Die Dame hinter der Theke des Berliner Cafés sprach zu ihrem Bekannten über ihren Freund. Der habe sie gefragt, ob sie am Wochenende »zum Drehen« mitkäme. Er würde ihre Hilfe gut gebrauchen können und sich freuen, wenn sie dabeiwäre. Sie aber habe ihm gesagt, nein, sie werde nicht mitkommen. Sie denke ja gar nicht daran, ihm zu helfen, solange er sich nicht an ihrer Hausarbeit beteilige. Immerzu sei sie diejenige, die am Freitag die Wohnung putzen müsse. Kurzum, das gemeinsame Wochenende gebe es nur gegen gemeinsame Hausarbeit. Sie müsse ja schließlich auch arbeiten gehen und Geld verdienen.
Das Traurige an dieser Rede war, daß die Dame schon gar nicht mehr auf die Idee kam, sich zu fragen, ob sie Lust hatte, das Wochenende mit ihrem Freund zu verbringen. Das Geben und Nehmen einer Geschäftsbeziehung hatte sich wie unbemerkt an die Stelle selbstverständlichen Miteinanders gesetzt, schlimmer noch, das Verrechnen jeglicher Liebesdienste drohte die Liebe zu ersticken, nämlich die Freude darüber, daß es den anderen gibt und das auch noch mitten im eigenen Leben. Wer aber einmal zu rechnen angefangen hat, wird schwerlich wieder aufhören können. Die perfekte Verrechnungspraxis ergibt sich aus dem Singledasein, in dem ich vermeintlich niemandem etwas schuldig bin. Möglicherweise ist in diesem Fall auch die Trennung der nächste Schritt, wenn er nicht innerlich schon vollzogen wurde: »Jeder macht sein Ding«, notfalls alleine.
Kurz darauf schlägt ein Arzt öffentlich vor, nur noch solche Patienten in den Genuß eines Spenderorgans kommen zu lassen, die sich ihrerseits zur Organspende bereit erklärt haben. Falls das nicht der Fall wäre, sollten sie sich ganz hinten anstellen. Die Logik dieses Vorschlags ist bestechend, und trotzdem ist daran etwas faul. Aber was? Als Maxime individueller Lebensführung kommt das Prinzip ja durchaus in Betracht. Wenn ich nicht unter zweifelhaften Umständen voreilig für hirntot erklärt und nicht möglichst rasch um meine inneren Organe erleichtert werden möchte (wobei für die Feststellung des Hirntodes bemerkenswerterweise je nach Bundesland andere Regeln gelten), dann sollte ich vielleicht auch darauf verzichten, dasselbe von anderen zu erwarten und es für wichtiger zu halten, daß ich gerettet werde und nicht sie. Kürzlich sprach ich mit einem Freund, einem dreifachen Familienvater, über dieses Problem. Er lehnt Organspende ab und will auch seinerseits kein Spenderorgan beanspruchen. Aber was macht er, wenn eines der Kinder plötzlich ein Spenderorgan braucht? Oder wenn er doch eins braucht, weil die Kinder ihn brauchen? Unsere einzige Idee war, zu hoffen und zu beten, daß es nicht soweit käme.
Anders gefragt, was wäre die Spendebereitschaft eines Patienten wert, dessen Organe aus welchen Gründen auch immer für andere Menschen ungeeignet sind? Soll er dann Ersatzleistungen oder Ersatzbereitschaften vorweisen müssen, um nicht auf dem letzten Platz zu landen? Was ist mit medizinischen Leistungen, die mit einem bestimmten Lebenswandel im Zusammenhang stehen? Müssen Raucher, die an Lungenkrebs leiden, überhaupt noch behandelt werden? Oder Alkoholiker mit Leberzirrhose? Das Verrechnungsschema »Empfangsberechtigung gegen Spendebereitschaft« hat Konsequenzen weit über die Organspende hinaus.
Die Spatzen pfeifen es inzwischen von den Dächern, daß die Hochleistungsmedizin bald eine Exklusivmedizin sein wird und daß auf Dauer – vorsichtig gesagt – nicht mehr alle in den Genuß gigantisch teurer Therapien kommen werden. Also muß selektiert werden, mehr und strenger als je zuvor. »Gerecht« kann hier nur die umfassende und flächendeckende, am besten europaweite bürokratische Regelung sein, nicht aber der ärztliche Entschluß im konkreten Fall. Der Arzt darf nicht mehr seinem Gewissen folgen, und der Patient kann schreien, so viel er will. Der Fortschritt selbst, der unbezahlbar wird, untergräbt das Ethos des Helfens. Die Latte wird immer höher gelegt, bis der pure Fatalismus bleibt, oder die freiwillig beanspruchte Sterbehilfe etwaige Gerechtigkeitslücken schießt. Mit welchen Worten wurde Ministerin Zypries dieser Tage zum Thema Samenspende zitiert? – »Der säkulare Staat kennt kein Schicksal mehr.« Aber dazu ein andermal.
]]>Am 30. Juli hat Deutschlandradio Kultur mein Politisches Feuilleton zum »Recht auf Kinder« für gleichgeschlechtliche Paare gesendet. Meine Hauptthese: Ein Recht auf Kinder gibt es für niemanden, denn Kinder sind eine Frucht der Liebe, sie sind ein Geschenk und deshalb kein beliebig produzierbares oder zuteilungsfähiges Gut. Wer gar durch künstliche Befruchtung Gleichheit »herstellen« will, belastet die so entstehenden Kinder mit vorhersehbaren seelischen Schäden.
Immer öfter wird behauptet, dieses oder jenes gleichgeschlechtliche Paar habe »ein Kind bekommen«. Das ist natürlich glatt gelogen. Ein Kind hat einer der beiden Partner zusammen mit einem ausgeschlossenen Dritten bekommen, nach dem in den Medien nicht gefragt wird, und zwar nicht einmal dann, wenn die Mutter der ausgeschlossene Dritte ist. Nicht alle gleichgeschlechtlichen Eltern enthalten dem Kind das zweite Elternteil vor, fast immer aber tun es die Medien, die das Problem durch Schweigen rücksichtslos weglügen. In meinem Beitrag heißt es:
»Das Kind gleichgeschlechtlicher ›Eltern‹ muss ein Elternteil entbehren. Auf dessen Platz wird ihm eine Person präsentiert, mit der es nichts zu tun hat. Ähnliches kennen wir von Kuckuckskindern, Scheidungskindern und Halbwaisen. Dort gilt es aber als trauriges Schicksal. Von nun an werden diese traurigen Kinderschicksale zwecks Gleichstellung von sexuellen Präferenzen vorsätzlich herbeigeführt − ein grausames Novum in der Geschichte der Menschheit.«
Zu meinem Beitrag geht es hier. – Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem empfehle ich meinen kürzlich erschienenen Artikel »Herr Sibelius ist Mutter geworden« in Die Neue Ordnung, 67. Jg., Heft 3 (Juni) 2013, S. 195−206.
]]>Homo-Ehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle sind das Symptom einer tiefen Krise. Der totalitäre Angriff auf das Leben, auf unsere Werte und Institutionen geht über die Forderungen weit hinaus. Die Flucht nach vorn findet kein Ende. D.E.d.E. dokumentiert eine weitere Stimme der vielfältigen französischen Debatte.
Vorbemerkung von Andreas Lombard
In diesen Tagen meint die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« im französischen Widerstand gegen die Homo-Ehe eine »neue Allianz« zu erkennen, in der sich »alte Reaktion und neuer rechter Nihilismus« zur »Ablehnung der Moderne und der Rationalität« vereinten. Nils Minkmar, Leiter des Feuilletons, bezeichnet es als einen »Grund zur Sorge«, dass sich das »ländlich-katholische Frankreich der Handwerker, kleinen Selbstständigen und Notablen mit seiner gemütlichen, aber tendenziell intoleranten bis bornierten [!] Weltanschauung« der Homo-Ehe verschließt. Im Rahmen einer Großdemonstration mit hunderttausenden Teilnehmern genügen ihm ein paar hundert randalierender Jugendlicher und 36 Leichtverletzte, um »Auswüchse von Gewalt« zu beklagen. Es gehe doch nur um »bekennende Homosexuelle« und um »eine gesetzliche Regelung der Krankenversicherung«, die aus Sicht ihrer Gegner »in den Stalinismus« führe. Minkmar erklärt den »Angriff auf die Ausweitung des Rechts, die Ehe zu schließen«, schlicht für »unlogisch«.
In seinem Beitrag zu den französischen Ereignissen wird einfach nur die neueste ideologische Trommel gerührt: »Wo das angelsächsische System die checks and balances kennt, in Deutschland die Kunst des politischen Kompromisses hoch gehalten wird, ist in Frankreich der Ort der politischen Konsensfindung die Straße. Die Seite, die nicht regiert, legt beim ersten passenden Anlass das Land so lange lahm, bis die Zentrale nachgibt.« Die böse Tante Ideologie wohnt natürlich auf der Seite der angeblichen neuen radikalen Rechten – und nicht etwa bei der aggressiven Gleichstellungspolitik. Man könnte meinen, schon würde ganz Frankreich im Chaos versinken, es wäre der Präsident im Laufe seines Fluchtversuchs verhaftet worden und die Hauptstadt radikalen Katholiken in die Hände gefallen, die nun damit begonnen hätten, die Hälse homosexueller Bürger unter die Guillotine zu schieben. Wo war Herr Minkmar am vergangenen Sonntag? Auf einer Zeitreise?
Dass Homosexualität vorkommt, dass es sie gibt, begründet kein Werturteil, übrigens auch kein negatives. Die Sache ist ganz einfach. In der Geschichte wurde Homosexualität immer dann gefördert, wenn es kein politisch-gesellschaftliches Interesse an Nachwuchs gab bzw. ein ausdrückliches Interesse an möglichst wenig Nachwuchs (vgl. Hans Kelsen, »Die platonische Liebe«, in: Aufsätze zur Idelogiekritik, Neuwied und Berlin [Luchterhand], 1964, S. 117–197).
In Frankreich – und nicht nur dort – sind übrigens viele Homosexuelle gegen das neue Gesetz und lehnen die »Anerkennung« oder Gleichstellung von Homosexualität mit Bedacht ab. Auch Homosexuelle sind mitunter in der Lage, die gerade von ihnen vielleicht schmerzlich vermisste Weitergabe des Lebens höher zu bewerten als Homosexuellenrechte. Auch sie sind in der Lage, jenem generativen Zusammenhang die Ehre zu geben, dem sie ihr eigenes Dasein verdanken.
Nicht einmal die Annahme einer allgemeinen bisexuellen Veranlagung des Menschen spräche dagegen. Es gibt im Leben nicht nur den Zwang, sondern auch die freie Entscheidung, sich hier und da gegen sich selbst zu stellen. Denn nicht alles, was uns unsere Wünsche, Impulse und Bedürfnisse einreden, ist auch gut für uns. Wenn es anders wäre, wäre das Leben so einfach wie das der Tiere, die sich fast immer auf ihre Instinkte verlassen können. Wir Menschen können das nicht, und deshalb haben wir Kultur, die von Grenzen, Unterschieden und Werturteilen lebt.
Aber nun darf in der Verachtung französisch-reaktionärer Zustände sogar der nationale Gegensatz wieder auferstehen: Frankreich als das Land des Straßenpöbels, Deutschland als der Hort gesitteter Streitkultur. Das stimmt nur leider nicht, wie der nachfolgende Artikel aus der keineswegs rechten, sondern liberalen Zeitschrift Le Débat illustriert, die bestimmt auch Herr Minkmar kennt. Eher verhält es sich umgekehrt: In Deutschland wird jedes Gegenargument von vornherein unterdrückt, der gutmenschliche Totalitarismus dominiert die Szene, in Frankreich aber wird noch lebendige Streitkultur pflegt.
Die Autoren Monette Vacquin und Jean-Pierre Winter arbeiten als Psychoanalytiker. Sie haben zu Fragen von Genetik und Fortpflanzung sowie zur gleichgeschlechtlichen Elternschaft publiziert. Ihre hier in leicht gekürzter Form übersetzten Überlegungen anlässlich der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich erschienen dort unter dem Originaltitel »Pour en finir avec père et mère« in: Le Débat 174, März/April 2013, S. 84–89. – Wir danken den Autoren für die freundlich erteilte Genehmigung, hier die deutsche Fassung ihres Aufsatzes zu veröffentlichen.
Schluss mit Vater und Mutter
Vater und Mutter sind noch ein letztes Mal davongekommen. Nur knapp sind sie vor kurzem bei der Verabschiedung des Gesetzes zur »Homo-Ehe« ihrer völligen Streichung aus den Gesetzbüchern entgangen. Auch in anderen westlichen Ländern fallen die beiden zunehmend unangenehm auf. Verdichten sich in ihnen doch alle Unterscheidungen, geschlechtliche ebenso wie generationelle. Damit stehen sie in der akuten Gefahr, aus den rechtlichen Kodifikationen unseres Lebens ausradiert zu werden. Welch ein zivilisatorischer Fortschritt! Jahrtausende verbrachte man damit, sich mit den zwei Störenfrieden auseinanderzusetzen. Offenbar rufen Vater und Mutter beim Menschen seit jeher eine unausweichliche Ambivalenz hervor. Selbst die großen religiösen Texte geboten ja, die beiden zu ehren, nicht zu lieben. Die Zeitenwende, die 1968 mit dem »Verbot zu verbieten« eingeläutet wurde, brauchte indes weniger als ein halbes Jahrhundert, um die beiden Repräsentanten des »Zwangs« zu neutralisieren.
Nun geht es darum, die Verderber ungehemmten Amüsements gänzlich zu vernichten. Mit dem ideologischen Kehrbesen werden jahrhundertealte Gewohnheiten hinweggefegt und die Begriffe beseitigt, die diejenigen bezeichnen, denen wir die Weitergabe des Lebens verdanken. Es ist anzunehmen, dass die verbreitete Zustimmung hierzu ihren Grund in archaischen Ambivalenzen hat, die die Realisierung eines solchen Vorhabens überhaupt erst ermöglichen. Dieses vielsagende Symptom bedarf unserer näheren Betrachtung.
Der Versuch der Beseitigung von Mutter und Vater besitzt ein explosives Potential. Dieses rührt nicht nur von den Bemühungen einer Minderheit der Homosexuellen, die das Recht auf Eheschließung fordern und die damit selbst nur Symptome einer tieferreichenden Krise sind. Es zeigt sich vielmehr im kollektiven Echo auf das inhärente Angebot, die Weitergabe von Leben, Institutionen und Werten zu verweigern. Andernfalls wäre die Forderung allenfalls belächelt oder übergangen, nicht aber mit dieser erstaunlich breiten Zustimmung und Zufriedenheit aufgenommen worden.
Der Vorgang wird freilich von einer winzigen Minderheit gesteuert. Sie bedient sich einer politisch-korrekten Sprache, deren Gebrauch mit dem Ende des Denkens gleichzusetzen ist. Weder für Huxley noch für Orwell wäre eine derartige Attacke vorstellbar gewesen. Selbst wenn Orwell schreibt, »durch immer weniger Worte wirkt die Sprache wie bis auf die Knochen abgenagt«, so dachte er doch nicht an eine Beseitigung der Worte »Vater« und »Mutter«. Zwar war ihm klar, dass jede Perversion eine Manipulation der Sprache mit sich bringt und dass jeder Totalitarismus von einer totalen Verneinung begleitet sein müsse, die in der Sprache selbst wuchert. »Die Lüge ist die Wahrheit«, »Der Krieg ist der Frieden«, diese Slogans aus 1984 gehörten zur bewusst herbeigeführten Erosion der Sprache, die diese für die menschlich-zwischenmenschliche Verständigung unbrauchbar machen sollte. Doch niemals ging es in Orwells Werk bis zur äußersten Verneinung, der Leugnung geschlechtlicher Unterschiede. Allerdings kam er der Sache nahe: Seine »Anti-Sex-Liga« kämpft nicht für die sexuelle Freiheit sondern für die Abschaffung der Geschlechtlichkeit – jegliche Differenzen sind totalitärem Denken missliebig.
Auch Huxley ist nicht in den Sinn gekommen, was heute bei uns geschieht. Zwar zeigte er auf, dass das Wort »Eltern« lächerlich gemacht werden würde, weil es aus einer überholten Epoche der »Fortpflanzung durch Lebendgeburten« stamme. Aber seine Vorstellung reichte nicht soweit, dass »Eltern« zu einem »neutralen« Begriff werden könnte, der etwas anderes als einen Mann und eine Frau bezeichnet.
Freud bezeichnete die Verleugnung der Differenz – »ein Mann ist eine Frau« – als eine Verdrängung der »Kastrationsangst«. Dem entspricht in der Psychoanalyse die Weigerung, Unvollständigkeit und Komplementarität zu akzeptieren. Diese Verdrängung erfordert freilich ein kategorisches Bestreiten der Wirklichkeit. Dies geschieht durch weit auswuchernde Allmachtphantasien, gegen die keinerlei äußere Tatbestände mehr ins Feld geführt werden können. Schließlich entsteht hieraus in der psychischen Disposition ein unablässiges, sich abkapselndes Selbstgespräch. Der Irrsinn tritt letztlich als Hass nach außen.
Die öffentlichen Beschwichtigungsreden bemühen sich, das Gewaltpotential einer solchen sprachlichen und mentalen Bereinigung unter die Wahrnehmungsgrenze zu drücken. Bereits seit etwa zehn Jahren fordern Splittergruppen, den Begriff der Elternschaft zu »neutralisieren«. Neutralisieren, das bedeutet, die Geschlechtlichkeit des Männlichen und des Weiblichen zu beseitigen, bedeutet, Geschlechtlichkeit unschädlich zu machen. Die Intention heißt Vatermord. Vater und Mutter müssen sterben, im Namen der neu erfundenen, neutralen »Elternliebe«.
Jenseits der Vorstellungen Orwells liegt auch unsere politisch korrekte Sprache in ihrer »soften«, alltäglichen Variante. Ihr Bezugspunkt sind leicht gekränkte und beleidigte Minderheiten von Minderheiten. Zugegeben, wenn Schwarze zu »Farbigen« oder Blinde zu »Sehbehinderten« werden, ist der Schaden noch gering. Wenn Entlassungen »Sozialpläne« heißen, beginnt man, sich unwohl zu fühlen. Wenn ein »Mohr im Hemd« künftig als »Schokoladenkuchen mit Schlag« bezeichnet werden soll, fragt man sich, ob man träumt. Und wenn die »Ehe«, wie sie bisher verstanden wurde, als »legale Diskriminierung von Bürgern mit nicht-heterosexueller Orientierung« diffamiert wird, macht sich Angst breit. Genau dies geschieht derzeit.
»Politisch korrekt« bedeutet, dass die Sprache aalglatt sein soll, ohne Widerhaken, ohne Schärfe. Es handelt sich um ideologische Glättungsversuche, die bis ins Detail überwacht werden. Sie kaschieren einen geistigen Terrorismus, der direkt in eine Art Ethik der Konfusion führt. Der Kampf für das auf diese Weise neutralisierte »Gute« hinterlässt Schlachtfelder des Hasses und der Unmenschlichkeit. Die Verstümmelung der Sprache wird hinter pathetischen Bekundungen einer Gesellschaft verborgen, die nichts mehr zu empfangen und nichts mehr weiterzugeben weiß, die weder zu denken, noch zu hierarchisieren noch einzuordnen vermag. Am Ende steht eine Gesellschaft, die nur noch Traditionen brechen und Forderungen aufstellen kann – und die das mit einem erschreckenden Aufwand an pseudo-wissenschaftlicher Untermauerung zelebriert. Die Weisheit bricht unter den Schlägen eines solchen »Expertentums« zusammen. Sie wird von der Forderung überrannt, alle menschlichen Bindungen zu verwissenschaftlichen. Die Vernunft flieht vor einer sich als Scharfrichter gebärdenden Rationalität, die Herkommen und Tradierung nicht mehr kennt. Das verursacht allgemeine Paranoia, und die ist bereits weit fortgeschritten.
Die Forderung nach der »Homo-Ehe« hat ganz offensichtlicher Weise weder eine sachliche Berechtigung, noch zielt sie auf eine zu beseitigende Ungerechtigkeit. Sie ist ein zu entzifferndes Symptom. Denn was bedeutet die Gleichzeitigkeit der Forderung nach Anerkennung einer Differenz und dem gewaltsamen Bestreben ihrer Aufhebung? Was bedeutet die Forderung nach »symbolischem Gehalt« der Gesetzgebung, während zugleich aller Inhalt nivelliert wird? Was bedeutet die Besessenheit, mit der der Bruch mit allem Überkommenen gesucht wird? Was bedeuten schließlich die bemerkenswerten Veränderungen in den Forderungen aus dem homosexuellen Milieu – gestern nach dem Recht auf eine »andere« Sexualität, heute nach den Attributen der »alten« Sexualität: Familie und Kindern? Wozu diese Parodie der alten Ehe, die ansonsten langsam aus der Mode zu kommen schien? Um ihr den Gnadenstoß zu geben? Oder weil ihr Platz nicht leer bleiben darf? Und dies alles vor dem Hintergrund des erstaunlichen Desinteresses der Homosexuellen an der noch vor kurzem so vehement geforderten eingetragenen Partnerschaft (»Pacs«). In allen Bereichen fordern Gleichstellungsfanatiker heute die Parität von Männern und Frauen. Der Geschlechtsunterschied wird so massiv politisiert wie nie zuvor in der europäischen Geschichte. Und ausgerechnet bei der Ehe und bei Eltern soll er keine Rolle mehr spielen?
Angesichts großer – und realer – nationaler und globaler Probleme sollte es eigentlich erstaunen, dass sich das politische und mediale Interesse in einem solchen Ausmaß von der Frage der »Homo-Ehe« absorbieren lässt. Aber auch Präsidenten, Politiker und Medienleute können offensichtlich beherrscht werden von der Ambivalenz gegenüber allem Herkommen, gegenüber allem, was sich »wissenschaftlichen« Beweisen entzieht, gegenüber allem, was noch eine »Grenze« des Humanen aufzeigt. Allerdings ist zu bedenken: Die kindliche Ambivalenz gegenüber »Papa/Mama« wiederholt sich in der Achtung des Bürgers vor den öffentlichen Institutionen, vor der staatlichen Gewalt. Auf einmal wird deutlich, dass uns das Ende von Vater und Mutter auf noch schlimmere Abwege führen könnte …
Die Identifikation der Politiker mit diesen Zielen ist als solche rätselhaft. Im Kern soll eine jahrhundertelang fraglos hingenommene Gewohnheit beseitigt werden, die im hergebrachten Begriff der Ehe immer die Vereinigung von Mann und Frau sah. Noch nie wurde daran gezweifelt – bei aller Vielfalt der Ehe in den verschiedenen Kulturen! Andererseits erfordert dieser Umbau die unhinterfragte Unterwerfung unter eine Minderheit von Aktivisten, die keinesfalls von allen Homosexuellen unterstützt wird, die aber die Deutungshoheit mittels einer Sprache des ideologischen Egalitarismus und der Entdifferenzierung errungen hat und so in wirksamer Weise mit dem Vorwurf der »Homophobie« den Verzicht auf das Denken erpressen kann.
Auch scheint unsere Gesellschaft, der ihre Grundlagen und festen Bezugspunkte vollends abhanden gekommen sind, die überkommenen und ihr unverständlich gewordenen Institutionen insgesamt behandeln zu wollen wie ein Kind, das ein Spielzeug zerbricht, um seine Funktionsweise zu verstehen. Zerstören kann eine barbarische Art des Fragens sein. Und in der Tat ist uns in der westlichen Welt im Bereich der Sexualität und der Weitergabe des Lebens in rasch aufeinanderfolgenden Etappen alles radikal fraglich geworden: In den 1970er Jahren: Wie funktioniert Sexualität ohne Zeugung von Kindern? In den 1980er Jahren: Wie erzeugt man Kinder ohne Sexualität? Und heute: Wie bekommt man Kinder ohne Geschlechtsdifferenz der Eltern?
Zwei Männer oder zwei Frauen als »Mann und Frau« im Sinne der Ehe zu behandeln, bedeutet schließlich auch, die fundamentale Verknüpfung von Worten an Körper aufzulösen, die Bedeutungen von den Dingen zu trennen, auf dass sie wie freie Elektronen durch virtuelle Welten fliegen. Im Namen einer anti-ontologischen Gleichheit sollen alle zur kollektiven Regression verpflichtet werden, zu einem Dasein als Neutra. Dabei ist die menschliche Welt alles andere als neutral – sie ist nichts anderes als die Welt der in ihr vorhandenen Dinge. Der unheilvolle Neutralitätsgedanke geht mit einer verfälschenden Vorstellung von Objektivität einher.
Bei all dem wäre daran zu erinnern, dass es nicht die Aufgabe des Staates sein kann, auf Provokationen ideologischer Aktivisten einzugehen, die eine konfuse Sprache sprechen und auf jeglichen Widerspruch mit dem Terror ihrer »korrekten« Sophismen reagieren. Noch weniger ist es Aufgabe des Staates, dergleichen Provokationen institutionelle Formen zu geben. Wenn so etwas geschieht, dann wird die Verdrängung zum bürgerlichen Gesetz – und dies mit unabsehbaren psychischen Folgen für alle. Homophobie zu bekämpfen ist eine Sache. Rechtsformen für die Partnerschaften zwischen Homosexuellen, die dies wünschen, zu institutionalisieren eine weitere.
Funktionierende Institutionen aber auszuhöhlen und zu entwerten, ist etwas völlig anderes. Genau das ist das Problem der »Homo-Ehe«: Ein legitimes Anliegen verbindet sich mit einer antizivilisatorischen Attacke auf unsere Institutionen. Das wird zwangsläufig archaische Kräfte wecken. Die Gegner eines solchen Unternehmens sind keinesfalls homophob, sie sind weder Moralapostel noch Fanatiker der »Normalität«. Wenn sich etwa zahlreiche französische Bürgermeister bei ihrer Weigerung, eine Homo-Ehe zu schließen, auf das Gewissen berufen, dann steht dahinter vielmehr ein sicheres Gespür für den Angriff auf die öffentlichen Institutionen. Und sie versuchen, sich einem double bind zu entziehen.
Dennoch glaubt man offenbar, gleichzeitig Transparenz und Gerechtigkeit anrufen und offensichtliche Lügen in die Gesetzbücher schreiben zu können. Wie soll man diese Kröten schlucken? Einmal mehr durch eine Vergewaltigung der Sprache: »Vater« und »Mutter« werden aus den Gesetzen getilgt, das Fräulein [»Mademoiselle«] wird verboten, alle Funktionen – wie »Autofahrer« zu »Autofahrerinnen« – werden feminisiert. Demnächst wird die angeblich diskriminierende »Ecole maternelle« [fr. für Kindergarten] umbenannt. Wir befinden uns hier auf dem bevorzugten ideologischen Schlachtfeld. Das Ziel lautet in der unklaren Formulierung eines bekannten zeitgenössischen Intellektuellen, die Welt nicht mehr »nach dem Unterschied der Geschlechter zu organisieren«.
Das akademische Fundament hierfür sollen die gender studies liefern. Sie wiederholen teils, was seit der Antike schon bekannt war, nämlich das mögliche Vorhandensein weiblicher Züge beim männlichen Geschlecht und männlicher Züge beim weiblichen Geschlecht. Die umfassende Verneinung der Differenz sollen sie wissenschaftlich untermauern und mit einer Pseudobürgschaft versehen. Aber, ganz gleich, welche bisexuellen psychischen Dispositionen es auch immer geben mag, der Unterschied der Geschlechter bleibt. Nur mit Hilfe dieser Voraussetzung kann man alle möglichen Überschreitungen überhaupt feststellen. Er bliebe besser Gegenstand von Literatur und Film, als dass er in die Hände von Politikern fiele, die ihn mit einer modernistischen Mischung aus Toleranz und archaischem Selbsthass zu beseitigen suchen.
Sicherlich kann es befreiende Formen geben, überkommene Grenzen zu übertreten. Andere Grenzverletzungen aber wirken wie eine Injektion tödlichen Giftes. Das sind jene, die – in der Regel im Namen der Egalität – auf eine wachsende Entdifferenzierung zielen. Solche Überschreitungen, die das »Andere« auf das »Gleiche« zurückführen wollen, zerstören das langsame Voranschreiten jeglicher zivilisierender Unterscheidung. An dieser Arbeit wirkte bisher auch das Recht maßgeblich mit. Künftig wird es zur Konfusion beitragen. Huxley erwähnte die »mühsam durch Zivilisierung errungenen Hemmungen«. Ziel dieses Prozesses ist nichts anderes als der Schutz des menschlichen Individuums vor der immer neuen Versuchung, als einzelner schon ein in sich geschlossenes Ganzes sein zu wollen.
Und was die Kinder betrifft: Natürlich sind Homosexuelle in der Lage, Kinder zu erziehen. Viele tun es auch. Es ist völlig unnötig, aus Kindern Objekte ideologischer Forderungen oder gerichtlicher Klagen zu machen. Die Absurdität, homosexuellen Paaren staatlicherseits künstliche Befruchtung zu ermöglichen – zwangsläufig verbunden mit Leihmutterschaften – zeigt hingegen, dass die derzeitigen Bestrebungen rein gar nichts mit den realen Bedürfnissen realer Kinder zu tun haben.
Unsere Generation zerstört alles, was Grenzen setzt. Sie wird somit nichts mehr an die Nachkommenden weitergeben können, vor allem nicht jenen teils unergründlichen Gehalt unserer Zivilisation, der innerhalb jener Grenzen liegt. Was passiert, wenn diese Generation in den Augen der Nachfolgenden demnächst für altmodisch befunden wird? Die Flucht nach vorn wird kein Ende finden. Wissenschaftler arbeiten schon an der Herstellung männlicher Eizellen und weiblicher Spermazoiden aus Stammzellen. Das leibliche Kind homosexueller Eltern taucht als Gespenst am Horizont bereits auf. Dem werden mit scheinbar zwingender Logik weitere Forderungen folgen: »Die Homo-Ehe hat ihnen gut gefallen? Dann ist der künstliche Uterus sicher auch was für sie …!«
Schrieb Descartes nicht, der gesunde Menschenverstand sei die am weitesten verbreitete Sache der Welt? Ließ Shakespeare seinen Macbeth nicht sagen, nichts sei zu fürchten von dem, der aus dem Weibe geboren sei? Übrigens – auch das Wort »geboren« wird verschwinden müssen. »Geburt« verweist auf Ursprung, auf Weitergabe, ist Metapher für Aufbruch, Wachstum, Zukunft. Den Platz werden »Sohn« und »Tochter« – und zwar als rein administrative Zuschreibungen – einnehmen.
Wir müssen den Bürgern, die von einer derart verlogenen Sprache betäubt und von angeblichen Experten betrogen werden, die archaische Gewalt bewusst machen, die in der Beseitigung von Mutter, Vater und Geburt liegt. Zwischen Homosexuellen und Heterosexuellen scheint sich heute eine rigide Trennung aufzubauen. Dabei teilen alle dieselbe Welt. Ebenso obliegt es allen, zutiefst menschliche Institutionen wie die Ehe zu schützen, die den Verbindungen zwischen Männern und Frauen und zwischen den Generationen eine unverzichtbare Form geben. »Institution« kommt von »status«, von »sich aufrecht halten«. Diese Vertikalität ist die Metapher der menschlichen Würde, sie impliziert Verbindungen, die nur unter »Gleichen« nicht mehr bestehen.
Paul Valéry schrieb in seiner »Rede über den Fortschritt«: »Die neue Zeit wird bald einen Menschen schaffen, der durch keinerlei geistige Gewohnheit mehr mit der Vergangenheit verbunden ist. Die Geschichte wird ihm als eine Sammlung sonderbarer, nahezu unverständlicher Geschichten erscheinen, denn in seiner eigenen Gegenwart orientiert sich nichts mehr an vergangenen Vorbildern, überlebt nichts aus der Vergangenheit.« Zwar sind anthropologische Grenzen nicht so gut zu sehen wie eine Fahrbahnbegrenzung auf der Autobahn. Gleichwohl sind symbolische Grenzüberschreitungen leicht an den Schmerzen zu erkennen, die sie denen verursachen, die ihre Ohnmacht und die Wirkungslosigkeit aller Argumente gegen die sich breitmachenden Perversionen empfinden. Und sie sind an der Ausgelassenheit zu erkennen, die sie bei der Masse hervorrufen, die sich in ihrem Triumph über das Naturgemäße sowie in einem Gefühl der Allmächtigkeit suhlt.
Indes wird kein Gott hinter den Wolken hervortreten und Blitze seines Zorns auf die Erde schleudern. Zwar mögen sich unsere Vorväter im Grabe herumdrehen. Doch gilt, was bereits Freud erkannte: Dass, wer auch immer der Menschheit die Befreiung von jenen Aufgaben verhieße, die ihr die Geschlechtlichkeit auferlegt, als ein Held gefeiert würde, dem man jede noch so große Dummheit nachsieht. Die Welt wird auf die Neutralisierung der Geschlechtlichkeit und auf die Aufhebung von Herkunft vermutlich am Ende mit Indifferenz blicken. Das Neutralitätsprinzip zersetzt letztlich jeden inhaltlich begründeten Widerstand.
]]>Wutschnaubend kommentiert ein Zuhörer meiner Lesung in Marburg namens Hans S. meine dort vorgebrachten Überlegungen. Ich hatte zum Thema Sterbehilfe gesprochen und aus unserem diesbezüglichen Buch vorgelesen. Hans S., der jetzt auf amazon seinem Ärger Luft macht, hat in Marburg leider nichts gesagt. Umso energischer reiht er sich in jene ein, die mir wegen meiner kritischen Haltung zur Sterbehilfe wahlweise Bevormundung oder Propaganda vorwerfen. Der Besucher, der in Marburg schwieg, als er mit mir hätte reden können, wirft mir vor, meine Moralvorstellungen gegen den Sterbewilligen »erzwingen« zu wollen.
Außerdem, sagt Hans S., wolle ich kraft meiner gesunden Seele (danke!) der kranken Seele, der niemand mehr helfen kann (woher weiß er das?), ihre Autonomie absprechen. Erstens: Ich habe noch nie die Gültigkeit meiner Moralvorstellungen gegen einen Sterbewilligen erzwungen, und das werde ich hoffentlich auch nie tun. Zweitens: Eine kranke Seele ist nicht autonom, sondern hilfsbedürftig. Drittens: Warum ist die Behauptung, dass der kranken Seele nicht mehr zu helfen sei, weniger anmaßend als meine Bitte an den Sterbewilligen und vor allem an seine Nächsten, die Hoffnung nicht aufzugeben? – Einem gewissen Kater Felix danke ich für seinen Kommentar: »Dem Selbstbestimmungsschaum vor dem Mund des Herrn Hans S. nach zu urteilen ist er selbst jedenfalls nicht suizidgefährdet. Suizid ist immer etwas für die Anderen. Wir sind ja so liberal.«
Bei »Selbstbestimmungsschaum« fällt mir der offene Brief an den Deutschen Bundestag mit der Forderung nach einer vollen Gleichstellung der Homo-Ehe ein, der den Abgeordneten in der vorigen Woche zugestellt wurde, unterzeichnet unter anderem von Martin Walser und Günter Grass: »Stellt gleich, was gleich ist!« In diesem sprachlich unglaublich misslungenen Brief, der sich wie eine unbeholfene deutsche Übersetzung aus mindestens drei verschiedenen Sprachen unter Verwendung einer pathetischen Gründungsurkunde aus dem 18. Jahrhundert liest, heißt es: »Wenn zwei Menschen egal welchen Geschlechts sich füreinander entscheiden und Verantwortung für sich, die Gesellschaft und die geborene als auch ungeborene Zukunft übernehmen wollen, dann ist dies zutiefst schützenswert.«
Es reicht also künftig, wenn ein Homosexueller »Verantwortung« für die Folgenlosigkeit seiner Sexualität übernimmt, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Ich finde, Verantwortung für die Folgenlosigkeit der eigenen Sexualität zu übernehmen, hieße, der Kinderlosigkeit ins Auge zu sehen und gerade nicht einfach mal ein Recht auf Kinder auszurufen. Vor allem hieße es nicht, das Auge auf die Kinder anderer Leute zu werfen. Und dann die »ungeborene« Zukunft. Was für eine Zukunft soll das eigentlich sein? Und warum heißt es bei »geborener Zukunft« nicht einfach »Kinder«? Weil »geborene Zukunft« pathetisch und gemeinnützig klingt, während das Wort »Kinder« bloß an lautes Schreien und schmutzige Windeln erinnert und an das, was eine Dame vom Deutschlandradio sich heute früh nicht entblödete zu sagen: dass sie doch so teuer sind? Das sagte sie in einer Sendung über die Unsicherheit unserer Altersversorgung. So viel Schizophrenie muss man erst einmal können.
Der Brief an den Bundestag ist ein Dokument ersten Ranges. Die Gleichstellung soll nicht nur im Recht vollzogen werden, sondern vor allem in der Natur. Die rechtliche Gleichstellung ist nur eine vorübergehende Notlösung auf dem prometheischen Weg zum neuen Menschen. Dieser neue Mensch hat Fortpflanzung und Sexualität vollständig getrennt. Liebe, so sagt der offene Brief, ist dasselbe wie Sexualität. Also hat die Fortpflanzung nichts mehr mit Liebe zu tun, und die Liebe nichts mehr mit Fortpflanzung. Deshalb auch »geborene Zukunft« statt »Kinder«. Kinder sind nur noch das Material, aus dem die Zukunft gemacht ist, weil es dummerweise keine andere gibt. Aber vielleicht findet sich auch hier eine Lösung.
Bis auf weiteres, solange wir sie noch brauchen, werden Kinder halt aus dem Labor oder aus dem Bauch einer Leihmutter kommen oder von Eltern, die sich mit ihrer traditionellen, familienorientierten Erziehungsweise des Kindesmissbrauchs schuldig machen und das Sorgerecht verlieren. So ungefähr sieht doch wohl die Hoffnung derer aus, die auf den Umbau eines Adoptionsrecht spekulieren, das früher für elternlose Kinder gedacht war und nun »für« kinderlose, homosexuelle Möchtegern-Eltern dasein soll? Richtige Eltern mit richtigen Kindern müssen diesen Zukunftsstürmern »zutiefst« verdächtig sein, denn sie bleiben Homosexuellen, die unter allen Umständen ihre Gleichheit behauptenn wollen, ein ständiges Ärgernis und eine ständige Demütigung, umso mehr, seit sie ihr beneidetes Teilvorbild überholen, ohne es einzuholen. Das Unglück Hans Christian Andersens beschrieb Hans Mayer als das Unglück »des Schwans im Ententeich, der jedoch im Ententeich zu leben hat, wo man Schwäne nicht als höhere Gattung anerkennt.« (Außenseiter, S. 233) Jetzt gibt es schon Homosexuelle (Schwäne), die die Umarmung von Mann und Frau (Enten) auf offener Straße als Diskriminierung empfinden. So beginnt die schöne, neue Welt. Mit ganz viel Stolz, mit ganz viel Prüderie, aber ohne Zukunft.
Denn der Offene Brief will uns allen Ernstes sagen: Die Weitergabe des Lebens darf nicht länger das Kriterium sein, das die Homosexualität von der normalen Sexualität unterscheidet. Nachwuchslosigkeit darf nicht mehr mit Homosexualität identifiziert werden und Elternschaft nicht mehr mit normaler Sexualität. Damit Homosexuelle für die Folgenlosigkeit ihrer Sexualität nicht diskriminiert werden, müssen geborenes und ungeborenes Leben künftig denselben Wert haben. Leben und Nichtleben müssen denselben Wert haben. Leben und Tod müssen denselben Wert haben. Und weil Leben und Tod denselben Wert haben müssen, kann man die Sterbehilfe als das bessere Leben verkaufen. Aber warum als das bessere? Wie kann der Tod »besser« sein, wenn Leben und Nichtleben sich gar nicht mehr unterscheiden?
]]>Wenn zur Zeit darüber berichtet wird, dass die Einführung der Homo-Ehe die Bevölkerung Frankreichs in zwei gleich große Hälften spalte – die eine dafür, die andere dagegen (mit einer geschätzten Million Demonstranten) –, dann könnte der Eindruck entstehen, als ob dies in Deutschland anders wäre. Ich glaube aber, dass auch bei uns mindestens die Hälfte der Bevölkerung gegen die Homo-Ehe ist, wenngleich das weder offiziell festgestellt noch mitgeteilt, sondern von ihren Befürwortern zum Horrorszenario erklärt wird. Unter der Herrschaft des Skandals bleibt der wahre Skandal verborgen. Die Leidtragenden der Homo-Ehe in Verbindung mit einem »Recht auf Kinder« (das es bislang für niemanden gibt!) sind – Kinder. Kinder, denen die gemeinsame Aufzucht durch Vater und Mutter verweigert wird. Gewiss, es gibt Scheidungen, und es gibt Kuckuckskinder. So etwas kommt vor. Das Fehlen eines Elternteils aber planmäßig in die Wege zu leiten, ist ein Verbrechen am Kind, und es wird ihm schwere seelische Schäden zufügen.Die Gegnerschaft wird umso stärker werden, je deutlicher sich diese Folgen zeigen und – je mehr Immigration Europa zulässt. Denn bemerkenswerter Weise haben sich in Frankreich die Vertreter der jüdischen Gemeinde und der Muslime auf die Seite der Gegner des Gesetzes gestellt. Das heißt, dass sich die politischen Kräfteverhältnisse gerade neu formieren. Den Ausgang der letzten Abstimmung in der Nationalversammlung im Rahmen der zweiten Lesung des Gesetzes am Dienstag, dem 23. April, wird die Gegenbewegung zwar kaum zu ihren Gunsten beeinflussen können. Aber der Widerstand insbesondere friedlicher, junger Leute, die sich »Les veilleurs« (Die Wächter) nennen, nimmt zu. Dass es bei dem auch heftigen Widerstand in Frankreich nicht zwingend um die notorisch unterstellte Homosexuellenfeindlichkeit geht und dass sich der Widerstand auf gewichtige naturrechtliche Argumente beruft, um lediglich die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten eines überzogenen Gleichstellungsdenkens anzuprangern, das belegt der folgende Beitrag, der seit dem 14. Januar in zahlreichen französischen Internetforen erschienen ist. Sein Autor Bertrand Vergely, geb. 1953, ist französischer Philosoph und Theologe. Er ist Absolvent der »Ecole normal supérieure« von Saint-Cloud. Vergely lehrt am »Institut d’Etudes politiques«, am »Institut de théologie orthodoxe Saint-Serge« und am »Lycée Pothier«. Wir danken dem Autor für die freundlich erteilte Genehmigung, seinen Text auf D.E.d.E. zu publizieren.
Die Diktatur der Konfusion
1.
Es kommt darauf an, zwischen der Frage der Homosexualität und der Frage der sogenannten Homo-Ehe zu unterscheiden. Homosexualität gehört in die Sphäre des Privaten und Individuellen. Es gibt in der Gesellschaft Menschen, deren Zuneigung sich auf Menschen gleichen Geschlechts bezieht. Warum ist das so? Wir wissen es nicht und werden es wegen der Vielzahl der möglichen Gründe wohl niemals wissen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen Tatbestand, den die Gesellschaft anerkennen muss, indem sie den Homosexuellen die gleichen Rechte auf Schutz ihrer Privatsphäre zugesteht wie jedem anderen Bürger.
2.
Im Gegensatz dazu betrifft die Einführung der Homo-Ehe alle. Denn hiermit soll eine bislang gültige Norm ein für alle Mal abgelöst und eine neue Norm für Familie, Abstammung und Weitergabe des Lebens etabliert werden.
3.
Die Ehe ist in ihrem Ursprung eine natürliche Gegebenheit. In ihr vereinen sich ein Mann und eine Frau und zeugen gemeinsame Kinder. Indem Gesellschaft und Staat diese Ehe als Institution etablieren, schaffen sie nur einen rechtlichen Rahmen, um jene naturgemäße Grundlage zu schützen.
4.
Es deutet derzeit viel darauf hin, dass Ehe, Abstammung und Weitergabe des Lebens ihre Bedeutung verändern. Die Weitergabe des Lebens soll nicht mehr als der hauptsächliche Sinn der Ehe verstanden werden. Statt der Zeugung von Kindern soll vielmehr das »Gefühl« zu ihrer Grundlage werden. Ebenso scheint auch die Bedeutung eines Kindes nicht mehr vorrangig darin zu liegen, Frucht der Verbindung eines Paares zu sein. Immer öfter kommt es zur »Nachfrage nach Kindern«, etwa als Wunsch nach Adoption durch Einzelstehende oder nach künstlicher Befruchtung von zeugungsunfähigen Paaren. Somit stellt sich eine Frage, die alle betrifft, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, nämlich, ob das »Gefühl« die einzige Grundlage der Ehe darstellen soll, und ob der Wunsch nach einem Kind, von wem auch immer geäußert, den einzigen Grund für seine Existenz bilden kann. Anders gefragt, soll das, was in der Lebenspraxis zunehmend um sich greift, zur verbindlichen Norm werden?
Wer dies bejaht, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann auch kein formeller Widerspruch etwa gegen eine Aufhebung des Inzestverbotes möglich wäre. Wenn das »Gefühl« unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten normbildend wird, dann wird in seinem Namen ein Vater fordern können, seine Tochter oder gar seinen Sohn; eine Mutter, ihren Sohn oder ihre Tochter; eine Schwester, ihren Bruder oder ihre Schwester; und ein Bruder, seine Schwester oder seinen Bruder heiraten zu dürfen. In einem solchen Fall, wo das Gefühl als Grundlage eines Rechtes jenseits der natürlichen Realität gesetzt wurde, wird bald niemand mehr wissen, wer er im Hinblick auf den anderen ist. Schwerwiegende Identitätskrisen werden die leicht vorhersehbare Folge sein. Die krankhaften Tendenzen eines hedonistischen Individualismus, für den die Realität nicht existiert und nicht mehr existieren darf, werden sich dramatisch verstärken. Wenn der Vater auch Liebhaber der Tochter, die Mutter auch Geliebte des Sohnes sein kann, wird der gängige Begriff der Familie absurd und die erzieherische Autorität der Eltern eliminiert. Die Familie explodiert sozusagen.
Wenn nun aber das Inzestverbot fiele, dann würde das auch die Zukunft des Menschen an sich bedrohen. Denn dieses Verbot erinnert an nichts Geringeres, als dass der Mensch sich selbst durch die Ehe und die Weitergabe des Lebens entfaltet und fortzeugt, nämlich, indem er sich an einen anderen bindet, der eben nicht derselben Familie entstammt und nicht demselben Geschlecht angehört, und dass es eben seine Bestimmung ist, nicht auf seine eigene Familie und sein eigenes Geschlecht beschränkt zu bleiben.
In dieser Perspektive lastet auf dem Gesetzgeber im Fall der Regelungen zur Homo-Ehe eine besonders große Verantwortung. Beschließt er, aus der Ehe eine Rechtsangelegenheit auf der Basis des Gefühls und unabhängig von allen natürlichen Gegebenheiten zu machen, ebnet er dem Ruin der psychischen Identität des Menschen, dem Ruin seiner Familie und seiner Zukunft den Weg.
5.
Jenseits dieser Fragen, die alle betreffen, Hetero- ebenso wie Homosexuelle, wirft die Homo-Ehe eine Reihe weiterer spezifischer Fragen auf, die sehr genau bedacht werden sollten. Die wichtigste ist die nach der Bedeutung des Wortes »gleich«. Ist es möglich, im Namen der Gleichheit und der Antidiskriminierung eine Gleichheit aller Paare zu schaffen? Dem stehen gewichtige Gründe entgegen:
6.
Im Sinne der einfachen Frage nach der Wirklichkeit, nach dem natürlich Gegebenen, kann man Heterosexualität und Homosexualität schwerlich als »gleich« ansehen. Ein Paar aus Mann und Frau ist nicht das Gleiche wie ein Paar aus zwei Männern oder zwei Frauen. Heterosexuelle Paare sind nicht homosexuell, und homosexuelle Paare sind nicht heterosexuell. Hier Gleichheit herstellen zu wollen, bedeutet schlicht, die Wirklichkeit zu negieren und eine große Konfusion zwischen dem Wesen des Menschen und seiner (jeweiligen) Lebenspraxis zu schaffen. Heterosexualität ist, vor aller Lebenspraxis, dem Wesen des Menschen gemäß. Homosexualität wird zwar praktiziert, aber deshalb entspricht sie noch lange nicht dem Wesen des Menschen.[1] Der Grund ist klar: Um homosexuell zu sein, muss man zunächst Mann oder Frau, also Teil der heterosexuell ausgeprägten Natur des Menschen sein. Wenn dieser Unterschied nun im Namen der Gleichheit eingeebnet wird, läuft dies auf ein Diktat der Lebenspraxis über das Wesen des Menschen hinaus. Die gefährliche Folge kann über kurz oder lang die immer radikalere Unterdrückung der für den Menschen wesentlichen geschlechtlichen Differenz sein. Die Homo-Ehe würde also zwangsläufig diktatorische Effekte zeitigen. Um den Homosexuellen gleiche Rechte zuzugestehen, würde es letztlich der Menschheit verboten werden müssen, noch irgendeinen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen. Wer in der Heterosexualität einen Wesenszug und nicht eine bloße Lebenspraxis des Menschen sieht, könnte wegen Diskriminierung verurteilt werden. Im Ergebnis würde dies eine neue Menschheit bedeuten. Bisher lebten wir in einer durch Unterscheidungen geprägten und sich in Unterscheidungen mitteilenden Welt. Was wir dann erleben würden, wäre eine auf »Ununterscheidbarkeit« gegründete Welt. Da die Differenzierung der Wesenszug allen Lebens ist, die Entdifferenzierung aber das Wesen des Todes,[2] bedeutet die Einführung der Homo-Ehe nichts anderes, als dass von nun an das Prinzip des Todes die Menschheit leiten würde.
7.
Die Probleme der gesetzlich dekretierten Gleichheit aller Paare spiegeln sich auch auf der Ebene der Kinder wider. Offenbar droht in Vergessenheit zu geraten, dass ein homosexuelles Paar keine eigenen Kinder haben kann. Das mag man bedauern, aber es ist so – zwei Männer oder zwei Frauen können miteinander kein Kind zeugen. Für die Weitergabe des Lebens bedarf der Mann der Frau und die Frau des Mannes. Gleichwohl fordern die Homosexuellen, »ein Kind haben zu dürfen«. Sie beziehen sich hierbei auf das Recht heterosexueller Paare, ein Kind zu adoptieren oder die Möglichkeiten künstlicher Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Dabei scheinen sie zu vergessen oder vergessen machen zu wollen, dass es nicht das Recht, sondern die Natur ist, wodurch ihnen eigene Kinder versagt bleiben. Natürlich kann ein heterosexuelles Paar adoptieren oder eine künstliche Befruchtung vornehmen. Gleichwohl aber wird ein solchermaßen empfangenes Kind niemals dieselbe Bedeutung haben wie ein von Homosexuellen adoptiertes Kind. Denn wenn ein heterosexuelles Paar adoptiert, so gleicht es hiermit ein individuelles Unfruchtbarkeitsproblem aus. Wenn hingegen ein homosexuelles Paar adoptiert, so versucht es, eine grundsätzliche Unmöglichkeit zu umgehen. Die symbolische Bedeutung eines solchen Kindes ist eine andere. Eine Unmöglichkeit mithilfe eines Gesetzes umgehen zu wollen, führt uns in einen Bereich prometheischer Fiktionen jenseits der menschlichen Realität.
8.
Bislang beruht das Verständnis von Gesellschaft auf dem Verständnis ihrer Grenzen, darauf, dass – kurz gesagt – nicht alles möglich ist. Dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann. Dass nicht alles hergestellt oder gemacht werden kann. Diese Grenzen sind auch schützende Grenzen. Die Einsicht, dass nicht alles gesetzlich beschlossen werden kann, bewahrt uns vor einer Diktatur des Rechts, und der Gedanke, dass nicht alles hergestellt werden kann, vor einer Diktatur der Wissenschaft. Mit der Homo-Ehe und dem Recht homosexueller Paare auf Adoption und künstliche Befruchtung würde sich das ändern. Die Idee, dass nichts unmöglich sei, würde die Bedeutung von Grenzen leugnen. Der Schutz vor einer Diktatur des Rechts würde fallen. Alles würde per Gesetz »umsetzbar« werden. Zugleich würden die Dämme brechen, die uns vor einer Diktatur der Wissenschaft bewahren. Alles würde »machbar« werden. Bislang sind wir der Natur gefolgt, die, wie Montaigne sagte, eine »sanfte Führerin« ist. Von nun an würden wir dem Recht und der Wissenschaft folgen. Die Natur hat es vermieden, den Menschen der Willkür des Menschen zu unterwerfen. Künftig würde der Mensch dem Menschen gehorchen müssen, ohne dass der Mensch als solcher noch irgendwem oder irgendetwas Untertan wäre. In eben jenem anything goes sah Dostojewski im 19. Jahrhundert ebenso wie Leo Strauss im 20. Jahrhundert die Essenz des Nihilismus. Zusammen mit Nietzsche und gleichermaßen illusionslos wie dieser erkannten sie im Nihilismus die verhängnisvolle Heimsuchung Europas. Mit der Homo-Ehe und dem Recht Homosexueller auf Adoption und künstliche Befruchtung würde das anything goes Wirklichkeit werden. Damit würde der Nihilismus siegen – ein Triumph des Rechtes, der Wissenschaft und des entgrenzten Menschen.
9.
Ebenso ist zu unterscheiden zwischen einem Kind, das man herkömmlich zeugt, und einem Kind, das man »machen« lässt. Ein durch ein Paar gezeugtes Kind ist Person. Die Zeugung durch Mann und Frau, die sich in Liebe vereinen, führt dazu, dass dieses Kind keine Ware und kein Handelserzeugnis ist. Ein Kind, das man durch Dritte »machen« lässt, ist keine Person, sondern ein Objekt, eine verhandelbare Ware: Man »leiht« eine Mutter, oder man »spendet« den Samen (gegen Bezahlung). Lionel Jospin hat angemerkt, es gebe kein Recht »auf ein Kind«, sondern vielmehr ein Recht »des Kindes«. Mit der Homo-Ehe, die das Recht auf künstliche Befruchtung einschließt, wird genau dies verdreht und das Recht des Kindes dem Recht auf Kinder geopfert. Unter dem Vorwand, Homosexuellen ein Recht auf Kinder geben zu wollen, wird das Kind von der Person zum Objekt degradiert. Während Menschenrechtsvertreter in aller Welt gegen die Verdinglichung des Menschen kämpfen, wird das Kind im Namen des Rechts der Homosexuellen zum bloßen Objekt.
Daneben gibt es praktische Einwände, vor allem gegen die Kosten. Damit zwei Männer ein Kind bekommen, muss eine Leihmutter engagiert werden. Das ist nicht billig – der Preis liegt zwischen 80.000 und 100.000 Euro. Sobald Homosexuelle mit dem Recht »auf ein Kind« ausgestattet sind, werden sie die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen fordern, was deren Defizite steigern wird. Wer bezahlt also diese Kinder? Falls sie zu einer staatlichen »Leistung« werden, wird der Staat ausreichend Leihmütter bzw. ihre spezifische Fähigkeit als geregelte Dienstleistung zur Verfügung stellen müssen. Auch wenn der Staat sich weigern sollte, zum Zuhälter-Staat zu werden, der Frauenhandel erlaubt und organisiert, wird er doch die Leihmutterschaft regulieren müssen. Das ist alles andere als eine harmlose Angelegenheit. Was passiert, wenn ein Paar mit dem Baby einer Leihmutter unzufrieden ist und es zurückgeben will? Soll man dieses Paar zwingen, das Kind zu behalten? Oder soll man das Kind zur Waise machen? Soll man die Leihmutter dazu zwingen und sie dafür bezahlen, dass sie es behält und aufzieht? Und wer zahlt den Psychiater, den dieses Kind später unweigerlich brauchen wird?
10.
Auf das Problem des »Machen-Lassens« von Kindern folgt das Problem ihrer Erziehung. Es ist ein Unterschied, ob es sich bei den Eltern um Vater und Mutter oder aber um zwei Väter oder zwei Mütter handelt. Einem Kind, das in einer Homo-Ehe aufwächst, wird das Wissen darüber verweigert, wie es ist, Vater und Mutter zu haben. Darf man dem Kind aber dieses Recht nehmen? Wenn ja, dann hieße das, dass die Homosexuellen – damit sie ein gleiches Recht auf Kinder erhalten – ihren Kindern im Unterschied zu den Kindern heterosexueller Eltern gleiches Recht verweigern dürften. Damit homosexuelle Paare heterosexuellen Paaren gleichgestellt werden, bedarf es einer massiven Ungleichbehandlung der jeweiligen Kinder. Natürlich haben auch Waisen keine Mutter oder keinen Vater. Aber hier handelt es sich um eine Art Unfall, um individuelles Unglück, nicht um die Folge einer rechtlichen Entscheidung. Das Recht von Homo-Paaren auf ein Kind erfordert die bewusste Schaffung von Waisenkindern als gesetzliche Institution. Diese Kinder werden gesetzlich verpflichtet sein, entweder keinen Vater oder keine Mutter zu haben. Eine solche Situation wird früher oder später notwendigerweise Revolten hervorrufen. Dem Kind eines homosexuellen Paares wird das Recht auf seine wahre Abstammung genommen. Seine Herkunft bleibt abwesend. Für die Entwicklung eines Kindes aber ist sie alles andere als verzichtbar. Das Kind wird sich, kindlicher Neigung entsprechend, selbst für das familiäre Ungleichgewicht schuldig fühlen.
Daraus folgt, dass die Anhänger der Homo-Ehe und des Rechts auf Adoption und künstliche Befruchtung Opfer einer fatalen Konfusion sind, wenn sie das geplante Gesetz als einen demokratischen Fortschritt proklamieren. Wer da glaubt, dass all dies ein gutes Ende nähme, wird sich schon bald bitter getäuscht sehen. Es wird ein böses Ende nehmen, denn der Preis ist zu hoch. Niemand sollte glauben, dass die Leugnung sexueller Differenz keine Konsequenzen haben werde. Niemand sollte glauben, dass »gemachte« Kinder, denen man in vielen Fällen das Recht auf die Kenntnis ihrer Abstammung rauben wird, nicht früher oder später dagegen aufbegehren werden. Und niemand sollte glauben, dass das Verbot der Begriffe »Mutter« und »Vater« zu einer menschlicheren und friedfertigeren Gesellschaft führen würde. Wer behauptet, dass durch die gesetzliche Einrichtung der Homo-Ehe Probleme gelöst würden, der lügt. Es werden neue Probleme geschaffen. Das 20. Jahrhundert hat die Tragödien des Totalitarismus durchlebt, vor allem das Projekt der Schaffung eines neuen Menschen aus einer bestimmten Rasse oder Klasse. Wir dürfen jetzt nicht der Versuchung nachgeben, mittels einer eine Diktatur von Recht und Wissenschaft den neuen Menschen aus dem Gleichheitsdenken zu kreieren. Die Familie beruht auf natürlichen Gegebenheiten. Daran sollten wir in unserem eigenen Interesse nicht rühren.
Wir alle haben homosexuelle Freunde und Bekannte, die wir schätzen und respektieren. Wir wollen nicht bezweifeln, dass sie lautere Absichten haben. Auch nicht, dass sie in der Lage wären, ein Kind zu erziehen. Wir zweifeln auch nicht daran, dass Kinder in manchen heterosexuellen Partnerschaften nicht gut behandelt werden. Der fatale Fehler liegt vielmehr darin anzunehmen, dass all dies ein Grund für die Einführung der Homo-Ehe mit Recht auf Adoption und künstliche Befruchtung wäre.
Recht und Gesetz sind eine Sache, der Einzelfall ist eine andere. Das Recht kann sich nicht aus Einzelfällen ableiten, sondern nur aus ganzheitlichen Regeln. Wenn es um die Homo-Ehe geht, so stehen dahinter dermaßen gefährliche Grundannahmen, dass ein solches Gesetz den grundlegenden Interessen des Menschen eindeutig widerspräche. In der Nationalversammlung hat die Linke heute die Mehrheit. Mit ihrer Mehrheit kann die Linke die Homo-Ehe durchsetzen. Sie könnte aber stattdessen auch dem Menschen und seiner Würde zur Mehrheit verhelfen. Das würde sie ehren. Und damit würde sie zugleich ihren eigensten Interessen dienen. Niemand muss einem Zwang gehorchen, wenn er dabei der Vernunft widersprechen soll. Die Homo-Ehe mit ihrer ausschließlichen Basis im »Gefühl« ist wider die Vernunft. Die Preisgabe der Unterscheidung von Mann und Frau oder ihre Reduktion auf bloße Lebenspraxis ist wider die Vernunft. Es ist wider die Vernunft, ein Kind um jeden Preis zu wollen – sei es durch Adoption, Leihmutterschaft oder Samenspende. Und schließlich ist es wider die Vernunft, nicht mehr von Mutter und Vater sprechen zu wollen. – Kurz gesagt, eine juristisch-medizinische Bastelarbeit Familie zu nennen, ist grober Unfug. Die Worte haben ihren Sinn, indem sie auf die Wirklichkeit verweisen. Wenn die Worte nur noch einen Sinn haben sollen, den man ihnen willkürlich zuschreiben kann, haben sie bald gar keinen mehr. Wir befinden uns dann nicht mehr im Bereich der Vernunft, sondern im Bereich der Konfusion. Herrschaft der Konfusion, Diktatur der Konfusion, Konfusion des Denkens und Handelns – müssen wir es wirklich derart übertreiben?
]]>In Wir sollen sterben wollen habe ich geschrieben, dass das Prinzip der Akzessorietät bei der Sterbehilfe (= Suizidhilfe) deshalb nicht greife, weil das verletzte Rechtsgut (das Leben einer Person) nicht das Gut eines Dritten ist, sondern das Gut einer der beiden an der Tat beteiligten Personen. Das trifft aber das Problem noch nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit. Sehr viel klarer sagt Robert Spaemann, wo das Problem liegt:
»Man folgert aus der gesetzlichen Erlaubtheit des Suizid, dass auch die Beihilfe zu einer erlaubten Handlung erlaubt sein müsse. Nun ist aber der Suizid und der Suizidversuch nicht ›erlaubt‹, sondern nur nicht verboten, weil er nämlich überhaupt nicht in die Rechtssphäre gehört. Der Selbstmörder tritt einfach aus aus der Gemeinschaft der Menschen. Zur Beihilfe aber gehören zwei Personen. Sie ist ein zwischenmenschliches Geschehen, fällt deshalb in die Rechtssphäre und muss, solange jemand dieser Sphäre angehört, verboten und strafbar sein.«
Man kann sich leicht ausmalen, was passiert, wenn diese Unterscheidung zwischen der Anwesenheit in der Rechtssphäre und dem Austritt aus ihr aufgegeben wird. Mit der Nivellierung dieses Unterschieds wird der Begriff des Rechtes überhaupt aufgegeben. Der offene und erklärte Verzicht auf diese Unterscheidung ist das Symptom einer Rechtskrise, das man nicht ernst genug nehmen kann. Schließlich geht es um Leben und Tod.
]]>Ist zu teilen nicht gerechter, als nicht zu teilen? Nein, das weise Urteil König Salomos ist gerecht, weil mit der Tötung des verbliebenen Kindes die irdische Gerechtigkeit für dieses Mal aufhören würde. Auch die irdische Freiheit hört mit dem Tod auf, weshalb der »freie« Tod keine Realisierung von Freiheit sein kann. Die obige Geschichte lehrt auch dies: Je lauter und je häufiger die Forderung nach »Gerechtigkeit« erhoben wird, desto mehr Neid könnte im Spiel sein. Ich habe auf diese Gefahr bereits im Zusammenhang eines Adoptionsrechtes »für« (!) gleichgeschlechtliche Paare hingewiesen, denn ein solches Recht würde bedeuten, das Vermittlungswesen am Wohl künftiger Adoptiveltern auszurichten und nicht am maximalen Wohl des Adoptivkindes.
Die Motive, die den aktuellen Umbau vorantreiben, werden nur im Rahmen des großen Trends zur Trennung von Sexualität und Fortpflanzung verständlich. Warum natürlich tun, was man für viel Geld und mit viel Verwaltungsaufwand auch künstlich tun kann? Warum rechtzeitig natürlich befruchten, wenn es künstlich auch später noch geht? Gleichgeschlechtliche Paare erfinden plötzlich ein »Recht auf Kinder«, das es bislang für niemanden gab, das aber in Zeiten steigender Rentenempfänger und sinkender Renten eine bessere Altersversorgung versprechen könnte. Schließlich geht mit dem Erbanspruch eines Adoptivkindes auch eine Fürsorgepflicht zum Wohle der Adoptiveltern einher.
Natürliche Zeugung, Kindesaufzucht durch eigene Mütter oder die Pflege kranker und alter Familienangehöriger bringen dem Staat kurzfristig kein Geld ein, weil sie kein Geld kosten und keine Steuern generieren. Sie »kosten« den Staat vielmehr jene Steuern, die ihm mangels Einnahmen (Lohn oder Gehalt) und mangels Ausgaben (Einkauf teurer Leistungen) entgehen. Für die Staatskasse wäre es besser, Angehörige würden arbeiten gehen und ihre Dienstleistung einkaufen. Ein gesundes Familienleben schmälert das Bruttosozialprodukt, es ist Steuerhinterziehung! Auf einmal scheint die natürliche, kostenlose Sorge das Gemeinwesen zu schädigen, statt dass sie es erhalten würde. Der finanziell überforderte Sozialstaat bedroht am Ende die tätige Liebe. Eine immer materialistischere Weltsicht bemächtigt sich der Fragen von Leben und Tod. Das wäre ein Thema für Die Linke und für Die Grünen.
In dem Sterbehilfe-Buch von Axel Bauer und mir heißt es in meinem Beitrag Wir sollen sterben wollen auf Seite 63: »Bevor unsere kurzatmige, neue Welt nichts kostet und also auch nichts einbringt, soll sie lieber noch kurzatmiger werden. Das erinnert an das russische Märchen, in welchem die Fee einem Bauern einen Wunsch erfüllen möchte – mit der einzigen Bedingung, dass dieser Wunsch seinem Nachbarn doppelt erfüllt werde. Der Bauer überlegt und sagt: ›Stich mir ein Auge aus.‹ Wir aber, die wir nach Sterbehilfe verlangen, antworten der Fee: ›Stich mir ins Herz‹, damit auch die Frau des Nachbarn ins Grab sinke.«
Die Tatsache, dass ich dem anderen »erlaube zu gehen, wann er will«, erleichtert mich um meine eigene Lebens-und Todesangst, weil ich nun weiß, dass auch ich »gehen darf, wann ich will«. Zu meiner eigenen Beruhigung schicke ich den anderen vor. Das erklärt, warum so viele Leute das Recht auf Sterbehilfe nicht für sich, sondern ganz selbstlos »nur für die anderen« fordern. Die obige Geschichte aus dem Alten Testament wirft ein ähnlich beunruhigendes Licht auf das Abtreibungsproblem. Warum erwartet unser Zeitgeist von Frauen, die aus welchen Gründen auch immer abgetrieben haben, dass sie ganz allgemein »für Abtreibung« sind? Wie kann man überhaupt »für Abtreibung« als alltägliche, jederzeit verfügbare »Problemlösung« sein? Wie konnte aus einer Ausnahme die Regel werden?
Pro Jahr kommt es in Deutschland zu rund 100.000 Abtreibungen. Im Adoptionswesen würde ein quotierter Anteil für gleichgeschlechtliche Paare bei rund 200 Kindern pro Jahr liegen (4.060 Adoptionen gab es im Jahre 2011 insgesamt!). Ein derart lärmender Streit um 200 Kinder, während die fünfhundertfache Zahl von Kindern mit wachsender Selbstverständlichkeit abgetrieben wird? Wir leben wahrlich in seltsamen Verhältnissen. Um auf die verborgene Analogie von Abtreibung und Sterbehilfe hinzuweisen: Welche Frauen beruhigt es in ihrer eigenen Not, wenn sie wissen, dass auch andere abtreiben? Dass sie, wenn andere auch künftig abtreiben, mit ihrer eigenen Abtreibung niemals allein sein werden? Damit kommen wir zurück zu den streitenden Frauen und König Salomo. Dort erträgt es die kinderlose Mutter in ihrer Trauer nicht, dass ihre Nebenfrau ihr Kind noch hat. Der Streit gipfelt darin, dass sie wünscht, dass König Salomo das Kind der anderen töten lasse und lieber keine von beiden ein Kind habe. Auch der böse Geist des russischen Bauern ist in der Geschichte aus dem 3. Buch der Könige mit enthalten. Wer aber fällt heute oder morgen Salomos weises Urteil?
]]>Schauen wir nach Wien. Dort kümmert sich die Grundrechteagentur der EU nicht nur um Homosexuellen-, sondern auch um Kinderrechte. Je mehr Schutz von Kinderrechten, desto mehr Kindesentzug im Falle »ungeeigneter« Eltern. So könnte die Adoptionsrate steigen, während die Geburtenrate weiter fällt. Der Staat verspricht alles Mögliche, was ihm nicht gehört, warum nicht auch Kinder? Die Umverteilung zu Lasten Dritter funktioniert im Namen der Gerechtigkeit wie ein Naturgesetz. Neu wäre nur seine Anwendung auf knappes Humankapital. Jeglicher Widerstand kann als »Homophobie« kampflos besiegt werden.
Wovon sprach die CSU dieser Tage, als sie von der Weitergabe des Lebens hätte sprechen müssen? Vom »Leben mit Kindern«. Da haben wir ihn, wo wir ihn am wenigsten vermuteten, den vorauseilenden Abschied vom genealogischen Prinzip.
]]>Im ersten Nachtrag zur Sterbehilfe vom 9. Januar habe ich geschrieben, dass sie für Arm und Reich attraktiv sei. Das ist in der Tat ein wichtiges Merkmal, denn es macht die Sterbehilfe zugleich attraktiv für die Gerechten unserer Tage. Auch die Homosexualität scheint in weiten Kreisen unter anderem deshalb so beliebt zu sein, weil sie gegen alle Hierarchien und sonstigen Unterschiede indifferent ist. Mindestens schützt sie weitgehend vor dem Vergewaltigungsvorwurf und – so paradox das klingt – sogar vor Abtreibung, insofern es gar nicht erst zur Zeugung kommt. »Beliebt« heißt in diesem Fall, dass die Befürworter der Homosexualität nicht homosexuell sein müssen. Vielleicht sind es Feministen, die da finden, dass die Männer ihre Sexualität unter sich ausmachen sollten (»Boygroup« heißt die enstprechende Kondomwerbung). Vielleicht sind es Männer, denen die Homosexualität der anderen die Konkurrenz um die Frauen erleichtert … Aber wir kommen vom Thema ab.
Zu den sinnfälligsten Kennzeichen der Massendemokratie gehören offenbar Phänomene, die von öffentlich propagierten und geförderten Impulshandlungen leben: Vögeln und Sterben, jetzt und sofort. Selbsteinschläferung und Homosexualität scheinen eine gleichheitssüchtige Gesellschaft der Verwirklichung ihrer Zeile ein wenig näher zu bringen. Im freiwilligen Suizid scheinen Herr und Knecht wirklich versöhnt zu werden. Das ist die gnostische Dimension der Sterbehilfe, mit der der neue, freilich tote Mensch die Ungleichheit an sich selbst und in sich selbst zum Ausgleich bringt. Er gibt den anderen ein Beispiel, dass ihm und ihnen die anstrengende fürsorgliche Pflege (Ungleichheit!) erspart. Sterbehilfe macht als radikal verwirklichte Gleichheit Konjunktur. Das Wasser muss auch bergauf fließen können (Kenneth Minogue).
II.
Die Sterbehilfe versöhnt den Hedonismus mit dem disziplinären Konformismus, was schon für Tocqueville die Pole der demokratischen Grundspannung waren (bei ihm hieß sie »Gleichheit und Despotismus«. Manche glauben doch tatsächlich, dieses Problem gäbe es heute nur in China.) »Hedonismus« bedeutet Reduktion auf niedrigste Triebe und Impulse. »Disziplinärer Konformismus« bedeutet Herrschaft der global ausufernden Hypermoral (Politische Korrektheit). Der Hedonismus unterfordert uns, der Konformismus überfordert uns. Zwischen beiden Kräften entsteht ein Vakuum, das nur durch ständiges Pendeln zwischen der einen und der anderen Daseinsform als unbeträchtlich erlebt werden kann. Beide Daseinsformen münden oft in dieselbe Suchtstruktur, weil die wirkliche Erfüllung ausbleibt. Die Übermutter Wohlfahrtsstaat produziert Sklaven in Form von Süchtigen, die als Eiferer auftreten und die Welt retten wollen, Pendler zwischen Anspruch und Abhängigkeit, zwischen NGO und Swingerclub.
Gehlens Hypermoral finden wir weiterentwickelt zur Hysterisierungsmoral: »Suchtmensch und Spätkultur«. Jetzt darf jeder sich einbilden (ganz gleich, ob Wähler oder Politiker), über sich selbst zu herrschen. Noch einmal Kenneth Minogue: »Jeder Mensch [wird] so sein eigener Phantasie-Despot, der über andere und deren Ressourcen nach Gutdünken verfügt.« (Die demokratische Sklavenmentalität, S. 286) Alle Außenhalte werden abgeräumt, weil sie einerseits zuviel Autorität und Hierarchie beanspruchen und andererseits zuviel Disziplin, Geduld und Gehorsam erfordern. Auch die Hilfsbereitschaft wird fragwürdig. Schenken ist ungerecht! Man wird kalt, darf sich aber als das Exemplar einer neuen Hybridgattung aus Sklave und Übermensch fühlen. »Regulierte Selbstregulierung« heißt das in der Verwaltungssprache. Der Preis: Die früher äußerlichen Unterschiede werden als innere Spannungen wahrhaft unerträglich. Das vermeintlich rettende Angebot gibt es natürlich auch schon. Es heißt Sterbehilfe.
]]>Wir erinnern uns an das Geschwisterpaar aus Zwenkau bei Leipzig, das vier gemeinsame Kinder gezeugt hat und für seine verbotene Liebe von der Wochenzeitung Die Zeit im Jahre 2004 überaus einfühlsam und verständnisvoll porträtiert wurde. Zwei der vier Kinder sind mehrfach behindert und waren damals in ihrer Entwicklung deutlich zurückgeblieben. Aber das macht nichts, denn für Behinderte gibt es die von den Vereinten Nationen geforderte »Inklusion«. Falls sie möchten, haben sie ein Recht darauf, gut aufgehoben zu sein. Falls sie das nicht möchten, haben sie die Möglichkeit, Sterbehilfe zu beanspruchen. Die wird in Deutschland bereits straffrei praktiziert; Euthanasie ist jetzt freiwillig. Der behinderte Nachwuchs kann sich früher oder später (in Holland ab 16 Jahren) zwischen den beiden Möglichkeiten »autonom« entscheiden.
Die radikale Liberalisierung schafft sich ihre künstlichen Probleme selbst und steht der künstlichen Lösung ihrer künstlichen Probleme natürlicherweise nicht im Wege. Sich unter diesen Bedingungen um das Kindeswohl zu sorgen, hieße, Geschwisterliebe zu diskriminieren, wie ja auch die Kritik am Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ohne Rücksicht auf die betroffenen Kinder unter »Homophobie« fällt: »Man munitioniert die Verteilungskämpfe rassistisch und kämpft zugleich gegen den Rassismus; ungefähr so, wie man die Emanzipationsfragen sexualisiert und gegen den Sexismus kämpft; ungefähr so, wie man die Patienten hospitalisiert und gegen den Hospitalismus kämpft, indem man die Patienten einfach umbringt.« (Wir sollen sterben wollen, S. 71)
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