihm als eine Sammlung sonderbarer, nahezu unverständlicher Geschichten erscheinen, denn in seiner eigenen Gegenwart orientiert sich nichts mehr an vergangenen Vorbildern, überlebt nichts aus der Vergangenheit.« Zwar sind anthropologische Grenzen nicht so gut zu sehen wie eine Fahrbahnbegrenzung auf der Autobahn. Gleichwohl sind symbolische Grenzüberschreitungen leicht an den Schmerzen zu erkennen, die sie denen verursachen, die ihre Ohnmacht und die Wirkungslosigkeit aller Argumente gegen die sich breitmachenden Perversionen empfinden. Und sie sind an der Ausgelassenheit zu erkennen, die sie bei der Masse hervorrufen, die sich in ihrem Triumph über das Naturgemäße sowie in einem Gefühl der Allmächtigkeit suhlt.

Indes wird kein Gott hinter den Wolken hervortreten und Blitze seines Zorns auf die Erde schleudern. Zwar mögen sich unsere Vorväter im Grabe herumdrehen. Doch gilt, was bereits Freud erkannte: Dass, wer auch immer der Menschheit die Befreiung von jenen Aufgaben verhieße, die ihr die Geschlechtlichkeit auferlegt, als ein Held gefeiert würde, dem man jede noch so große Dummheit nachsieht. Die Welt wird auf die Neutralisierung der Geschlechtlichkeit und auf die Aufhebung von Herkunft vermutlich am Ende mit Indifferenz blicken. Das Neutralitätsprinzip zersetzt letztlich jeden inhaltlich begründeten Widerstand.

Selbstbestimmungsschaum

Sterbehilfe, Homo-Ehe und die »ungeborene« Zukunft

Wutschnaubend kommentiert ein Zuhörer meiner Lesung in Marburg namens Hans S. meine dort vorgebrachten Überlegungen. Ich hatte zum Thema Sterbehilfe gesprochen und aus unserem diesbezüglichen Buch vorgelesen. Hans S., der jetzt auf amazon seinem Ärger Luft macht, hat in Marburg leider nichts gesagt. Umso energischer reiht er sich in jene ein, die mir wegen meiner kritischen Haltung zur Sterbehilfe wahlweise Bevormundung oder Propaganda vorwerfen. Der Besucher, der in Marburg schwieg, als er mit mir hätte reden können, wirft mir vor, meine Moralvorstellungen gegen den Sterbewilligen »erzwingen« zu wollen.

Außerdem, sagt Hans S., wolle ich kraft meiner gesunden Seele (danke!) der kranken Seele, der niemand mehr helfen kann (woher weiß er das?), ihre Autonomie absprechen. Erstens: Ich habe noch nie die Gültigkeit meiner Moralvorstellungen gegen einen Sterbewilligen erzwungen, und das werde ich hoffentlich auch nie tun. Zweitens: Eine kranke Seele ist nicht autonom, sondern hilfsbedürftig. Drittens: Warum ist die Behauptung, dass der kranken Seele nicht mehr zu helfen sei, weniger anmaßend als meine Bitte an den Sterbewilligen und vor allem an seine Nächsten, die Hoffnung nicht aufzugeben? – Einem gewissen Kater Felix danke ich für seinen Kommentar: »Dem Selbstbestimmungsschaum vor dem Mund des Herrn Hans S. nach zu urteilen ist er selbst jedenfalls nicht suizidgefährdet. Suizid ist immer etwas für die Anderen. Wir sind ja so liberal.«

Bei »Selbstbestimmungsschaum« fällt mir der offene Brief an den Deutschen Bundestag mit der Forderung nach einer vollen Gleichstellung der Homo-Ehe ein, der den Abgeordneten in der vorigen Woche zugestellt wurde, unterzeichnet unter anderem von Martin Walser und Günter Grass: »Stellt gleich, was gleich ist!« In diesem sprachlich unglaublich misslungenen Brief, der sich wie eine unbeholfene deutsche Übersetzung aus mindestens drei verschiedenen Sprachen unter Verwendung einer pathetischen Gründungsurkunde aus dem 18. Jahrhundert liest, heißt es: »Wenn zwei Menschen egal welchen Geschlechts sich füreinander entscheiden und Verantwortung für sich, die Gesellschaft und die geborene als auch ungeborene Zukunft übernehmen wollen, dann ist dies zutiefst schützenswert.«

Es reicht also künftig, wenn ein Homosexueller »Verantwortung« für die Folgenlosigkeit seiner Sexualität übernimmt, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Ich finde, Verantwortung für die Folgenlosigkeit der eigenen Sexualität zu übernehmen, hieße, der Kinderlosigkeit ins Auge zu sehen und gerade nicht einfach mal ein Recht auf Kinder auszurufen. Vor allem hieße es nicht, das Auge auf die Kinder anderer Leute zu werfen. Und dann die »ungeborene« Zukunft. Was für eine Zukunft soll das eigentlich sein? Und warum heißt es bei »geborener Zukunft« nicht einfach »Kinder«? Weil »geborene Zukunft« pathetisch und gemeinnützig klingt, während das Wort »Kinder« bloß an lautes Schreien und schmutzige Windeln erinnert und an das, was eine Dame vom Deutschlandradio sich heute früh nicht entblödete zu sagen: dass sie doch so teuer sind? Das sagte sie in einer Sendung über die Unsicherheit unserer Altersversorgung. So viel Schizophrenie muss man erst einmal können.

Der Brief an den Bundestag ist ein Dokument ersten Ranges. Die Gleichstellung soll nicht nur im Recht vollzogen werden, sondern vor allem in der Natur. Die rechtliche Gleichstellung ist nur eine vorübergehende Notlösung auf dem prometheischen Weg zum neuen Menschen. Dieser neue Mensch hat Fortpflanzung und Sexualität vollständig getrennt. Liebe, so sagt der offene Brief, ist dasselbe wie Sexualität. Also hat die Fortpflanzung nichts mehr mit Liebe zu tun, und die Liebe nichts mehr mit Fortpflanzung. Deshalb auch »geborene Zukunft« statt »Kinder«. Kinder sind nur noch das Material, aus dem die Zukunft gemacht ist, weil es dummerweise keine andere gibt. Aber vielleicht findet sich auch hier eine Lösung.

Bis auf weiteres, solange wir sie noch brauchen, werden Kinder halt aus dem Labor oder aus dem Bauch einer Leihmutter kommen oder von Eltern, die sich mit ihrer traditionellen, familienorientierten Erziehungsweise des Kindesmissbrauchs schuldig machen und das Sorgerecht verlieren. So ungefähr sieht doch wohl die Hoffnung derer aus, die auf den Umbau eines Adoptionsrecht spekulieren, das früher für elternlose Kinder gedacht war und nun »für« kinderlose, homosexuelle Möchtegern-Eltern dasein soll? Richtige Eltern mit richtigen Kindern müssen diesen Zukunftsstürmern »zutiefst« verdächtig sein, denn sie bleiben Homosexuellen, die unter allen Umständen ihre Gleichheit behauptenn wollen, ein ständiges Ärgernis und eine ständige Demütigung, umso mehr, seit sie ihr beneidetes Teilvorbild überholen, ohne es einzuholen. Das Unglück Hans Christian Andersens beschrieb Hans Mayer als das Unglück »des Schwans im Ententeich, der jedoch im Ententeich zu leben hat, wo man Schwäne nicht als höhere Gattung anerkennt.« (Außenseiter, S. 233) Jetzt gibt es schon Homosexuelle (Schwäne), die die Umarmung von Mann und Frau (Enten) auf offener Straße als Diskriminierung empfinden. So beginnt die schöne, neue Welt. Mit ganz viel Stolz, mit ganz viel Prüderie, aber ohne Zukunft.

Denn der Offene Brief will uns allen Ernstes sagen: Die Weitergabe des Lebens darf nicht länger das Kriterium sein, das die Homosexualität von der normalen Sexualität unterscheidet. Nachwuchslosigkeit darf nicht mehr mit Homosexualität identifiziert werden und Elternschaft nicht mehr mit normaler Sexualität. Damit Homosexuelle für die Folgenlosigkeit ihrer Sexualität nicht diskriminiert werden, müssen geborenes und ungeborenes Leben künftig denselben Wert haben. Leben und Nichtleben müssen denselben Wert haben. Leben und Tod müssen denselben Wert haben. Und weil Leben und Tod denselben Wert haben müssen, kann man die Sterbehilfe als das bessere Leben verkaufen. Aber warum als das bessere? Wie kann der Tod »besser« sein, wenn Leben und Nichtleben sich gar nicht mehr unterscheiden?

Die Diktatur der Konfusion

Wer daran erinnert, was Kinder brauchen, ist noch lange nicht homophob.
Zehn Thesen gegen die Homo-Ehe von Bertrand VERGELY

Vorbemerkung von Andreas Lombard

Wenn zur Zeit darüber berichtet wird, dass die Einführung der Homo-Ehe die Bevölkerung Frankreichs in zwei gleich große Hälften spalte – die eine dafür, die andere dagegen (mit einer geschätzten Million Demonstranten) –, dann könnte der Eindruck entstehen, als ob dies in Deutschland anders wäre. Ich glaube aber, dass auch bei uns mindestens die Hälfte der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe ist, wenngleich das weder offiziell festgestellt noch mitgeteilt, sondern von ihren Befürwortern zum Horrorszenario erklärt wird. Unter der Herrschaft des Skandals bleibt der wahre Skandal verborgen. Die Leidtragenden der Homo-Ehe in Verbindung mit einem »Recht auf Kinder« (das es bislang für niemanden gibt!) sind – Kinder. Kinder, denen die gemeinsame Aufzucht durch Vater und Mutter verweigert wird. Gewiss, es gibt Scheidungen, und es gibt Kuckuckskinder. So etwas kommt vor. Das Fehlen eines Elternteils aber planmäßig in die Wege zu leiten, ist ein Verbrechen am Kind, und es wird ihm schwere seelische Schäden zufügen.Die Gegnerschaft wird umso stärker werden, je deutlicher sich diese Folgen zeigen und – je mehr Immigration Europa zulässt. Denn bemerkenswerter Weise haben sich in Frankreich die Vertreter der jüdischen Gemeinde und der Muslime auf die Seite der Gegner des Gesetzes gestellt. Das heißt, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse gerade neu formieren. Den Ausgang der letzten Abstimmung in der Nationalversammlung im Rahmen der zweiten Lesung des Gesetzes am Dienstag, dem 23. April, wird die Gegenbewegung zwar kaum zu ihren Gunsten beeinflussen können. Aber der Widerstand insbesondere friedlicher, junger Leute, die sich »Les veilleurs« (Die Wächter) nennen, nimmt zu. Dass es bei dem auch heftigen Widerstand in Frankreich nicht zwingend um die notorisch unterstellte Homosexuellenfeindlichkeit geht und dass sich der Widerstand auf gewichtige naturrechtliche Argumente beruft, um lediglich die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten eines überzogenen Gleichstellungsdenkens anzuprangern, das belegt der folgende Beitrag, der seit dem 14. Januar in zahlreichen französischen Internetforen erschienen ist. Sein Autor Bertrand Vergely, geb. 1953, ist französischer Philosoph und Theologe. Er ist Absolvent der »Ecole normal supérieure« von Saint-Cloud. Vergely lehrt am »Institut d’Etudes politiques«, am »Institut de théologie orthodoxe Saint-Serge« und am »Lycée Pothier«. Wir danken dem Autor für die freundlich erteilte Genehmigung, seinen Text auf D.E.d.E. zu publizieren.

 

Die Diktatur der Konfusion

1.
Es kommt darauf an, zwischen der Frage der Homosexualität und der Frage der sogenannten Homo-Ehe zu unterscheiden. Homosexualität gehört in die Sphäre des Privaten und Individuellen. Es gibt in der Gesellschaft Menschen, deren Zuneigung sich auf Menschen gleichen Geschlechts bezieht. Warum ist das so? Wir wissen es nicht und werden es wegen der Vielzahl der möglichen Gründe wohl niemals wissen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen Tatbestand, den die Gesellschaft anerkennen muss, indem sie den Homosexuellen die gleichen Rechte auf Schutz ihrer Privatsphäre zugesteht wie jedem anderen Bürger.

2.
Im Gegensatz dazu betrifft die Einführung der Homo-Ehe alle. Denn hiermit soll eine bislang gültige Norm ein für alle Mal abgelöst und eine neue Norm für Familie, Abstammung und Weitergabe des Lebens etabliert werden.

3.
Die Ehe ist in ihrem Ursprung eine natürliche Gegebenheit. In ihr vereinen sich ein Mann und eine Frau und zeugen gemeinsame Kinder. Indem Gesellschaft und Staat diese Ehe als Institution etablieren, schaffen sie nur einen rechtlichen Rahmen, um jene naturgemäße Grundlage zu schützen.

4.
Es deutet derzeit viel darauf hin, dass Ehe, Abstammung und Weitergabe des Lebens ihre Bedeutung verändern. Die Weitergabe des Lebens soll nicht mehr als der hauptsächliche Sinn der Ehe verstanden werden. Statt der Zeugung von Kindern soll vielmehr das »Gefühl« zu ihrer Grundlage werden. Ebenso scheint auch die Bedeutung eines Kindes nicht mehr vorrangig darin zu liegen, Frucht der Verbindung eines Paares zu sein. Immer öfter kommt es zur »Nachfrage nach Kindern«, etwa als Wunsch nach Adoption durch Einzelstehende oder nach künstlicher Befruchtung von zeugungsunfähigen Paaren. Somit stellt sich eine Frage, die alle betrifft, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, nämlich, ob das »Gefühl« die einzige Grundlage der Ehe darstellen soll, und ob der Wunsch nach einem Kind, von wem auch immer geäußert, den einzigen Grund für seine Existenz bilden kann. Anders gefragt, soll das, was in der Lebenspraxis zunehmend um sich greift, zur verbindlichen Norm werden?

Wer dies bejaht, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann auch kein formeller Widerspruch etwa gegen eine Aufhebung des Inzestverbotes möglich wäre. Wenn das »Gefühl« unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten normbildend wird, dann wird in seinem Namen ein Vater fordern können, seine Tochter oder gar seinen Sohn; eine Mutter, ihren Sohn oder ihre Tochter; eine Schwester, ihren Bruder oder ihre Schwester; und ein Bruder, seine Schwester oder seinen Bruder heiraten zu dürfen. In einem solchen Fall, wo das Gefühl als Grundlage eines Rechtes jenseits der natürlichen Realität gesetzt wurde, wird bald niemand mehr wissen, wer er im Hinblick auf den anderen ist. Schwerwiegende Identitätskrisen werden die leicht vorhersehbare Folge sein. Die krankhaften Tendenzen eines hedonistischen Individualismus, für den die Realität nicht existiert und nicht mehr existieren darf, werden sich dramatisch verstärken. Wenn der Vater auch Liebhaber der Tochter, die Mutter auch Geliebte des Sohnes sein kann, wird der gängige Begriff der Familie absurd und die erzieherische Autorität der Eltern eliminiert. Die Familie explodiert sozusagen.

Wenn nun aber das Inzestverbot fiele, dann würde das auch die Zukunft des Menschen an sich bedrohen. Denn dieses Verbot erinnert an nichts Geringeres, als dass der Mensch sich selbst durch die Ehe und die Weitergabe des Lebens entfaltet und fortzeugt, nämlich, indem er sich an einen anderen bindet, der eben nicht derselben Familie entstammt und nicht demselben Geschlecht angehört, und dass es eben seine Bestimmung ist, nicht auf seine eigene Familie und sein eigenes Geschlecht beschränkt zu bleiben.

In dieser Perspektive lastet auf dem Gesetzgeber im Fall der Regelungen zur Homo-Ehe eine besonders große Verantwortung. Beschließt er, aus der Ehe eine Rechtsangelegenheit auf der Basis des Gefühls und unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten zu machen, ebnet er dem Ruin der psychischen Identität des Menschen, dem Ruin seiner Familie und seiner Zukunft den Weg.

5.
Jenseits dieser Fragen, die alle betreffen, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, wirft die Homo-Ehe eine Reihe weiterer spezifischer Fragen auf, die sehr genau bedacht werden sollten. Die wichtigste ist die nach der Bedeutung des Wortes »gleich«. Ist es möglich, im Namen der Gleichheit und der Antidiskriminierung eine Gleichheit aller Paare zu schaffen? Dem stehen gewichtige Gründe entgegen:

6.
Im Sinne der einfachen Frage nach der Wirklichkeit, nach dem natürlich Gegebenen, kann man Heterosexualität und Homosexualität schwerlich als »gleich« ansehen. Ein Paar aus Mann und Frau ist nicht das Gleiche wie ein Paar aus zwei Männern oder zwei Frauen. Heterosexuelle Paare sind nicht homosexuell, und homosexuelle Paare sind nicht heterosexuell. Hier Gleichheit herstellen zu wollen, bedeutet schlicht, die Wirklichkeit zu negieren und eine große Konfusion zwischen dem Wesen des Menschen und seiner (jeweiligen) Lebenspraxis zu schaffen. Heterosexualität ist, vor aller Lebenspraxis, dem Wesen des Menschen gemäß. Homosexualität wird zwar praktiziert, aber deshalb entspricht sie noch lange nicht dem Wesen des Menschen.[1] Der Grund ist klar: Um homosexuell zu sein, muss man zunächst Mann oder Frau, also Teil der heterosexuell ausgeprägten Natur des Menschen sein. Wenn dieser Unterschied nun im Namen der Gleichheit eingeebnet wird, läuft dies auf ein Diktat der Lebenspraxis über das Wesen des Menschen hinaus. Die gefährliche Folge kann über kurz oder lang die immer radikalere Unterdrückung der für den Menschen wesentlichen geschlechtlichen Differenz sein. Die Homo-Ehe würde also zwangsläufig diktatorische Effekte zeitigen. Um den Homosexuellen gleiche Rechte zuzugestehen, würde es letztlich der Menschheit verboten werden müssen, noch irgendeinen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Wer in der Heterosexualität einen Wesenszug und nicht eine bloße Lebenspraxis des Menschen sieht, könnte wegen Diskriminierung verurteilt werden. Im Ergebnis würde dies eine neue Menschheit bedeuten. Bisher lebten wir in einer durch Unterscheidungen geprägten und sich in Unterscheidungen mitteilenden Welt. Was wir dann erleben würden, wäre eine auf »Ununterscheidbarkeit« gegründete Welt. Da die Differenzierung der Wesenszug allen Lebens ist, die Entdifferenzierung aber das Wesen des Todes,[2] bedeutet die Einführung der Homo-Ehe nichts anderes, als dass von nun an das Prinzip des Todes die Menschheit leiten würde.

7.
Die Probleme der gesetzlich dekretierten Gleichheit aller Paare spiegeln sich auch auf der Ebene der Kinder wider. Offenbar droht in Vergessenheit zu geraten, dass ein homosexuelles Paar keine eigenen Kinder haben kann. Das mag man bedauern, aber es ist so – zwei Männer oder zwei Frauen können miteinander kein Kind zeugen. Für die Weitergabe des Lebens bedarf der Mann der Frau und die Frau des Mannes. Gleichwohl fordern die Homosexuellen, »ein Kind haben zu dürfen«. Sie beziehen sich hierbei auf das Recht heterosexueller Paare, ein Kind zu adoptieren oder die Möglichkeiten künstlicher Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Dabei scheinen sie zu vergessen oder vergessen machen zu wollen, dass es nicht das Recht, sondern die Natur ist, wodurch ihnen eigene Kinder versagt bleiben. Natürlich kann ein heterosexuelles Paar adoptieren oder eine künstliche Befruchtung vornehmen. Gleichwohl aber wird ein solchermaßen empfangenes Kind niemals dieselbe Bedeutung haben wie ein von Homosexuellen adoptiertes Kind. Denn wenn ein heterosexuelles Paar adoptiert, so gleicht es hiermit ein individuelles Unfruchtbarkeitsproblem aus. Wenn hingegen ein homosexuelles Paar adoptiert, so versucht es, eine grundsätzliche Unmöglichkeit zu umgehen. Die symbolische Bedeutung eines solchen Kindes ist eine andere. Eine Unmöglichkeit mithilfe eines Gesetzes umgehen zu wollen, führt uns in einen Bereich prometheischer Fiktionen jenseits der menschlichen Realität.

8.
Bislang beruht das Verständnis von Gesellschaft auf dem Verständnis ihrer Grenzen, darauf, dass – kurz gesagt – nicht alles möglich ist. Dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann. Dass nicht alles hergestellt oder gemacht werden kann. Diese Grenzen sind auch schützende Grenzen. Die Einsicht, dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann, bewahrt uns vor einer Diktatur des Rechts, und der Gedanke, dass nicht alles hergestellt werden kann, vor einer Diktatur der Wissenschaft. Mit der Homo-Ehe und dem Recht homosexueller Paare auf Adoption und künstliche Befruchtung würde sich das ändern. Die Idee, dass nichts unmöglich sei, würde die Bedeutung von Grenzen leugnen. Der Schutz vor einer Diktatur des Rechts würde fallen. Alles würde per Gesetz »umsetzbar« werden. Zugleich würden die Dämme brechen, die uns vor einer Diktatur der Wissenschaft bewahren. Alles würde »machbar« werden. Bislang sind wir der Natur gefolgt, die, wie Montaigne sagte, eine »sanfte Führerin« ist. Von nun an würden wir dem Recht und der Wissenschaft folgen. Die Natur hat es vermieden, den Menschen der Willkür des Menschen zu unterwerfen. Künftig würde der Mensch dem Menschen gehorchen müssen, ohne dass der Mensch als solcher noch irgendwem oder irgendetwas Untertan wäre. In eben jenem anything goes sah Dostojewski im 19. Jahrhundert ebenso wie Leo Strauss im 20. Jahrhundert die Essenz des Nihilismus. Zusammen mit Nietzsche und gleichermaßen illusionslos wie dieser erkannten sie im Nihilismus die verhängnisvolle Heimsuchung Europas. Mit der Homo-Ehe und dem Recht Homosexueller auf Adoption und künstliche Befruchtung würde das anything goes Wirklichkeit werden. Damit würde der Nihilismus siegen – ein Triumph des Rechtes, der Wissenschaft und des entgrenzten Menschen.

9.
Ebenso ist zu unterscheiden zwischen einem Kind, das man herkömmlich zeugt, und einem Kind, das man »machen« lässt. Ein durch ein Paar gezeugtes Kind ist Person. Die Zeugung durch Mann und Frau, die sich in Liebe vereinen, führt dazu, dass dieses Kind keine Ware und kein Handelserzeugnis ist. Ein Kind, das man durch Dritte »machen« lässt, ist keine Person, sondern ein Objekt, eine verhandelbare Ware: Man »leiht« eine Mutter, oder man »spendet« den Samen (gegen Bezahlung). Lionel Jospin hat angemerkt, es gebe kein Recht »auf ein Kind«, sondern vielmehr ein Recht »des Kindes«. Mit der Homo-Ehe, die das Recht auf künstliche Befruchtung einschließt, wird genau dies verdreht und das Recht des Kindes dem Recht auf Kinder geopfert. Unter dem Vorwand, Homosexuellen ein Recht auf Kinder geben zu wollen, wird das Kind von der Person zum Objekt degradiert. Während Menschenrechtsvertreter in aller Welt gegen die Verdinglichung des Menschen kämpfen, wird das Kind im Namen des Rechts der Homosexuellen zum bloßen Objekt.

Daneben gibt es praktische Einwände, vor allem gegen die Kosten. Damit zwei Männer ein Kind bekommen, muss eine Leihmutter engagiert werden. Das ist nicht billig – der Preis liegt zwischen 80.000 und 100.000 Euro. Sobald Homosexuelle mit dem Recht »auf ein Kind« ausgestattet sind, werden sie die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen fordern, was deren Defizite steigern wird. Wer bezahlt also diese Kinder? Falls sie zu einer staatlichen »Leistung« werden, wird der Staat ausreichend Leihmütter bzw. ihre spezifische Fähigkeit als geregelte Dienstleistung zur Verfügung stellen müssen. Auch wenn der Staat sich weigern sollte, zum Zuhälter-Staat zu werden, der Frauenhandel erlaubt und organisiert, wird er doch die Leihmutterschaft regulieren müssen. Das ist alles andere als eine harmlose Angelegenheit. Was passiert, wenn ein Paar mit dem Baby einer Leihmutter unzufrieden ist und es zurückgeben will? Soll man dieses Paar zwingen, das Kind zu behalten? Oder soll man das Kind zur Waise machen? Soll man die Leihmutter dazu zwingen und sie dafür bezahlen, dass sie es behält und aufzieht? Und wer zahlt den Psychiater, den dieses Kind später unweigerlich brauchen wird?

10.
Auf das Problem des »Machen-Lassens« von Kindern folgt das Problem ihrer Erziehung. Es ist ein Unterschied, ob es sich bei den Eltern um Vater und Mutter oder aber um zwei Väter oder zwei Mütter handelt. Einem Kind, das in einer Homo-Ehe aufwächst, wird das Wissen darüber verweigert, wie es ist, Vater und Mutter zu haben. Darf man dem Kind aber dieses Recht nehmen? Wenn ja, dann hieße das, dass die Homosexuellen – damit sie ein gleiches Recht auf Kinder erhalten – ihren Kindern im Unterschied zu den Kindern heterosexueller  Eltern gleiches Recht verweigern dürften. Damit homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren gleichgestellt werden, bedarf es einer massiven Ungleichbehandlung der jeweiligen Kinder. Natürlich haben auch Waisen keine Mutter oder keinen Vater. Aber hier handelt es sich um eine Art Unfall, um individuelles Unglück, nicht um die Folge einer rechtlichen Entscheidung. Das Recht von Homo-Paaren auf ein Kind erfordert die bewusste Schaffung von Waisenkindern als gesetzliche Institution. Diese Kinder werden gesetzlich verpflichtet sein, entweder keinen Vater oder keine Mutter zu haben. Eine solche Situation wird früher oder später notwendigerweise Revolten hervorrufen. Dem Kind eines homosexuellen Paares wird das Recht auf seine wahre Abstammung genommen. Seine Herkunft bleibt abwesend. Für die Entwicklung eines Kindes aber ist sie alles andere als verzichtbar. Das Kind wird sich, kindlicher Neigung entsprechend, selbst für das familiäre Ungleichgewicht schuldig fühlen.

Daraus folgt, dass die Anhänger der Homo-Ehe und des Rechts auf Adoption und künstliche Befruchtung Opfer einer fatalen Konfusion sind, wenn sie das geplante Gesetz als einen demokratischen Fortschritt proklamieren. Wer da glaubt, dass all dies ein gutes Ende nähme, wird sich schon bald bitter getäuscht sehen. Es wird ein böses Ende nehmen, denn der Preis ist zu hoch. Niemand sollte glauben, dass die Leugnung sexueller Differenz keine Konsequenzen haben werde. Niemand sollte glauben, dass »gemachte« Kinder, denen man in vielen Fällen das Recht auf die Kenntnis ihrer Abstammung rauben wird, nicht früher oder später dagegen aufbegehren werden. Und niemand sollte glauben, dass das Verbot der Begriffe »Mutter« und »Vater« zu einer menschlicheren und friedfertigeren Gesellschaft führen würde. Wer behauptet, dass durch die gesetzliche Einrichtung der Homo-Ehe Probleme gelöst würden, der lügt. Es werden neue Probleme geschaffen. Das 20. Jahrhundert hat die Tragödien des Totalitarismus durchlebt, vor allem das Projekt der Schaffung eines neuen Menschen aus einer bestimmten Rasse oder Klasse. Wir dürfen jetzt nicht der Versuchung nachgeben, mittels einer eine Diktatur von Recht und Wissenschaft den neuen Menschen aus dem Gleichheitsdenken zu kreieren. Die Familie beruht auf natürlichen Gegebenheiten. Daran sollten wir in unserem eigenen Interesse nicht rühren.

Wir alle haben homosexuelle Freunde und Bekannte, die wir schätzen und respektieren. Wir wollen nicht bezweifeln, dass sie lautere Absichten haben. Auch nicht, dass sie in der Lage wären, ein Kind zu erziehen. Wir zweifeln auch nicht daran, dass Kinder in manchen heterosexuellen Partnerschaften nicht gut behandelt werden. Der fatale Fehler liegt vielmehr darin anzunehmen, dass all dies ein Grund für die Einführung der Homo-Ehe mit Recht auf Adoption und künstliche Befruchtung wäre.

Recht und Gesetz sind eine Sache, der Einzelfall ist eine andere. Das Recht kann sich nicht aus Einzelfällen ableiten, sondern nur aus ganzheitlichen Regeln. Wenn es um die Homo-Ehe geht, so stehen dahinter dermaßen gefährliche Grundannahmen, dass ein solches Gesetz den grundlegenden Interessen des Menschen eindeutig widerspräche. In der Nationalversammlung hat die Linke heute die Mehrheit. Mit ihrer Mehrheit kann die Linke die Homo-Ehe durchsetzen. Sie könnte aber stattdessen auch dem Menschen und seiner Würde zur Mehrheit verhelfen. Das würde sie ehren. Und damit würde sie zugleich ihren eigensten Interessen dienen. Niemand muss einem Zwang gehorchen, wenn er dabei der Vernunft widersprechen soll. Die Homo-Ehe mit ihrer ausschließlichen Basis im »Gefühl« ist wider die Vernunft. Die Preisgabe der Unterscheidung von Mann und Frau oder ihre Reduktion auf bloße Lebenspraxis ist wider die Vernunft. Es ist wider die Vernunft, ein Kind um jeden Preis zu wollen – sei es durch Adoption, Leihmutterschaft oder Samenspende. Und schließlich ist es wider die Vernunft, nicht mehr von Mutter und Vater sprechen zu wollen. – Kurz gesagt, eine juristisch-medizinische Bastelarbeit Familie zu nennen, ist grober Unfug. Die Worte haben ihren Sinn, indem sie auf die Wirklichkeit verweisen. Wenn die Worte nur noch einen Sinn haben sollen, den man ihnen willkürlich zuschreiben kann, haben sie bald gar keinen mehr. Wir befinden uns dann nicht mehr im Bereich der Vernunft, sondern im Bereich der Konfusion. Herrschaft der Konfusion, Diktatur der Konfusion, Konfusion des Denkens und Handelns – müssen wir es wirklich derart übertreiben?



[1] Anmerkung des Übersetzers: Der Gedanke entspricht der bekannten Formulierung Goethes, die Knabenliebe sei »in der Natur, obgleich sie wider die Natur« sei.

[2] Anmerkung des Übersetzers: In ähnlichem Sinne sprach Papst Johannes Paul II. von einer sich in Europa ausbreitenden »Kultur des Todes«.

Wo das Rettende ist, wächst auch die Not

Über das Buch Die demokratische Sklavenmentalität von Kenneth Minogue

Das Erstaunlichste an diesem Buch ist der ruhige und kolloquiale Ton, mit dem der in Australien geborene Politikwissenschaftler Kenneth Minogue (*1930) unsere massendemokratischen Lebensverhältnisse Europas und Nordamerikas schonungslos beschreibt und analysiert. Es sind Lebensverhältnisse, die uns unfrei machen und uns die Verantwortung für unser eigenes Leben nehmen. In demselben Maße, in dem sie das tun, werden sie aber mit missionarischem Eifer der globalen Ausbreitung anempfohlen.

Es geht um den geistigen, charakterlichen, weltanschaulichen und gesellschaftspolitischen Umbau der westlichen Staaten. Die wachsende Befriedigung von wachsenden materiellen Ansprüchen überfordert die Volkswirtschaften mit dem Druck, die materielle Basis der Wohlfahrtspolitik zu sichern. Die Realisierung der Gleichheit stößt schon längst an sittliche und materielle Grenzen. Anders gesagt: »Das demokratische Telos führt direkt zur Untergrabung jeder wahren Demokratie.« (S. 291) Das strotzende Selbstbewusstsein der global agierenden Eliten in Politik und Medien wird davon immer noch nicht irritiert.

Die Demokratiekritik ist so alt wie die Demokratie; Minogue markiert aber den sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaat als Erben sozialistischer Erziehungsdiktaturen und zeigt, dass das anything goes der Postmoderne mit einer zunehmenden gesellschaftlichen Überwachung und Regelungswut erkauft wird (S. 198). Einerseits werden alle mehr oder weniger rassistischen, sexistischen, diskriminierenden, xenophoben und homophoben Gedanken und Gefühle als Abweichungen von der political correctness unterdrückt. Andererseits werden genau dieselben Gedanken und Gefühle politisch verstärkt, nämlich als unvermeidliche Reaktion auf die Zwangsdefensive des weißen Mannes, auf die Sexualisierung aller Lebensbereiche, auf die xenophile Geschichts- und Einwanderungspolitik und auf die Familienzerstörung durch Gender Mainstreaming.

Einerseits wird die »Selbstbestimmung« gefeiert, andererseits wird das Individuum dem radikalen Egalitarismus unterworfen und staatlich bevormundet. »Einschüchterungen durch den politischen Perfektionismus und Abhängigkeit von der Freigebigkeit des Staates« (S. 9) gehen Hand in Hand: Die Menschen werden »von der Verfassung für weise und von der Regierung für käuflich und dumm erklärt« (S. 62). Wir dürfen zwar wählen gehen, sind aber angeblich nicht in der Lage, uns gesund zu ernähren oder unsere Kinder zu erziehen. Die Politiker versprechen die Lösung einer wachsenden Zahl von Alltagsproblemen und legitimeren damit die Ausweitung der Staatsquote – zu Lasten Dritter wie den »Reichen«.

Die ehrenvolle Tugendhaftigkeit von einst geht unter. Die moralische Temperatur fällt. Die Demokratie antwortet positiv auf alles, was wir wollen, aber: »Was wir wollen, ist nicht immer gut für uns.« (S. 32) Allzu oft handelt es sich sogar um Dinge, die wir »für gut zu befinden überredet wurden« (S. 45). Die Anspruchshaltung macht aus freien Bürgern süchtige Leistungsempfänger. Mit der Zahl ihrer Rechte wächst die politische Ohnmacht. Der Bereich des Erlaubten wird immer kleiner. Was zunimmt, sind Anspruchsdenken und Nörgelei, Unselbständigkeit und Verachtung jeglicher Autorität.

Der Verlust an Autorität mindert nicht den Abstand zwischen Masse und Elite, sondern er vergrößert ihn. So entsteht mehr Raum für bürokratische Regulierung. Die durch den Feminismus von Mann und Kind isolierte Frau fällt der Obhut des Staates anheim. Das Private wird politisch – aber anders, als das einst gedacht war. Der Staat entdeckt das Interventionsrecht für hausfremde Mächte und zieht in die Schlafzimmer ein. Warum nicht kinderreiche Familien mit einer Quote für die Homoehe belegen, sobald das genealogische Prinzip als letzter Ursprung aller Homophobie entlarvt wurde?

Den politischen Radikalismus, mit dem die neuen »Krankheiten« Menschenverachtung (»hate speech«), Homophobie oder Islamophobie kuriert werden sollen, charakterisiert Minogue sehr treffend als »sentimental« und »perfektionistisch« (S. 365). In demselben Maße, in dem sich die Moral von Sitte und Religion löst, verbündet sie sich auf illusionäre Weise mit dem Politischen. Dabei beweist doch schon das Einwanderungsproblem, dass sich moralische Gebote politisch katastrophal auswirken. Der Neubau des Menschen muss aber weitergehen. Das Wasser würde schon heute bergauf fließen, wenn da nicht die ärgerlichen Reste von Monarchie, Christentum und Konservativismus wären. Die »historische Ignoranz« gegenüber den Verdiensten und positiven Nachwirkungen dieser Kräfte verbindet sich, so Minogue, mit der Sehnsucht nach einer »Endlösung«, die ähnlich größenwahnsinnig wirke wie die Endlösung der Nationalsozialisten (S. 376).

Wir kommen zu der eigentlichen Pointe, die Minogues Konzept der demokratischen Sklavenmentalität bereithält. Die materiellen Zuwendungen scheinen für die vielen Freiheitseinbußen kaum zu entschädigen. Ein ideeller Mehrwert muss her, und zwar das Versprechen, die pluralistisch differenzierte Gesellschaft könnte in die wahre, harmonische Menschheitsgemeinschaft transformiert werden. Die Fiktion, die globale Ungerechtigkeit durch einen einzigen Willensakt abschaffen zu können, macht aus ohnmächtigen Leistungsempfängern »Titanen, die den Himmel stürmen«. (S. 70) Ein gottähnlicher gesellschaftlicher Ehrgeiz tritt an die Stelle persönlicher Tugendhaftigkeit.

Das Politisch-Moralische will die scheinbar unerträgliche Ambivalenz des Lebens verabschieden: »Die Individualisten der [alten] moralischen Lebensführung (…)  taten sowohl Gutes wie Böses. Der Traum der politisch-moralischen Welt besteht darin, daß die moderne Rationalität diese Dualität überwinden wird.« (S. 356) Das ist der gnostische Traum von Süchtigen, die die Welt retten. Wenn sie es wirklich ernst meinen und so weitermachen wie bisher, werden sie, so fürchtet Minogue, eines Tages feststellen, dass sich die Menschheit als ungeeignet für ihr Projekt erwiesen habe.

Eine solche Enttäuschung käme dem hiesigen Leser irgendwie bekannt vor. Hitlers Verachtung für das deutsche Volk nach dem Scheitern seiner Pläne könnte sich in globalem Maßstab wiederholen. Die Widersprüche der Menschheitsgesellschaft, die sich dem heilenden Zugriff global tätiger NGOs nicht würdig erweisen will, kehren schon heute als Spannungen im Individuum wieder. Je mehr Unterschiede draußen in der Welt bekämpft werden, desto heftiger tobt der Kampf im eigenen Kopf. Er muss am Ende aushalten, was die Welt nicht aushalten soll. Hier schließt sich der Kreis. Wo das Rettende ist, wächst auch die Not.

Das schöne und große Versprechen dieses Buches aber lautet: Wir können die Welt verstehen, in der wir leben. Wir können durchschauen, was passiert. Was passiert, können wir ordnen und deuten, und indem wir es ordnen und deuten, werden wir freier und lebensfähiger. In dieser Reihenfolge: erstens freier und zweitens lebensfähiger. Wir müssen nur unser Leben selbst in die Hand nehmen und unseren Wirkungskreis auf dasjenige Feld beschränken, das wir aus eigener Kraft bestellen können.

Volker Beck dreht durch

Die Grünen auf dem Weg zur Zwangshomosexualität

Zum Thema Homosexualität bemerkte mein Ziehvater in den späten siebziger Jahren: »Erst war es verboten, dann war es erlaubt, und wenn es Pflicht wird, wandere ich aus.«  Ich wunderte mich damals ein wenig über diese Drohung, aber Ziehvater Krause hatte die Entwicklung durchaus richtig erkannt. Die Grünen glauben vermutlich, der Homosexualität als Pflichtübung jetzt ein gutes Stück näher gerückt zu sein. Mit Volker Beck an der Spitze fordern sie ein Verbot von Therapien, die homosexuellen Minderjährigen helfen könnten, ihre Orientierung zu ändern.

In dem entsprechenden Gesetzentwurf heißt es: »Ordnungswidrig handelt, wer berufs- oder gewerbsmäßig Therapien anbietet oder durchführt, die das Ziel haben, die sexuelle Orientierung bei Minderjährigen zu verändern. (…) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von mindestens fünfhundert Euro geahndet werden.« Sogenannte »Konversionstherapien«, so Beck, bewirkten ein »erhebliches gesundheitliches Risiko«. Als Folge solcher Behandlungen seien Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate wissenschaftlich nachgewiesen.

Davon, dass Homosexualität sehr oft dieselben Folgen hat: nämlich Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordrate, hat Beck offenbar noch nie etwas gehört. Auch scheint er noch nichts davon gehört zu haben, dass Folgeerkrankungen der Homosexualität zugleich deren Ursachen sein können. Ängste, soziale Isolation, Depressionen und eine erhöhte Selbstmordneigung können in die Homosexualität führen, weil diejenigen, die unter jenen Symptomen leiden, fruchtbarere Lebenswege als versperrt empfinden. In diesen vermutlich gar nicht so seltenen Fällen kann die der Homosexualität vorausgehende Grunderkrankung nicht nur behandelt werden – sie muss es sogar. Wem würde es schaden, wenn im Falle eines therapeutischen Erfolgs auch die homosexuelle Neigung verschwände? Volker Beck?

Das alles aber zu leugnen – und zwar unter Heranziehung »wissenschaftlicher« Argumente, wo  Lebenserfahrung und ein wenig Beobachtungsvermögen besser Bescheid wissen –, ist rücksichtslos und zynisch. Andererseits, von therapeutischer Selbstbestimmung durch Arzt und Patient muss Volker Beck dann doch etwas gehört haben. Weil es diese Selbstbestimmung gibt, die jede Einflussnahme von außen verbietet, und weil es nur im Falle von Minderjährigen Dritte gibt, die bei der Therapie ein Wörtchen mitzureden haben, nämlich die Eltern, setzt der Vorstoß auch bei Minderjährigen und bei Elternrechten an, über die sich unsere politische Klasse immer unverschämter hinwegsetzt – nicht nur mit Propaganda für Homosexualität in staatlichen Schulen, sondern inzwischen allerorten im öffentlichen Raum.

Letztlich sind die Grünen gegen jedes therapeutische Angebot, das eine Abwendung von Homosexualität zur Folge hat, und das seit vielen Jahren. Sie sind dagegen, dass Homosexuelle, die nicht homosexuell sein wollen, professionelle Hilfe finden. Jedes entsprechende Angebot wollen sie kappen. Und das bedeutet, dass die Grünen gegen die Selbstbestimmung Homosexueller sind, die nicht homosexuell sein wollen. Weil das nicht ihren politischen Interessen dient.

Im Mai 2009 fand in Marburg ein psychoanalytisch-seelsorgerischer Kongress statt. Die Veranstaltung selbst wäre nicht weiter beachtet worden, wenn nicht zwei Referenten an ihr teilgenommen hätten, die sich an jene Schar von Homosexuellen wenden, von der niemand weiß, wie groß sie eigentlich ist, und die unter ihrer Neigung – leidet. Das religiös grundierte Bemühen der damals auf dem Kongress vertretenen Therapeuten, sich dieses Leids anzunehmen und bei der Lösung des Knotens zu helfen, gehörte lediglich ins weitere Umfeld jener Tagung.

Dennoch war das für Homosexuellenverbände und Grüne Grund genug, mit Vorwürfen wie »Homophobie« und »Umpolerei« einen sechstausendköpfigen Demonstrationszug gegen den Kongress auf die Beine zu stellen. Auf Transparenten stand zu lesen: »Religion kann man heilen« und »Maria, hätt’st du abgetrieben, das wär’ uns erspart geblieben.« Offenbar glaubten die Demonstranten, mit ihrem Kampf gegen ein spezielles Therapieangebot auch die ihm zugrundeliegende Nachfrage aus der Welt schaffen zu müssen. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24. Mai 2009 zufolge hatten sie für die Selbstbestimmung Homosexueller in Wahrheit rein gar nichts übrig.

Schon die Marburger Konstellation zeigte, wie ernst es die Homosexuellenbewegung meint. Nichts bringt die Funktionäre der gay liberation so sehr auf die Palme wie ein Vorbehalt gegen Homosexualität, womöglich auch noch in Verbindung mit einem christlichen Bekenntnis, auch dann, wenn es der Homosexuelle selbst ist, der den Vorbehalt äußert und das Bekenntnis ablegt. Jeder, der sich nicht zur glücklichen Bejahung eines »schwulen Lebens« durchringen kann, scheint für die Sachwalter der Emanzipation eine große Gefahr darzustellen. Die wenigen verständnisvollen Helfer, die sich noch seines Schicksals annehmen, können sie schon gar nicht dulden.

Die Homosexuellenvertreter haben mit sicherem Instinkt erkannt, dass an dieser Stelle ihr ureigenstes Geschäft bedroht ist. Das erklärt ihre heftige Reaktion. Sie sind nicht in der Lage, sich auf die Klientel zu beschränken, die gerne homosexuell ist und es für den Rest ihres Lebens bleiben möchte. Damit bestätigen sie freilich die krassesten Vorurteile gegen Homosexuelle. Sie bestätigen Ziehvater Krauses richtige Annahme, dass man sie politisch in Schach halten müsse, damit sie nicht durchdrehen. Erfolgstrunken wie sie sind, können sie es bei der Akzeptanz, die sie erreicht haben, einfach nicht bewenden lassen.

Die Vorkämpfer der Homosexuellen können nicht aufhören, bevor die Stimmung kippt, und müssen immer noch eins drauf setzen. Wie lange soll das so weitergehen? Bis niemand mehr Kinder bekommt? Bis man den normalen Leuten ihre Kinder wegnimmt, damit auch die Homosexuellen welche abkriegen? Ich behaupte, dass normale Leute eine sehr viel ausgeprägtere Fähigkeit beweisen, Homosexuelle in Ruhe zu lassen als umgekehrt. Woran liegt das? Es liegt an der fehlenden Zeugungsfähigkeit der Homosexuellen. Gefangen in ewiger Wiederholung des gleichgeschlechtlichen und darum folgenlosen Aktes, ausgeschlossen aus dem beruhigenden Kreislauf des Lebens, ist der Homosexuelle zu ewiger Unruhe verurteilt:

»Diese Unerreichbarkeit organischer Ziele, das heisst solcher die sich wenn erreicht in neue Ziele öffnen, gibt dem Verhalten des tragisch Gestellten zugleich die Hitzigkeit und die wühlende Unruhe, die rasche Enttäuschung und den unaufhörlichen Wechsel, die fanatische und die unzuverlässige Struktur, und, bei der constitutionellen Unfähigkeit, Möglichkeiten des Lebens, Leistens und Empfangens wirklich auszunützen und in sich umzusetzen, den reissenden, oberflächlichen, und treulosen Verbrauch aller jener Möglichkeiten, der wie Dilettantismus wirkt, ohne sich ganz mit diesem Begriff zu decken. Sie bewirkt das Rollenbedürfnis dessen, dem ›in seiner Haut nicht wol ist‹, die Kostümsucht und den unheimlichen Zug zum Spiegel und zur Camera, in dem der Drang zu gefallen, anzuziehen, zu gewinnen ja nur unter das fliehende Phantom eines geträumten nirgend vorhandenen ergänzenden Begegners gebunden ist; und sie bewirkt in vehementen Naturen einen ins Rasende gehenden Trieb nach Ausgleich des heimlichen Mangels …« (Rudolf Borchardt, Aufzeichnung Stefan George betreffend)

»Ausgleich des heimlichen Mangels«, das ist das Stichwort. Ich kann verstehen, dass Volker Beck sich in seiner verzweifelten Lage wünscht, dass alle so wären wie er. Niemand ist halt gern allein. Wünschen darf sich Volker Beck – wie jeder andere auch – alles Mögliche. Aber müssen sein Vorhaben auch diejenigen verteidigen, die gar nicht homosexuell sind? Muss unter dem Vorwand der Aidsprävention in aller Öffentlichkeit mit dem Foto von vier Kondomen für Homosexualität geworben werden (»Boygroup – mach’s mit«)? Die Abweichung von der immer noch wünschenswerten Norm wird mehr und mehr zu einem Popanz, den fast alle Politiker, Journalisten und sonstigen Vertreter der veröffentlichten Meinung heuchelnd herumreichen. Heuchelnd, weil es für ihre Akklamation inzwischen völlig unerheblich ist, ob sie privatim homosexuell sind oder nicht.

Für den Gesetzentwurf der Grünen zum Therapieverbot zeichnet außer Volker Beck u.a. auch Jerzy Montag verantwortlich, Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Sohn eines polnischen Juden. Montag, der sich als »religiös nicht gebunden« bezeichnet, tritt auch für eine strafrechtliche Liberalisierung der Geschwisterliebe ein (»Moralische Tabus und soziale Anstandsregeln dürfen nicht mit dem Strafrecht durchgesetzt werden«). Unter Berufung auf die Autonomie des Menschen spricht sich Montag im Bundestag auch für die Möglichkeit von Sterbehilfe aus.

Montag ist zweifacher Familienvater. Er wirkt weder homosexuell noch lebensmüde. Er wirkt auch nicht wie jemand, der sich über eine gegenseitige geschlechtliche Zuwendung seiner Kinder freuen würde. Er scheint zu der Art von Leuten zu gehören, die für andere alles mögliche verlangen, nicht aber für sich selbst (die Abtreibung lassen wir jetzt mal weg). Das mag altruistisch wirken. Auch dann, wenn das, was man für andere will, womöglich nicht nur nichts wert, sondern als »Ausfall an Gut« (Augustin) sogar schlecht ist.

Die Grünen haben der Finanzwirtschaft einen effektiven Trick abgeschaut: Sie privatisieren die politischen Profite der von ihnen beförderten Emanzipationsprozesse, und sie sozialisieren die seelischen und gesellschaftlichen Kosten. Sowas nannte man früher ein »doofes Spiel«. Ausgerechnet die Grünen machen dadurch auf sich aufmerksam, dass sie die Ökologie des Menschen am rücksichtslosesten verraten. Wenn es nach ihnen geht, sollen wir uns einerseits austoben und (dafür?) andererseits früher sterben. Die vielbeschworene Autonomie ist gut genug fürs schnelle Sterben, aber nicht fürs gute Leben. Wer’s glaubt, der merkt meistens erst, wenn es zu spät ist, dass er die Kosten dieses systematischen Betrugs mitträgt.

Es verging kaum ein halbes Jahr nach dem Ende der hoch wogenden Missbrauchsdebatte, da sich Ole von Beust mit seinem neunzehnjährigen Lustknaben in der Öffentlichkeit zeigte und niemand etwas dabei fand. Wo es nur geht, werden die Homosexuellen in dem irrigen Glauben bestärkt, dass sie für ihr Lebensglück weniger Verantwortung trügen als andere. Als ob Homosexuelle das, was andere Leute aus eigener Kraft leisten müssen, der Gesellschaft abverlangen dürften. Die Forderung nach einem Adoptionsrecht »für« Homosexuelle, nach einem Recht, das es für niemanden sonst gibt, bestärkt sie in diesem Irrglauben. Und auch die liberale Öffentlichkeit möchte sich die beruhigenden Fiktionen ihres ach so guten Willens nicht kaputtmachen lassen.

Wenn insbesondere die nichthomosexuellen Verteidiger der Homosexualität einen Homosexuellen treffen, der nicht gern homosexuell ist, sind sie nur peinlich berührt: »Was hat er bloß für ein Problem? Was mag ihm fehlen? Wir sind doch glücklich für ihn!« In einer derart düsteren Lage geht es darum, wie Martin Mosebach (nicht speziell zu unserem Thema) sagte, »ein Gefühl für die Vorläufigkeit unserer Umstände zu entwickeln, zu lernen, sie als Übergangsphase zu begreifen«. Früher oder später wird die aggressive Unduldsamkeit emanzipationssüchtiger Homosexueller, die niemals genug kriegen, eine Reaktion provozieren, welche sie in ihren Vorurteilen gegen die »homophobe« Mehrheitsgesellschaft bestätigen könnte. Sofern diese Reaktion bloß verächtlich ausfiele, würde die Sache noch einmal harmlos abgelaufen sein. Einstweilen hoffe ich auf irgendeine Lage, in der wir wieder mehr dafür tun, Kinder zu bekommen, und mehr darauf achten, dass auch unsere Kinder eines fernen Tages gerne Kinder bekommen.

Das von den Grünen ersonnene Therapieverbot ist übrigens menschenverachtend, um einen inflationären Vorwurf der political correctness ausnahmsweise auf einen Fall anzuwenden, dem er angemessen ist.