Die Frage, was Akif Pirinçci antreibt, hat es also in sich, denn sie berührt den Kern unseres Selbstverständnisses, sagen wir, als »Menschen in Deutschland«. Was bringt einen 1959 in Istanbul geborenen Mann, der mit neun Jahren nach Deutschland kam und hier ein erfolgreicher Schriftsteller wurde, dazu, den Deutschen vorzuwerfen, daß sie sich auf dekadente Weise von ihren ausländischen Gästen, seinen eigenen Landsleuten, tyrannisieren und terrorisieren ließen? Warum weist er sie mit aller Drastik darauf hin, daß sie, wenn sie so weitermachten, früher oder später einem unerbittlichen evolutionären Programm zum Opfer fallen würden, wonach die vielen jungen Männer aus dem zugezogenen Volk hinsichtlich ihrer Fortpflanzungschancen zu Konkurrenten, Gegnern und Feinden der autochthonen jungen deutschen Männer werden? Einem Programm, das junge, gut organisierte Türken dazu bringe, eben diese Deutschen, sobald sie irgendeine Schwäche erkennen lassen, zu bedrohen, zu verprügeln und zu ermorden. Was treibt ihn dazu, davor zu warnen, daß seine Landsleute früher oder später auch deutsche Frauen vergewaltigen, kurz, daß sie alles Mögliche tun werden, um die autochthone Bevölkerung eines Tages zu dominieren und zu beherrschen, jedenfalls dann, wenn sie niemand aufhält?
Pirinçci beschreibt eine kriegerische Situation. Er versteht weder die fehlende Bereitschaft zur Selbstverteidigung, noch die verlogene deutsche Öffentlichkeit mit ihrem heuchlerischen »Kampf gegen rechts«, noch die lasche, verängstigte Rechtsprechung, und am allerwenigsten versteht er den Verlust des gesunden Menschenverstandes in diesem täglich verrückter werdenden »war on sanitiy«. Der Autor Pirinçci ist ein Phänomen, das die Multikulti-Romantiker nicht auf der Rechnung hatten, denn Pirinçci ist Türke. Sein Zorn ist auf zuweilen respekt- und hemmungslose Weise frei von Selbstzweifeln. Es ist der Zorn eines Mannes, der, und das ist das Entscheidende, lange genug in Deutschland lebt, um sich noch an die Zeit erinnern zu können, da »Integration« kein milliardenteures Subventionsgrab zur Einschüchterung und Gängelung der einheimischen Bevölkerung war, sondern eine gesellschaftliche Realität, die keinen einzigen Cent kostete.
O-Ton Pirincci, aus seinem Anfang April erscheinenden Buch:
1969 sind meine Eltern mit uns Kindern und einem Pappkoffer in der Hand in dieses Land gekommen. Die Türkei bot uns nichts, keine Chance, keine erste und keine zweite, einfach gar nichts. Wir waren so arm, daß wir uns am Ende nicht einmal mehr Holz oder Kohle zum Heizen für den Winter leisten konnten. Wir empfanden es als ein unfaßbares Geschenk, daß Deutschland uns aufnahm. Hätte man uns gebeten, wir hätten ihm auf den Knien gedankt. Aber das tat man nicht. Man gab uns nur zu verstehen: Arbeitet, geht zur Schule, macht etwas aus eurem Leben, ihr seid uns nichts schuldig, außer vielleicht, daß ihr ein produktiver, kreativer und bereichernder Teil dieses Landes werdet und hier sogar Wurzeln schlagt, wenn es euch gefällt. Meine Eltern waren keinen einzigen Tag ihres deutschen Berufslebens arbeitslos; daß der Staat Sozialhilfe an Leute auszahlt, die einfach gar nichts tun, erfuhren sie erst Mitte der achtziger Jahre, als sie längst wieder in die Türkei zurückgekehrt waren und dort ihren Lebensabend genossen.
Soweit das aufschlußreiche Zitat aus dem zweiten Kapitel, das die Überschrift trägt: »Der Islam gehört zu Deutschland wie die Reeperbahn nach Mekka«. In diesen Tagen teilt die BZ übrigens mit, daß laut Berliner Senat 35.735 EU-Bürger allein in Berlin von Sozialhilfe leben. Dazu ein zweites Zitat aus Deutschland von Sinnen und zwar aus dem dritten Kapitel, in dem es um den Niedergang des Mittelstandes und um seine drückende Steuerlast geht:
Was die Rechtsprechung vor Gericht angeht, mein Freund, erzähl doch mal einem deutschen Richter, daß du 35 Jahre lang brav deine Steuern und Abgaben bezahlt hättest, daß diese sich inzwischen auf ungefähr 350 000 Euro summiert haben müßten, wenn nicht noch mehr, daß du arbeitslos geworden bist und in deinem Alter auch nicht mehr so leicht Arbeit findest, und daß du es mit Recht und Gesetz nicht vereinbaren könntest, deine noch nicht abbezahlte Eigentumswohnung verkaufen zu müssen, um auch nur einen müden Euro vom Staat zurückzubekommen, während dein Nachbar Einbezahlt-was-ist-das?-Abdullah aus Marokko und seine zwei Ehefrauen mit sechs Kindern sich von Stütze made in Germany schon ihr zweites Haus in ihrem wunderschönen Heimatland bauen. Daß der Richter dich dann nicht auslacht, ist auch alles! Oder erzähl doch mal dem Ordnungsamt, daß es etwas gegen die auf dem Schulweg deiner Tochter und im Stadtpark Spalier stehenden schwarzen Drogendealer unternehmen soll. Vielleicht hast du Glück. Dann bekommst du nur eine Geldstrafe wegen Rassismus, und die Psychopathen von der Antifa sehen davon ab, dein Auto abzufackeln.
Die politisch unkorrekten Positionen dieses Autors wird man über kurz oder lang, soweit es nicht schon geschieht, als »rechtsradikal« oder, um ein von einem bekannten Journalisten kürzlich verwendetes Wort zu zitieren, als »eklig« abtun wollen. Aber das ist ihm egal. Vor allem werden damit nicht die zugrunde liegenden Probleme erledigt. Man hätte bloß einmal mehr das Thermometer zerschlagen, das die wahre Temperatur anzeigt. Natürlich liegt es nahe, den politisch unkorrekten Positionen dieses Autors eine entsprechende politische Motivation zu unterstellen. Auch wenn das insbesondere jene tun werden, denen es nicht paßt, daß er so viele unangenehme Wahrheiten auf einmal ausspricht, wäre das bestenfalls ein Zirkelschluß. Was also treibt einen erfolgreichen Krimiautor wie Akif Pirinçci dazu, ein derart provozierendes Buch zu schreiben? Zunächst ist Pirinçci weder gegen die Türken noch gegen die Deutschen, er ist weder gegen die Ausländer, noch gegen die Einheimischen, und gegen Zuwanderung ist er natürlich auch nicht. Er ist nur dafür, daß jeder sein eigenes Geld verdient und der Staat dafür sorgt, daß sich die Leute nicht die Köpfe einschlagen. Das galt vor kurzem noch als selbstverständlich.
Die Antwort liefert die zitierte Passage über seine Kindheit, in der es um die Erinnerung an ein Deutschland geht, das Akif Pirinçci wie vermutlich sehr viele Türken seiner Generation tiefer beeindruckt haben könnte als seine damaligen deutschen Zeit- und Altersgenossen (soweit dieser Vergleich überhaupt möglich ist), und das es, so seine Sorge, womöglich bald nicht mehr gibt. Es geht um die Enttäuschung eines Türken darüber, daß die Deutschen nicht mehr sie selbst sein wollen und daß sie ihm (sie ihm!), dem Zugereisten, seine Heimat wegnehmen, daß sie ihn aus dem Land seiner Kindheit vertreiben. Ein Türke, deutscher als die Deutschen, will nicht zum Heimatvertriebenen werden.
Der Fall erinnert an die assimilierten deutschnationalen Berliner Juden in den Jahrzehnten vor dem Holocaust, die mit den nachrückenden Ostjuden nicht in einen Topf geworfen werden wollten. Ja klar, und nun, mit dieser unstatthaften Analogie, ist das Maß endgültig voll. Mir persönlich ist das aber genauso egal wie es Pirinçci egal ist, was man über ihn denkt. Unsere Politiker, unsere Tugendwächter und unsere Medienideologen werden sich daran gewöhnen müssen, daß die bundesdeutsche »Vielfalt« die eine oder andere Überraschung für sie bereithält, daß es Leute gibt, die nach Deutschland kommen und in Deutschland bleiben wollen, weil es sich um Deutschland handelt und nicht um Anatolien, Syrien oder um irgendein postmodern-namenlos-selbstvergessenes Territorium in Europa oder irgendwo sonst in der großen weiten Welt. Pirinçci ist der lebende Beweis dafür, daß es ein unverwechselbares türkisches Temperament gibt. Es könnte deutscher sein als das deutsche.
]]>Es ist ein Krieg gegen das eigene Volk ausgebrochen, und ohne daß auch nur ein einziger Schuß fallen müßte, soll er mit unserem Untergang enden. Der Aggressor, das sind unsere eigenen Eliten in Politik und Medien. Wir wissen nicht, wer sie steuert, das können wir nur vermuten, aber daß sie gesteuert werden, ist am Ausmaß ihrer Gleichschaltung zu erkennen. Ob sie selbst daran glauben, das Richtige zu tun, wissen wir nicht. Jedenfalls versuchen sie nicht einmal zu heucheln, denn das würden wir merken. Sie lassen keine Selbstzweifel erkennen, und sie geben uns keinen noch so diskreten Hinweis darauf, daß sie etwas anderes dächten als sie sagen. Wenn sie das täten, gäbe es wenigstens einen Grund, unter veränderten »Rahmenbedingungen« auf einen »Politikwechsel« zu hoffen. Der ist nicht in Sicht, und die Temperatur steigt. Zuwanderungspolitik, Familienpolitik und Gleichstellungspolitik scheinen verschiedene Themen zu sein. Aber sie haben eine gemeinsame Wirkung. Diese Wirkung besteht darin besteht, daß die Deutschen ungefähr im Jahr 2035 zur Minderheit im eigenen Land werden. Vielleicht auch schon früher. Unser Bundespräsident teilte uns jetzt aus der Ferne mit, daß er das ganz prima findet, das Motto »Inder statt Kinder« hat er in dem betreffenden Land wiederbelebt. Er bietet mecklenburgische Erde wie Sauerbier an. Es ist aber nicht irgendeine Entwicklung, die wir da erleben, es ist die Folge eines Krieges, dessen Opfer wir, das heißt, unsere nicht zu gebärenden Nachfahren sind. Noch schwimmen wir tief unten in einem kühlen Brunnen, aber dieser Brunnen wurde bereits modernisiert wie alles andere im guten, alten Deutschland auch. Mikrowellen heizen das Wasser, bis es kocht. Das Experiment heißt »Endlösung Deutschland«. Zu seinen treibenden Kräften gehört die Frankfurter Juristin Ute Sacksofsky. Sie findet, daß wir, die Badenden, es nicht besser verdient haben. Sie selbst sitzt wohl irgendwo im Trocknen.
I.
»Ihr Kinderlein kommet – Bevölkerungspolitik als Staatsaufgabe«, so heißt ihre Rechtskolumne vom Juni 2013 im Merkur Nr. 769. Unseren längst geschwächten kollektiven Selbsterhaltungstrieb, soweit er überhaupt noch vorhanden ist, erklärt unsere Professorin kurzerhand für »nationalistisch«. Die Steigerung der Geburtenrate ist nach ihrer Meinung »kein legitimes staatliches Ziel«, dafür aber die kostentreibende Gleichbehandlung von allen möglichen Sonderlebensförmchen, die neuerdings ebenfalls »Familie« heißen sollen, auch wenn sie nie eine werden, weil ihnen die Zeugung von Kindern natürlicherweise verwehrt bleibt. Unser demographisches Problem hält Frau Professor wahlweise für unerheblich oder für begrüßenswert. Dabei genießt sie persönlich das Glück, überhaupt geboren worden zu sein, zu einer Zeit, da es den von ihr geforderten Verzicht auf ein staatliches Interesse an Neugeborenen noch nicht gab. Also nach ihr die Sintflut.
Die sogenannte Gleichbehandlung von offensichtlich Ungleichem erklärt Frau Professor nicht nur für geboten, sondern für zwingend. Warum, das sagt sie uns ganz offen, und dabei spielen irgendwelche gleich zu berechtigenden Gruppen plötzlich gar keine Rolle mehr. Die Berufung auf sie ist nur das Mittel zum abgründigen Zweck: »Gehen wir davon aus, dass es um die Weitergabe deutschen Erbgutes nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr gehen kann [wegen der Kollektivschuld, denkt sich wohl unsere Anhängerin des Morgenthau-Plans, A.L.]: Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn die Deutschen aussterben sollten (was ohnedies noch ein paar Jahrhunderte dauern dürfte)? Das Territorium, auf dem sich derzeit [!] Deutschland befindet, könnte der Natur zurückgegeben oder (das ist wahrscheinlicher) von anderen Menschen besiedelt werden.«
Damit nicht genug. Wenige Zeilen später folgt ein biopolitischer Arschtritt aus den Tiefen des Führerbunkers, der an Zynismus nicht zu überbieten ist: »Wenn es diese deutsche Kultur nicht schafft, das Leben der kommenden Generationen mitzuprägen, dann muss sie wohl kaum unter Artenschutz gestellt werden.« Und damit die deutsche Kultur ihre Bewährungsprobe auch wirklich nicht besteht, betreibt Frau Professor ihre spezielle Form der Familienpolitik, in der sie unentwegt mit dem Gleichheitsgrundsatz herumwedelt, um alles zu unterstützen, was nicht nach traditioneller Familie – vulgo Kindern – aussieht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist natürlich nur ein leicht zu durchschauender Vorwand. Um ihn geht es letztlich gar nicht.
Das destruktive Ziel besteht einzig und allein darin, eine positive Bevölkerungspolitik zu unterbinden. Kinder müssen der Frau Professor ein riesiger Dorn im Auge sein, denn deren Eltern kassieren ja Geld vom Staat dafür, daß sie Kinder haben, wie die Autorin nicht müde wird, sich seitenlang zu empören, indem sie jeden Euro Familienförderung einzeln aufzählt. Der Neid spritzt ihr nur so aus der Feder. Nähme man ihr Argument ernst, daß der Staat aus Gründen seiner weltanschaulichen Neutralität keine Geburtenförderung betreiben dürfte, könnte man ebenso gut eine weltanschauliche Neutralität in Fragen der persönlichen Lebenserhaltung konstruieren und fordern, daß Leute, die essen, und Leute, die nicht essen, in keiner Weise manipuliert werden dürften, auch nicht in die Richtung, die ihnen das nackte Leben retten würde: »Wenn du es nicht schaffst, dich zu erhalten, verreckst du halt, und deine Sippe am besten gleich mit. Artenschutz gibt’s nicht! Pech gehabt!«
Was im Einzelfall absurd klingt, weil es die Therapie von Bulimie unterbinden würde, wird von Frau Professor für das deutsche Kollektiv sogar mit Kant begründet und als ganz vernünftig ausgegeben: »Der Mensch soll niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandelt werden«, schreibt sie und hat, kaum daß der Satz beendet ist, das Wörtchen »zugleich« auch schon wieder vergessen. Sie tut so, als ginge es dem Staat nur um den Menschen als profanes Mittel seines Selbsterhalts, und das findet sie einfach degoutant, wobei sie vergißt, daß auch der Staat aus Menschen besteht – was nichts anderes bedeutet, als daß Frau Professor Menschen degoutant findet, die sich fortpflanzen und erhalten wollen. Jedenfalls, wenn sie das als Angehörige eines Kollektivs namens Deutsche wollen und im Interesse eines deutschen Staates und wenn der ihnen dafür auch noch Geld gibt. Ganz zu schweigen davon, daß auch ein Mensch, der ursprünglich als bloßes Mittel gedacht gewesen wäre (weil die Firma halt einen Erben braucht), spätestens ab dem Zeitpunkt seiner Zeugung unantastbarer »Zweck an sich« ist.
Aber mit der Natalität hat es unsere Frankfurter Juristin nun mal nicht. Daß sie persönlich kein Interesse daran hat, ist ihre Sache, aber daß sie die Öffentlichkeit mit ihrer penetranten Lebensfeindlichkeit manipuliert, damit ein paar Frauen mehr durch die fiktive »gläserne Decke« schießen, geht entschieden zu weit. Gegen Abtreibung zum Beispiel hat Frau Professor, soweit ich sehe, noch nicht das Wort erhoben, jedenfalls nicht im feinen Merkur, obwohl doch dies nun wirklich das Beispiel für eine Tat wäre, bei der es um nichts anderes als eine brutale Zweck-Mittel-Relation geht. Aber hier wird das Kind nicht geboren, und das ist nach Frau Sacksofsky ja nur zu begrüßen. Wenn es darum geht, daß ein Kind nicht geboren wird, darf die kühle Zweck-Mittel-Relation Anwendung finden; wenn es aber darum geht, daß es geboren wird, ist sie nicht erlaubt. Das liegt an der Neutralität des Staates, wir haben verstanden. Und an der Gleichheit von Leben und Tod (genauer gesagt, von Leben und Nicht-Leben), aus der der Tod (genauer gesagt, das Nicht-Leben) bekanntlich als Sieger hervorgeht und in diesem Fall auch hervorgehen soll. Diese dämonische Lebensfeindlichkeit drapiert Frau Professor mit einer zwar hübschen, aber verlogenen Zurückhaltung: »Familie ist der Ort, in dem gesellschaftliche Nützlichkeitserwägungen keinen Platz haben sollten.« Der Satz ist sogar mit Einschränkung richtig, aber hier geht es nicht darum, was in der Familie passiert, sondern außerhalb ihrer, nämlich auf Seiten des Staates.
Mit einem derartigen, nun ja, ich muß es leider sagen, menschverachtenden Müll wird unsere Frau Professor sogar als Gutachterin im Bundestag gehört und darf dort erklären, daß das Betreuungsgeld dem Gleichheitsgrundsatz widerspräche. Nicht etwa, weil es den Zweck, für den es gemacht wurde, verfehle, sondern den, den Frau Sacksofsky seiner Nichtgewährung höchstpersönlich zuschreiben möchte, nämlich, die Frauen weg vom bequemen Herd ins Berufsleben hinauszutreiben, wo sie bekanntlich allesamt hingehören, seit sie von den Männern nichts mehr unterscheidet (ist da schon wieder Neid auf ein häusliches Leben im Spiel?). Für den Fall einer womöglich »rückwärtsgewandten«, »allein an der Steigerung der Geburtenrate orientierten Politik« (wieso »allein«?) prophezeit die Juristin das Eintreten von »Horrorszenarien«. Aha, dann kommt also Bomber-Harris wieder über den Kanal geflogen und haut alles kurz und klein. So etwa?
II.
Statt uns zu erklären, warum die Zeugung von Kindern auf einmal so gefährlich ist, hat Frau Professor eine weitere Kolumne verfertigt und ebenfalls im Merkur veröffentlicht. Dort äußert sie sich in der neuesten Nummer (777) zum »Märchen vom Untergang der Familie«. Einerseits handelt es sich bei der Rede vom Untergang der Familie also um ein Märchen, andererseits aber ist dieses Märchen doch keines, denn »die Monokultur der auf Ehe gegründeten Familie ist ausgestorben«, schreibt sie, »und kein Staatsrechtslehrer wird sie wiedererwecken können.« Natürlich weiß sie, daß es eine Monokultur in Sachen Familie noch nie gegeben hat. Sie muß aber ihren Gegnern die totalitäre Phantasie unterschieben, es hätte sie gegeben und sie ließe sich auch wiederbeleben. Erstens, damit die Autorin nicht selbst als totalitär dasteht, und zweitens, damit die große, polierte Vase namens Monokultur, gemeint ist aber die Familie, möglichst laut auf dem Boden zerschellt. Hier spritzt ihr zwar einmal nicht der Neid, dafür aber die merkwürdige Zufriedenheit über eine Entwicklung aus der Feder, die normale Leute mindestens bedauernswert finden.
Dazu paßt es, daß sie den tausendmal betonten Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber sozusagen alten und neuen »Familien« an keiner Stelle inhaltlich füllt. Das gehört zur Strategie, denn die substantielle Ungleichheit dessen, was gleich behandelt werden soll, darf gar nicht erst auffallen. Wo es darauf ankäme, den Unterschied kenntlich zu machen, weil es um Kinder und Jugendliche geht, die in Europa bislang zu 72 Prozent glücklicherweise immer noch mit Mama und Papa aufwachsen, werden wir mit leeren Worten abgespeist. Aber bevor wir abgespeist werden, werden wir getäuscht. Die Autorin sagt nichts gegen den falschen und von ihr vermutlich gewünschten Leseeindruck, daß jenes Drittel Kinder, das außerhalb der Ehe geboren wird, von vornherein bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen würde.
Wie es wirklich ist, das interessiert Frau Professor nicht. Und deshalb soll es auch alle anderen nicht mehr interessieren. Das öffentliche Interesse an der auf Ehe gegründeten Familie sei »nicht offensichtlich«, behauptet sie mit einer erstaunlichen Grausamkeit gegen Kinder, die natürlich und grundsätzlich viel lieber bei ihren eigenen, biologischen Eltern aufwachsen. Ob die Kinder »in einer für sie förderlichen Umgebung« aufwachsen (von eigenen Eltern ist nicht die Rede), das hänge »eben nicht an der ›Form‹, in der die Eltern zusammenleben, sondern an den gelebten Inhalten.« Man ahnt, welche Inhalte dazugehören und welche nicht. Möglichst frühe Einführung in die Welt der Darkrooms – ja; Hochzeit von Mann und Frau auf dem womöglich katholischen Dorf – nein. Und dann die »Form«, in der die Eltern zusammenleben. Als ob es nicht zunächst darum geht, daß sie überhaupt zusammenleben. Aber nein, darum geht es der Frau Professor nicht. Da sie es schon nicht mit Kindern hat, hat sie es auch nicht mit dem wünschenswerten Zustand, daß deren Eltern sich zum Wohle ihres Nachwuchses möglichst lieben und vertragen. Schlimmer noch. Es geht ihr nicht nur nicht darum, daß möglichst viele Kinder in den Genuß einer stabilen elterlichen Beziehung kommen. Sie ist sogar dagegen, denn das würde ja die traditionelle Familien-»Monokultur« stärken. Das führt zu einer absurden Konsequenz. Gleichbehandlung und Gleichstellung führen früher oder später zu dem absurden, gedanklichen Kurzschluß, daß es mindestens gleich viele hetero- und homosexuelle »Eltern« geben müsste. Als ob etwas, was nicht wünschenswert ist, sondern allenfalls toleriert werden kann, doch noch wünschenswert wird, sobald es nur genug davon gibt.
Das Recht der Kinder auf ihre eigenen Eltern ist der Preis, den diese schöne neue Welt der Gleichheit kosten darf und kosten soll. Frau Sacksofsky zahlt ihn gern – auf Kosten fremder Wehrloser, deren Mutter sie jedenfalls nicht ist. Gewiß, im strengen Sinn gibt es kein »Recht auf Eltern«, weil auch hier das Schicksal jederzeit dazwischenfunken kann. Im übertragenen Sinn gibt es dieses Recht aber eben doch. Die Erfüllung des natürlichen, menschengemäßen Grundbedürfnisses auf Liebe durch die eigenen Eltern kann zwar, aus welchen Gründen auch immer, beeinträchtigt werden. Aber ein solches Unglück gibt uns nicht das Recht zu einer Kulissenschieberei, bei der die Substanz (eigene Mama, eigener Papa) zur bloßen »Form«-Frage herabgewürdigt und durch beliebige »Inhalte« ersetzt wird. Denn das ist totalitär. Als Stalins Sekretär eines Tages den Namen seiner Frau auf den Todeslisten fand, beruhigte der Chef seinen Mitarbeiter mit den Worten, es werde schon alles gut. Als der Sekretär am Abend nach Hause kam, öffnete eine neue, ihm unbekannte Frau die Tür. Diese Form der Grausamkeit finden wir auch in dem neuen Essay von Frau Sacksofsky, in dem die Frage tunlichst vermieden wird, wie in ihren neuen »Familien«-Formen die beiden leiblichen Elternteile vorkommen, von denen mindestens eins willkürlich durch den gleichgeschlechtlichen »Lebenspartner« ersetzt werden können soll. Was zur Folge hat, daß diese Elternteile von vornherein danach ausgewählt werden, ob sie später Ansprüche auf eine Beziehung zum Kind erheben oder nicht.
Sacksofskys Argumente zielen darauf ab, unveränderliche Naturrechtspositionen abzuräumen, als ob sie spätestens seit den fünfziger Jahren überflüssig wären – seit Kinder, wie alles andere auch, bekanntlich aus der Steckdose kommen. Sie behauptet sogar, der Wertewandel wäre dem Verfassungsrecht als Diskriminierungsverbot »dogmatisch eingeschrieben« und ziele auf »gleiche Anerkennung« in immer neuen Problemfällen ab. Sie verschweigt nur leider, daß dabei die wichtigste Gleichheit unter den Tisch fällt: daß alle Kinder eine eigene Mama und einen eigenen Papa haben, ganz gleich, von wem und aus welchen Gründen sie wie gezeugt wurden. Niemand anderes als Frau Professor selbst macht mit ihrer verrückten Argumentation den Menschen zum bloßen Mittel: die Kinder nämlich, um deren Schicksal sie sich einen Dreck schert und denen man beliebige Lebensumstände aufdrücken kann, die zufällig im Interesse irgendwelcher sexueller Randgruppen liegen. In was für einer Dekadenz leben wir, daß solche Phantasien auf Staatskosten gezüchtet und verbreitet werden dürfen? Daß wir uns unmöglich machen vor dem großen Rest der Welt, der zum Glück nach wie vor anders tickt, und nicht nur in Rußland?
III.
In ihrem erfolgreichen Buch Das Drama des begabten Kindes erklärt die Autorin und Psychoanalytikerin Alice Miller den rapiden Zuwachs von Depressionen in unserer Zeit damit, daß das Leben in mehreren, gleichzeitig existierenden Wertesystemen enorm erschwert wird. Der Halt im eigenen Selbst, und das heißt bei Miller, der lebensnotwendige Zugang zu den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen, die Fähigkeit, sie zu artikulieren, wird immer schwieriger. Früher, in abgeschirmten Wertesystemen, half der Zusammenhalt der Gruppe mit. Wenn heute dem Menschen der Halt im eigenen Selbst versagt bleibt, droht die Depression, und das oft lebenslang. Und wo bleibt nach Alice Miller dem Menschen wohl der Zugang zu sich selbst am häufigsten versagt? In narzißtischen Verhältnissen, wo ein Elternteil oder beide vor allem auf sich selbst und ihre eigene Triebbefriedigung bezogen sind und nicht auf das Kind. Wo das Kind von klein auf lernt, seine eigenen Triebe und Bedürfnisse zugunsten der Eltern zurückzustellen, wie zum Beispiel das Bedürfnis nach seinem zweiten Elternteil …
In Zeiten der äußeren und inneren Pluralisierung, der Zunahme globaler Einflüsse und der Vervielfältigung unserer Lebenswelten käme es erst recht darauf an, die daraus entstehenden Zumutungen zu kompensieren. Und zwar durch das beste Mittel, das es gibt. Das ist eine liebevolle Kindheit mit stabilen Beziehungen möglichst zu den eigenen Eltern, die ausreichend Zeit haben, die Bedürfnisse der Kinder vollauf zu befriedigen (in den frühen Jahren sollte das die Mutter tun), so daß das Kind für sein Leben lang »satt« ist und sich derart gestärkt allen kommenden Herausforderungen stellen kann. Anders geht es bekanntlich nicht. Es ist verrückt, diese Notwendigkeit völlig zu ignorieren und ein lebenslang anhaltendes seelisches Massenelend heraufzubeschwören, welches aus dem »Recht auf Anerkennung« neuer, ungleicher »Familien«-Formen folgen würde. Dieses Recht gibt es nicht, denn Anerkennung »gehört zur Selbstdarstellung der anderen«, wie der Rechtsphilosoph Gerd Roellecke betont hat. Und wie man nicht oft genug wiederholen kann.
Die geforderte »Gleichbehandlung« hat, wie alles, ihren Preis, hier in Form einer dramatischen und verschwiegenen, künstlich erzeugten Ungleichheit. Menschen, die auf eine glückliche Kindheit mit eigenen, nicht narzißtisch auf das gleiche Geschlecht fixierten Eltern zurückblicken können, haben gute Chancen, einigermaßen entspannt auf der Siegerstraße durchs Leben zu fahren. Das weiß und beachtet jeder kluge Personalberater bei seiner Kandidatenauswahl, indem er wie nebenbei den Bewerber nach der Intaktheit seiner Herkunftsfamilie fragt. Die anderen, die schon in den ersten drei Lebensjahren Pech hatten und es nie auf die Siegerstraße schaffen, werden sich künftig bei Leuten wie Frau Professor Sacksofsky bedanken dürfen, die ihren morbiden Gleichheitsterror mindestens solange betreiben würde, bis die Deutschen ausgestorben sind oder nur noch aus seelischen Krüppeln bestehen. Diese biopolitische Grausamkeit, erdacht ausgerechnet von einer Frau, wird uns deshalb so kritiklos präsentiert, weil es sich bei den Opfern ja »nur« um Deutsche handelt, die ihren Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Völkern dieser Erde bekanntlich verwirkt haben. Vor lauter Eifer merkt Frau Sacksofsky gar nicht, daß wir den Artenschutz, den sie uns verwehren möchte, überhaupt nicht brauchen, besser gesagt, daß man einen Artenschutz für Deutsche nur dann ablehnen kann, wenn man der Meinung ist, irgendjemand hätte die Macht, ihn zu gewähren oder zu verweigern.
Mir persönlich ist diese Sichtweise neu. Ich wüßte nicht, wer eine solche Macht oder ein solches Recht besäße. Vor allem dachte ich immer, daß die Menschenrechte so eine Art Artenschutz wären, die, so verstehe ich Frau Sacksofsky, für uns Deutsche plötzlich nicht mehr zu gelten brauchen. Ich kannte den Artenschutz ganzer Völker bzw. seine Verweigerung bislang nur in der Form, daß zum Beispiel die Nazis den Juden, Polen und wem sonst noch alles den »Artenschutz« absprachen, um den sie niemand gebeten hatte …
Daß Frau Sacksofsky Karriere macht, während sie uns einen Artenschutz abspricht, um den wir sie nicht gebeten haben, verheißt nichts Gutes. Man muß sich nur antifaschistisch und antinationalistisch genug gebärden, damit die Vereinigung mit dem bekämpften Gegenteil sich unbemerkt vollziehen kann – unbemerkt und zugleich vor aller Augen. Auch der Führer war der Meinung, daß unsere Tage zu Recht gezählt seien.
]]>Am Anfang stand die Frage, wie ich die Weihnachtszeit verbracht hätte. Binnen 32 Sekunden förderte das Gespräch an einem der zurückliegenden Festtagsabende die überraschend kritische Haltung meines Gesprächspartners gegenüber der katholischen Kirche zutage. Diese Haltung war zwar alles andere als originell, wurde aber mit umso größerem subjektivem Nachdruck vorgetragen. Natürlich war der alleinlebende Mann in mittleren Jahren längst aus der Kirche ausgetreten. Sie gehe nicht mehr mit der Zeit, erklärte er, und entferne sich zu weit von der wirklichen Welt. Mein Hinweis, es sei auch gar nicht die Aufgabe der Kirche, sich der Welt anzupassen, sondern zu verkünden, daß es erstens außer dieser Welt noch eine andere gebe und daß zweitens diese Welt anders sein könne als sie ist, sobald die Menschen sich nur ein wenig anstrengten, anders zu werden, als sie sind – dieser Hinweis wurde nicht so recht gehört.
Es stellte sich heraus, daß der Bruder meines Gesprächspartners in einer homosexuellen Verbindung lebt. Mein Gesprächspartner vertrat die Ansicht (wiederum mit großem subjektivem Nachdruck, als ob er diese These erfunden hätte), auch das sei Familie. Damit steuerte unser kurzer Wortwechsel auf seinen Höhepunkt zu, denn ich widersprach. Familie, sagte ich, sei an die unauflösliche Verbindung von Vater und Mutter gebunden sowie an die Weitergabe des Lebens, vorzugsweise des eigenen Lebens. Alles andere komme zwar im Leben und in der Welt bekanntermaßen vor, verdiene aber nicht dieselbe begriffliche Bezeichnung und auch nicht dasselbe Ansehen. Mit diesen Differenzierungen würden keineswegs die Leute selbst mißachtet oder diskriminiert, die aus weiß der Himmel was für Gründen und mit wer weiß was für Wunsch- und Sehnsuchtsvorstellungen anders lebten als die traditionelle Familie. Das Problem seien grundsätzlich nicht »die Menschen«, die frei geschaffen sind zu tun und zu lassen, was ihnen in den Sinn kommt. Nein, das Problem sei allein die Umwertung aller Werte, die neue Normierung, die uns etwas als gleich verkaufen wolle, was nicht gleich sei. Wenn etwas als gleich verkauft würde, was nicht gleich sei, so sagte ich, zahle jemand anders den Preis, in diesem Fall die Kinder. Es gebe keine neue Gleichheit ohne neue Ungleichheit.
Mein Gesprächspartner hatte natürlich auch die Adoption durch homosexuelle Paare befürwortet. Ich entgegnete, die Gleichheit beim Adoptionsrecht und mehr noch die Inanspruchnahme der künstlichen Befruchtung durch homosexuelle Paare führten zu einer dramatischen Ungleichheit bei Kindern, nämlich zwischen solchen, die noch mit ihren natürlichen (richtigen) Eltern aufwachsen, und solchen, die nur mit einem von beiden Elternteilen leben dürfen. Früher sei so etwas vorgekommen, jetzt müsse man es zum Wohle homosexueller »Eltern« (genauer, zum Wohle des einen homosexuellen Elternteils und seines Partners) wollen. Das stelle die natürliche und sinnvolle Ordnung des Lebens schlichtweg auf den Kopf. Hier werde ein noch nie dagewesenes »Recht auf Kinder« damit bezahlt, daß die Kinder das Recht auf ihre eigenen Eltern verlieren. Das erkenne man daran, daß in der Berichterstattung über homosexuelle »Eltern« nie danach gefragt werde, wo das zweite natürliche Elternteil bleibt und ob das Kind großzügigerweise in den Genuß der Anwesenheit und womöglich der Liebe beider Eltern kommen dürfe oder nicht. Meistens dürfe es das offenbar nicht, und meistens störe das offenbar auch kaum noch jemanden, während es noch bis vor kurzem als ein großes Unglück gegolten habe, wenn Kinder durch Tod oder Scheidung zu Halbweisen oder zu Scheidungshalbweisen wurden.
Die regelmäßigen Leser dieses Blogs werden meine Argumente kennen. Für mein Gegenüber war die Sache aber ganz einfach. Kinder brauchen ihre natürlichen Eltern gar nicht, diese Rolle könnten auch andere übernehmen. (Ich habe es kaum glauben wollen, wie schnell der öffentlich verkündete Müll zutiefst geglaubt und weitergetragen wird.) Alle anderslautenden Studien würden ja von interessierter Seite lanciert. Ich hatte keine Chance. Erstens schlug es mir zum Nachteil aus, daß ich in mehrfacher Hinsicht eine intime, erfahrungsgesättigte Kenntnis des zur Debatte stehenden Problems für mich reklamierte. Zweitens wurde meine Position, obwohl mein gegenüber mir eine argumentative Überlegenheit zugestand, als» radikal« verworfen. »Rein emotional« wisse er, so der Mann, daß er Recht habe. Dann wurden wir zu Tisch gebeten und kamen nicht mehr in die Verlegenheit, das Gespräch fortzusetzen. Die Aggressivität des Relativismus ist offenbar mit keinem Argument zu bremsen. Im Gegenteil, das Eingeständnis der argumentativen Unterlegenheit ging mit dem Entschluß einher, bestimmte Rücksichten aufzugeben und zwar insbesondere die auf irgendwelche »komischen Erfahrungen« des anderen Menschen.
Was hat das nun mit meiner Überschrift zu tun? Ich muß leider noch einen Umweg machen. Die AOK Nordost wirbt seit einiger Zeit mit dem Spruch WIR WOLLEN SIE SO, WIE SIE SIND. Die dazugehörigen Abbildungen zeigen, daß die AOK alle möglichen Leute, seien sie dick oder dünn, Bart- oder Glatzenträger, tätowiert oder nicht tätowiert, schwul oder nicht schwul, allein oder nicht allein lebend, so will, wie sie sind, nämlich dick oder dünn, als Bart- oder Glatzenträger, tätowiert oder nicht tätowiert, schwul oder nicht schwul, allein oder nicht allein lebend. Wenn ich auf dem U-Bahnsteig vor diesen Plakaten stehe, weiß ich aber nicht, ob die AOK Leute wie mich meint, die auf die U-Bahn warten und sich überlegen, was an diesem dämlichen Plakat nicht stimmt, oder ob sie von irgendwelchen Dritten spricht, die gerade gar nicht da sind, aber vermutlich auch noch irgendwo in Berlin leben. Kurz, man weiß nicht, ab es »sie« (= »die da« bzw. »siehe Abbildung«) heißen soll oder »Sie« (Du). Im ersten Fall, so schließe ich, erklärt die AOK der solidarischen Sozialversicherungsgemeinschaft, daß die Leute auf den Fotos machen dürfen, was sie wollen, und daß es der AOK scheißegal ist, wie es ihnen dabei geht und welche Folgeprobleme aus dem jeweiligen Sosein entstehen. Im zweiten Fall, so schließe ich, ist es der AOK scheißegal, wie es den Leuten geht, die vor dem Plakat stehen und entweder AOK-Mitglieder sind oder es noch werden sollen. »Du bist krank? Macht nichts, wir nehmen Dich so, wie Du bist!« Ich verstehe dieses Plakat als eine pauschale Kündigung der AOK, die mit dieser Parole aus der Solidargemeinschaft austritt und die Versicherten (die heutigen und die neu geworbenen) sich selbst überläßt: »Sie sind todkrank? Sie treiben Raubbau mit sich selbst und ihren Nächsten? Macht nichts, wir wollen, daß das so bleibt, weil uns auf diese Weise die geringsten Kosten und vor allem keinerlei mühsame Verantwortlichkeiten entstehen, denn die haben wir leider bei der Werbeagentur vergessen, die uns für viel Geld dieses schicke Kampagne geliefert hat.« Die AOK war einmal.
In Robert Spaemanns Aufsatz »Antinomien der Liebe« findet sich ein in diesem Zusammenhang wichtiger Hinweis: »Jemanden akzeptieren, wie er ist, ist die äußerste Form der Resignation.« Das klingt provokant. Ist nicht gerade das Gegenteil Ausdruck von Liebe, jemanden in seinem Sosein zu akzeptieren und anzunehmen? Wird wahre Liebe nicht grundlos geschenkt? Engelbert Recktenwald, Mitglied der Priesterbruderschaft St. Petrus, löste den Widerspruch dieser Tage mit einem höchst orientierenden Begriffspaar auf. Er unterschied zwischen »Wohlwollen« und »Wohlgefälligkeit«. Dahinter ist unschwer die augustinische Forderung zu erkennen, die Sünde zu hassen und den Sünder zu lieben. Der gute Arzt muß zugleich ein Pädagoge sein, der den Kranken eben nicht in seinem Sosein akzeptiert, weder in seinem Kranksein noch in seiner womöglich krankheitsbedingten Lethargie. Vielmehr muß er ihn während der Therapie geschickt zu unterstützen wissen, wenn die Therapie an die Grenzen des Erträglichen geht. Das Wohlwollen ist die Liebe, die Gott jedem Menschen entgegenbringt, das Wohlgefallen aber ist das Mehr, das er nur dem Gutsein entgegenbringt, und Gutsein ist anstrengend.
Der Erwerb von Wohlgefallen, sei es das Wohlgefallen Gottes oder des Banknachbarn in der U-Bahn, setzt unsere Anstrengung voraus. Menschliche Liebe, insbesondere die treue Liebe, so sagt ein kluges Wort, ist vor allem ein robuster Wille. Von dieser Anstrengung will die AOK offenkundig nichts mehr wissen. Natürlich hat die AOK nicht die Aufgabe, ihre Versicherten zu lieben. Aber noch viel weniger ist es ihr erlaubt, ihnen die kalte Schulter zu zeigen und sie aufzufordern, das auch untereinander zu tun. Natürlich ist der dumm-aggressive Spruch der AOK den vielfältigen Anerkennungsforderungen geschuldet, die von allen möglichen Seiten erhoben werden, neuerdings auch von denen (wie man hört), die das Recht auf Sex mit Tieren fordern, was im Rahmen der aktuellen Enmtwicklung konsequent ist und entsprechend vorhersehbar war. »Anerkennung gehört« aber, wie der Rechtsphilosoph Gerd Roellecke einmal betont hat, »zur Selbstdarstellung der anderen«. Anerkennung einzufordern, ist übergriffig. Sie der Allgemeinheit zu verordnen, ist totalitär. Die Forderung nach Anerkennung überspringt den Abstand zwischen dem Ich und dem Du. Scheinbar folgt sie aus der Selbstbestimmung des Ichs, tatsächlich aber kostet sie, sobald sie erzwungen wird, die Selbstbestimmung des Du. (Ergänzung vom 9.1.214: Es gibt ein Menschenrecht auf Abneigung. Irgendwo sagte ich das bereits, und ich habe die Absicht, es gelegentlich zu wiederholen.)
Nun aber wirklich zu unserer Überschrift. Es dürfte klar geworden sein, daß ich den neuerdings propagierten Verzicht auf die Unterscheidung zwischen dem Sünder und der Sünde oder zwischen der Seele eines Menschen (seiner Substanz) und seinem jeweiligen Tun und Handeln (seinen Akzidentien) für einen Akt der nackten Barbarei halte. »Du bist, was Du tust«, brüllt der Medienmob dem mehr oder weniger verirrten Individuum ins Gesicht. Der Medienmob spielt den strengen Gefängniswärter vor der Zelle des jeweiligen aktuellen Lebenswandels. Er passt auf, daß keiner mehr auf dumme Gedanken kommen und sich womöglich bessern würde, denn das wäre ja Verrat an der jeweiligen Minderheit, die so bitter hart um ihre »Rechte« kämpft. Die befreiende Beichte gilt schon länger als Akt der Tyrannei, und nun offenbar auch der Besuch des Arztes. »Du bist, was Du bist, friß oder stirb«, so lautet die Parole der wahren Menschenfeinde, die nicht begriffen oder vergessen haben, daß das Menschsein wesentlich von der Anstrengung gekennzeichnet ist, mehr zu sein als nur irgendein Mensch. Daß das Menschsein erst dort beginnt, wo wir in geordneten Beziehungen zu Menschen und Dingen leben, wo jeder auf sich und sein Wohlergehen achtet und dasselbe gegenüber anderen tut. Von all dem ist keine Rede mehr.
Vielmehr wird die Ausnahme-Identität mit dem Menschsein als solchem in eins gesetzt. Und dieser Schritt ist der Trick des o.g. Erpressers. Das akzidente Merkmal steht plötzlich für die Substanz, sodaß, wer bestimmte Akzidentien höher bewertet als andere, wer etwa pädagogisch, moralisch oder medizinisch begründete Ansprüche auf Wandel oder Besserung stellt, als radikal verurteilt oder gar als Menschenfeind in die Tonne getreten werden darf. Ein Identitätskonzept, das jedes Urteil und jeden Anspruch von vornherein verbietet, vor allem jedes traditionell wertende Urteil und jeden Anspruch, der den anderen dazu aufruft, auf seinem warum auch immer abwärts gerichteten Weg der Selbstüberschreitung umzukehren, ist schlicht diabolisch. Der Erpresser hält uns seine Waffe unter die Nase und sagt: »Entweder erkennst Du mich an, wie ich bin, oder Du bist mein Feind.« Für die Liebe seines Feindes ist er zwangsläufig blind. Wie gesagt, ich halte das für diabolisch. Aber ich halte den Erpresser nicht für den Teufel. Ich kenne eine Antwort, aber keine bessere als jene, die diese brutale Tat nicht zum Wesen des Erpressers erklärt – und ihm verzeiht.
]]>Der Mob marschiert nicht mehr, er agitiert. Jeden Tag, fast überall in Deutschland, besonders in den Großstädten. Es ist ein Mob, der durch alle Schichten geht, der von ganz oben bis ganz unten reicht und von »meinungsbildenden« Intellektuellen angeführt wird, die bekanntlich weder Putzfrauen oder Friseurinnen noch LKW-Fahrer oder Waldarbeiter sind. Ein Mob, der von den Medien und von zahlreichen staatlichen bis halbstaatlichen Institutionen motiviert und angefeuert, ja, gewollt und bestellt wird. Dieser Mob agitiert mit ansteigender Aggressivität. Natürlich ist er gegen Pogrome, aber bei näherem Hinsehen ist er nur gegen Pogrome, die nicht in seinem Sinne wirken, denn andere begrüßt er mit erstaunlicher Offenheit. Er ist dafür, daß Leute mit abweichenden Meinungen ausgegrenzt, mundtot gemacht und verfolgt werden, sobald sie dem eigenen ideologischen Vormarsch im Wege stehen. Wenn diese Anderen als Feinde von Frauen, Ausländern, Schwulen, Lesben oder ADHS-Erkrankten identifiziert werden. Obwohl, bei den Ausländern kommt es ein bißchen auf ihre Religion an. Und auf ihre Ideologie. Christen anzugreifen ist nicht so schlimm wie Muslime. Und »rechte« Ausländer verdienen natürlich auch keine Schonung. »Rechte« zu outen, zu diffamieren, ihnen ihre Existenzgrundlage zu entziehen und sie tätlich anzugreifen, ist besser, als es nicht zu tun. Der Mob ist prinzipiell in Pogromstimmung gegen alle Leute, die ihm nicht in den Kram passen. »WTF« (für What the fuck!?), heißt es im Internet, sobald es von den Feinden der eigenen Gesinnung ein neues Lebenszeichen gibt.
Die Bürgerkriegsstimmung, in die sich dieser Mob in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern hineinsteigert, schreit nach einem befriedenden Wort der jeweiligen Staatsoberhäupter, aber auf dieses Wort werden wir nach Lage der Dinge vergeblich warten. Statt dafür zu sorgen, daß die Bürger sich vertragen, statt den täglich eskalierenden Kampf um Abtreibung, Einwanderung, Homosexuellenrechte, Genderismus, Feminismus, künstliche Befruchtung und was da sonst noch alles kommen mag wenigstens zu dämpfen, beteiligen sich auch die obersten Repräsentanten der europäischen Völker am Kampf gegen deren Zukunft. Präsidentengattin Wulff brachte pressewirksam vorpubertäre Schulkinder mit Dildos in Kontakt, und Bundespräsident Gauck boykottiert jetzt die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Warum? Vermutlich, weil Rußland es wagt, anders zu sein als Deutschland. Weil die ganze Welt so werden soll wie Westeuropa und Nordamerika – mit sinkenden Geburtenraten, mit sozialer Atomisierung, mit Dekadenz und Verblödung, mit religiöser Taubstummheit, mit ultrasozialistischem Regelungswahn und sinnlos explodierendem Konsum auf Pump. Rußland schließt eine lächerliche Gesetzeslücke im Kampf gegen jugendgefährdende Pornographie entsprechend den auch im Westen üblichen Altersgrenzen und verhindert neben der heterosexuellen auch die homosexuelle Pornographie für bestimmte Altersgruppen zu bestimmten Tageszeiten. Und was tut der fortschrittliche Westen? Er schreit auf gegen »Homophobie« und beschimpft »Zar Putin«, der sich nicht mit dem zum »Wandel« umgelogenen demographischen Niedergang abfinden will, als den finstersten Reaktionär aller Zeiten. Der Westen kann nicht einmal zwischen Homosexualität und Homosexuellen unterscheiden, zwanghaft muß er aber die zartesten Bedenken gegen die Sache selbst in einen Angriff auf die von ihr betroffenen Personen umdeuten. Und den Rest der Welt glaubt diese dumme Meute, die unsere eigene ist, eines Besseren belehren zu müssen.
Die EU zahlt 6.000 Euro Prämie für einen einzigen integrierten Flüchtling. Für europäische Kinder zahlt sie natürlich keine 6.000 Euro. Die wenigen Kinder, die in Zeiten der Pille überhaupt noch geboren werden könnten, versucht sie vielmehr mit einem »Menschenrecht auf Abtreibung«, mit frühkindlicher Sexualerziehung (s.o.), vor allem aber mit einer flächendeckenden Propaganda für Promiskuität und Homosexualität (siehe »Estrela-Bericht«) zu verhindern. Das Geschrei, daß es in den Medien gäbe, wenn etwa 6.000 Euro für jedes neugeborene deutsche, spanische oder französische Kind gezahlt würden, wovon wir natürlich nur träumen können, kann sich inzwischen jeder vorstellen, der noch weiß, daß eine Familie aus Mama, Papa, Kind besteht und daß sie etwas Schönes ist trotz mancher Ausreißer, die bekanntlich überall vorkommen, wo es noch richtige Menschen gibt und nicht nur Maschinen, Fachidioten und größenwahnsinnige Weltverbesserer wie die frühere Ministerin Zypries, die allen Ernstes glaubt, daß der säkulare Staat kein Schicksal mehr kenne. Viel eher könnte sie glauben, daß die Welt eine Scheibe ist, denn das würde wenigstens einer gewissen Anschauung entsprechen, während ihre narzißtische Anmaßung, mit einer Handvoll Erfindungen und Gesetzesmaßnahmen das Schicksal ausknipsen zu können, jeglicher Anbindung ans wirkliche menschliche Leben auch in der Spätmoderne vollständig entbehrt.
Wenn Jürgen Elsässer in Leipzig eine Konferenz abhält, die den Titel trägt »Für die Zukunft der Familie! Werden Europas Völker abgeschafft?«, dann wird den angekündigten Podiumsgästen Peter Scholl-Latour und Eva Herman von den Gegnern dieser Veranstaltung so lange eingeheizt, bis sie ihre Teilnahme absagen. Die Gegendemonstranten versuchten mit Parolen wie »Eure Familie kotzt uns an« die Halle zu stürmen und trommelten gegen deren Metallwände, ohne daß die Polizei sie daran gehindert hätte. Die russische Rednerin Jelena Misulina, die auf ihrem Weg zur Veranstaltung von den Demonstranten sogar getreten wurde, stellte nüchtern fest, daß diese intoleranten, aggressiven und gut organisierten Leute nicht mehr die schwachen Schwulenvertreter von früher seien und man sie deshalb auch nicht mehr in Schutz nehmen müsse. Der Schwulenaktivist Wanja Kilber stürmte später in der Halle auf die Bühne und warf Misulina vor, das Blut von homosexuellen oder transsexuellen Jugendlichen, die angeblich getötet wurden oder Selbstmord begingen, an ihren Händen zu haben. Damit ist klar, auf welche Ebene die Gegendemonstranten die Auseinandersetzung heben wollen. Es geht ihnen um Blut, um Leben und Tod. Thilo Sarrazins Wohnhaus wurde mit Farbbeuteln beworfen, weil er sich nicht hatte einschüchtern und von seinem Auftritt in Leipzig nicht hatte abbringen lassen, und der Berliner Tagesspiegel kommentierte den Angriff auf das Haus des verdienstvollen früheren Senators im Hinblick auf seine Teilnahme an der »homophoben« Veranstaltung mit unverhohlenem Verständnis, als ob die Beschädigung seines Hauses nicht nur erlaubt, sondern geradezu geboten wäre.
Mit dieser Haltung ist der Tagesspiegel nicht allein. Die Gewalt, gegen die man täglich predigt, wird zugleich sehnlich erwartet, wenn sie sich denn nur gegen Deutsche und nicht gegen Ausländer richtet. Die neuen Barbaren sind nicht etwa jene aggressiven »Menschen mit Migrationshintergrund«, denen die Zivilgesellschaft deutschfeindliche Freifahrtscheine ausgestellt hat, sondern jene, die uns, die eigenen Leute, ans Messer liefern und jeden Verteidigungsimpuls als »rechts« zu verunglimpfen und im Keim zu ersticken versuchen. Wenn unsere öffentlich wirkenden Intellektuellen über die von ihnen lizensierten Angreifer schreiben, »sie sind jung, mutig, mobil, hungrig, risikobereit, initiativ«, wie es ebenfalls im Tagesspiegel über Jugendbanden hieß, die in den Berliner U-Bahnen über wehrlose Einzelpersonen herfallen, und dann fortfahren: »Solche Menschen braucht das Land [...]. Lieber ein paar junge, ausländische Intensivtäter als ein Heer von alten, intensiv passiven Eingeborenen«, dann sind unsere scharfrichterlich ambitionieten Medienintellektuellen, die sich vor lauter sadomasochistischen Zerstörungsfantasien nicht mehr einkriegen, solange sie ihnen nicht persönlich erliegen müssen, dann sind diese Medienleute und nicht unsere verirrten und zur Lynchjustiz herzlich eingeladenen jungen »Menschen mit Migrationshintergrund« die neuen Barbaren.
Der Mord von Kirchweyhe wurde, das ist in solchen Fällen längst üblich, mit einem noch intensiveren »Kampf gegen rechts« beantwortet, und damit waren die Täter von vornherein entschuldigt. Logisch, daß wir unsere Gerichte nicht zur Bestrafung von Morden an Deutschen brauchen, die von Geburt rechts sind es nicht besser verdient haben. Diese Deutschen sind aber seltsamerweise immer nur die anderen. Noch hat kein Deutscher mit dem Finger auf sich selbst gezeigt, jedenfalls, keiner, der sich in diesen Fragen Autorität anmaßt und irgendwas mit Medien macht. Eine Frankfurter Juristin namens Ute Sacksofsky phantasierte jüngst in einem unserer einst vornehmsten Organe, in der Zeitschrift Merkur, darüber, daß das Aussterben der Deutschen ja gar nicht so schlimm wäre, weil dann ihr Territorium anderen überlassen oder der Natur zurückgegeben werden könnte. Der deutsche Staat dürfe im Rahmen seines »Neutralitätsgebotes« keine positive Bevölkerungspolitik betreiben. Der Beitrag von Frau Professor strotzte nur so vor Neid auf die schmalen finanziellen Vergünstigungen, die andere Leute für ihre Kinder bekommen. Die Autorin hat selbst offenbar keine und kann daher die Deutschen umso hemmungsloser in die Tonne treten, diese seltsamen Menschen dritter Klasse, die nach zwei Weltkriegen ärgerlicherweise immer noch nicht von der Bildfläche verschwunden sind, aber von jetzt an ganz Europa finanzieren sollen.
So, nun haben wir den notwendigen Rahmen abgesteckt, der uns hilft, das Folgende besser einzuordnen. An der Ruhr-Universität Bochum sprengen linksradikale Studenten in Weihnachtsmannkostümen eine juristische Vorlesung, um einen »rechten« Studenten zu outen, und schlagen in dem dabei entstehenden Tumult dem Professor ins Gesicht, der sie des Saales verweisen will. Eine Webseite wie »Macker Massaker« darf ohne jede staatliche Gegenmaßnahme erstens ihren zu brutaler Gewalt aufrufenden Namen tragen und zweitens wie im vergangenen Jahr in Düsseldorf die Parole »Männerkongreß unmöglich machen« ausgeben, so daß Kriminalpolizei und Staatsschutz die Veranstalter desselben vor gewaltsamen Übergriffen warnten, und das alles, weil auf diesem Kongreß Gerhard Amendt sprechen sollte, der ehemalige Leiter des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung an der Universität Bremen, der jüdischer Abstammung ist. Amendt, ein untadeliger und international angesehener Wissenschaftler, Autor der Edition Sonderwege, unterscheidet nicht nur zwischen Frauenwohl und Feminismus, sondern auch zwischen Frauenwohl und Frauenquote, aber das allein macht ihn für die an deutschen Universitäten tonangebenden Radikalfeministen zum Objekt ihres so sinnlosen wie kostenintensiven Vernichtungsfeldzuges. Die Universität Düsseldorf ließ sich ausnahmsweise nicht einschüchtern. Anders ging die Universität Trier im Jahre 2011 mit dem israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld, ebenfalls ein Jude, um. Auf Druck von mehr als einem Dutzend studentischer Hochschulgruppen wurde er als Visiting Fellow des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums entlassen, nachdem seine Thesen in einem Protestbrief als »frauenfeindlich, militaristisch, latent antiisraelisch, nicht zuletzt vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv« gebrandmarkt worden waren.
Dieses unsägliche Spiel, das der Freiheit von Forschung und Wissenschaft ebenso hohnspricht wie der besonderen Pietät, die wir uns dem jüdischen Volk gegenüber angeblich angewöhnt haben, wiederholte sich jüngst an der Technischen Universität Berlin. Die Fachschaft der TU hatte in Zusammenarbeit mit der Fakultät Wirtschaft und Management eine Veranstaltung mit Kurzvorträgen und Podiumsdiskussion zum Thema »Zwischen Gleichberechtigung und Gleichmacherei – brauchen wir eine gesetzliche Frauenquote?« anberaumt. Eingeladen waren Thomas Sattelberger, ehemaliger Vorstand der Deutschen Telekom, Erik Marquardt, Mitglied der Kuratoriums der TU Berlin, Florian Schilling, Partner bei Board Consultants International, und Johannes Schneider, Tagesspiegel-Redakteur. Mit Gerhard Amendt und Bernhard Lassahn waren darüber hinaus zwei Autoren der Edition Sonderwege angekündigt. Lassahn ist ein durch und durch freundlicher Mann, dem irgendwann, nachdem er Vater geworden war, auffiel, daß beim Umgang unserer Gesellschaft mit Kindern und Familie mehr schiefläuft, als er für möglich gehalten hätte. Lassahn kritisiert im Interesse der Institution Familie den offenen Krieg zwischen Mann und Frau, den nicht etwa die Männer vom Zaun gebrochen haben, sondern radikalfeministische Frauen mit beliebig starker Unterstützung von interessierter Seite.
Der »Blog der Marxistisch-Luhmannistischen Bildungsbrigade« aber schrieb, da sei mit dem angekündigten Podiumsgespräch an der TU Berlin »eine unglaubliche kackscheiße im anrollen«, gegen die man rechtzeitig mobilisieren müsse, damit diese »antifeministen und maskulisten übelster sorte« gar nicht erst zu Wort kommen: »die moderation übernimmt ein blassierter [!] typ mit wichtig klingendem namen.« Aufgefordert wurde zum Vorbeikommen und Pöbeln. Kreativ sollte der Protest abgehen, gern auch unter Einfluß alkoholischer Lockerungsmittel. Das ist das Niveau, das heute ausreicht, um eine Hochschulveranstaltung zu sprengen, deren Initiatoren nach der klaren Ansage kleinlaut den Rückzug antraten. Kleinlaut gegenüber den pöbelnden Kommilitonen, soweit die überhaupt studieren, und aufrecht-entschieden natürlich nur gegenüber ihrem Gast Gerhard Amendt, den sie kurzerhand ausluden.
Die wegen Amendts Einladung angefeindete Fachschaft übte sich auf Facebook in der gewünschten Selbstgeißelung. »Was haben wir falsch gemacht?«, heißt es dort. »Wir bedanken uns für die Kritik und haben daraus gelernt. […] Dass viele Menschen die Einladung eines solchen Herrn als Beleidigung aufnehmen könnten, war uns nicht bewusst. Dort haben Weitsicht und Feingefühl unsererseits gefehlt. Darüber haben wir noch einmal viel diskutiert und unseren Ansatz überdacht. Wir sehen ein, dass es falsch war, einem Redner mit solch radikalen Einstellungen eine Bühne zu bieten, und haben Prof. Amendt daher ausgeladen.« Amendt schrieb seinerseits an die Fachschaft folgenden Brief, den er auch dem Präsidenten der TU zur Kenntnis gab:
»Meine Ausladung […] ist als respektvoller Versuch angelegt, mein Einverständnis dafür zu erlangen, dass meine Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Wissenschaftsfreiheit suspendiert wurden. Allerdings steht es nicht meinem Belieben, so etwas hinzunehmen, so wenig es in Ihrem steht, sich dem inneruniversitären Druck, den anonymen Drohungen aus dem Internet wie Teilen der Berliner Szene zu unterwerfen, die Beschneidung von Freiheitsrechten immer dann fordern, wenn Geschlechterbeziehungen jenseits von Platituden und Feindbildern erörtert werden sollen.
Bedauerlicherweise beugt sich auch die Leitung der TU diesem Druck, statt dem Verhalten des Rektorats der Heinrich-Heine-Universität von 2008 und 2010 zu folgen, der unerschrocken zweimal Randalierwillige und Diskussionsverweigerer mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen in die Schranken des Rechtsstaates verwiesen hat. Und es dürfte abermals die Berliner Gleichstellungsbürokratie sein, die diesmal ein Drohszenarium vor Ort ausgebreitet hat. Nochmals: Weder darf ich Ihnen die Verletzung meiner Grundrechte nachsehen, noch haben Sie oder die Universität ein Recht, solche Verletzungen hinzunehmen.
Außerdem ist nicht nachvollziehbar, warum meine Quotenkritik zurückgewiesen wird. Kritisiere ich doch, dass die Quote Frauen ausnahmslos neuerlich dem traditionsreichen Verdacht aussetzt, dass sie es außerhalb der Familie allein nicht schaffen, sondern ein fördernder Ehemann oder staatliche Hilfe vonnöten seien, damit sie es schaffen. Das habe ich in einer kleinen Schrift unter dem Titel: Frauenquoten-Quotenfrauen. Einem geschenkten Gaul … dargestellt. Wahrscheinlich hat keiner der Kritiker das gelesen. Und entgangen scheint diesen ebenso, dass in Wien Medizinstudentinnen sich bereits gegen staatliche Bevorzugung wehren, weil sie keine Frau Dr. med. quote von Staats wegen werden wollten.
Mehr als das scheinen die diskussionsunwilligen Gegner mir aber nachzutragen, dass ich 2009 mich gegen Frauenhäuser aussprach. Allerdings unterschlagen sie, dass ich stattdessen für Zentren für Familien mit Gewaltproblemen plädiert habe, die allen Familienmitgliedern professionelle Hilfe jenseits von politischen Ideologien leisten. Wer auf Feindbilder verzichten und sich mit meinen Analysen der Geschlechterverhältnisse auseinandersetzen will, dem empfehle ich Von Höllenhunden und Himmelswesen (November 2013). Es ist ein Plädoyer für eine neue Geschlechterdebatte, die auf Diskussion beruht und fremde Meinungen ertragen kann. Für den Abschied von Klischees über Gewalt in Geschlechterbeziehungen eignet sich auch das 2014 erscheinende aus dem Englischen übersetzte Handbuch über Familiäre Gewalt und Interventionen.
Völlig unverständlich ist mir, wie angehende Akademiker sich von ›Meinungen‹ beleidigt fühlen können. Die Universität beruht gerade darauf, dass selbstverständlich Erscheinendes auf unhinterfragte Voraussetzungen reflektiert wird. Wer das nicht als privilegierte Chance für neue Erfahrungen erlebt, sondern sich davon beleidigt fühlt, der verkennt das Wesen der kritischen Analyse. Der sollte die Universität verlassen, denn anders wird er seine festgefahrenen Ansichten vor dem Einbruch fremder Perspektiven nicht schützen können.
Sie hoffen in Ihrer Email, dass ich ›ihre Lage nachvollziehen‹ kann. Gewiss, aber ich messe Sie an ihrem politischen Verhalten. So mutig Ihr Unterfangen anfangs war, so haben Sie vergessen, dass Grundrechte wieder im Alltag auch kämpferisch bestätigt werden müssen.
Bitte veranlassen Sie, dass innerhalb der TU und den sozialen Netzwerken, sowie Personen und Organisationen dieses Schreiben zur Verfügung steht. Selbstverständlich werde auch ich diesen außergewöhnlichen Vorgang der Öffentlichkeit und der Presse in geeigneter Weise zur Kenntnis bringen. Ebenso bitte ich Sie, mein Schreiben den verbliebenen Podiumsmitgliedern umgehend zur Verfügung zu stellen. Denn wahrscheinlich wollen weder der Schriftsteller, Bernhard Lassahn, der Redakteur des Tagesspiegel, Johannes Schneider, Dr. F. Schilling, Partner bei Board Consultants International, noch Thomas Sattelberger, ehemaliger Vorstand Deutsche Telekom, an einem durch Zensur ausgedünnten Panel sich beteiligen.
Es ist bedrückendes Symptom, dass alle Welt dieser Tage über die Frauenquote spricht, dass aber ausgerechnet an der TU Berlin, Genderforscher und Frauenbeauftragte eine von Studenten initiierte Debatte abwürgen, ohne dass die Universität sich geschlossen gegen die Verletzung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit stellt?
Mit besten Grüßen – Prof. Dr. Gerhard Amendt«
Herr Marquardt vom Kuratorium sagte ab, weil Amendt ein »übermäßiges Geltungsbedürfnis […] auf dem Rücken der Opfer von Rassismus, Sexismus und häuslicher Gewalt« auslebe. Als Amendt ausgeladen war, wandte sich der Mob gegen Bernhard Lassahn, der angeblich den Frauen ihr Selbstbestimmungsrecht abspräche – ein frei erfundener Vorwurf. Lassahn sagte aus Protest gegen die Behandlung von Amendt ab. Die Veranstaltung fand nicht statt. Es gibt viele ernstzunehmende Leute, die längst gemerkt haben, was los ist, so zum Beispiel den Bischof von Chur, der dieser Tage sagte: »Mit großer Sorge sieht die Kirche, dass in öffentlichen Diskussionen und in den Medien mehr und mehr nur noch die Argumente des Genderismus toleriert werden. Wer anders denkt, wird gesellschaftlich ausgegrenzt und muss mit juristischen Sanktionen rechnen. Auf diese Weise werden die Grundrechte des Menschen bezüglich Religion und freier Meinungsäußerung zunehmend beschnitten.«
Aus dem Schloß Bellevue aber dringt kein Mucks. Der Bundespräsident, zu dessen vornehmsten Aufgaben es gehört, dafür zu sorgen, daß, wenn schon nicht die Deutschen, dann wenigstens die »Menschen in Deutschland« ein Wohlergehen haben, daß sie sich schlicht und einfach vertragen und ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung uneingeschränkt ausüben können, dieser Bundespräsident schweigt, obwohl es längst um unsere Existenz geht, um Kinder, Familien und Zukunft. Das Schweigen des Bundespräsidenten läßt nichts Gutes ahnen.
]]>Die Dame hinter der Theke des Berliner Cafés sprach zu ihrem Bekannten über ihren Freund. Der habe sie gefragt, ob sie am Wochenende »zum Drehen« mitkäme. Er würde ihre Hilfe gut gebrauchen können und sich freuen, wenn sie dabeiwäre. Sie aber habe ihm gesagt, nein, sie werde nicht mitkommen. Sie denke ja gar nicht daran, ihm zu helfen, solange er sich nicht an ihrer Hausarbeit beteilige. Immerzu sei sie diejenige, die am Freitag die Wohnung putzen müsse. Kurzum, das gemeinsame Wochenende gebe es nur gegen gemeinsame Hausarbeit. Sie müsse ja schließlich auch arbeiten gehen und Geld verdienen.
Das Traurige an dieser Rede war, daß die Dame schon gar nicht mehr auf die Idee kam, sich zu fragen, ob sie Lust hatte, das Wochenende mit ihrem Freund zu verbringen. Das Geben und Nehmen einer Geschäftsbeziehung hatte sich wie unbemerkt an die Stelle selbstverständlichen Miteinanders gesetzt, schlimmer noch, das Verrechnen jeglicher Liebesdienste drohte die Liebe zu ersticken, nämlich die Freude darüber, daß es den anderen gibt und das auch noch mitten im eigenen Leben. Wer aber einmal zu rechnen angefangen hat, wird schwerlich wieder aufhören können. Die perfekte Verrechnungspraxis ergibt sich aus dem Singledasein, in dem ich vermeintlich niemandem etwas schuldig bin. Möglicherweise ist in diesem Fall auch die Trennung der nächste Schritt, wenn er nicht innerlich schon vollzogen wurde: »Jeder macht sein Ding«, notfalls alleine.
Kurz darauf schlägt ein Arzt öffentlich vor, nur noch solche Patienten in den Genuß eines Spenderorgans kommen zu lassen, die sich ihrerseits zur Organspende bereit erklärt haben. Falls das nicht der Fall wäre, sollten sie sich ganz hinten anstellen. Die Logik dieses Vorschlags ist bestechend, und trotzdem ist daran etwas faul. Aber was? Als Maxime individueller Lebensführung kommt das Prinzip ja durchaus in Betracht. Wenn ich nicht unter zweifelhaften Umständen voreilig für hirntot erklärt und nicht möglichst rasch um meine inneren Organe erleichtert werden möchte (wobei für die Feststellung des Hirntodes bemerkenswerterweise je nach Bundesland andere Regeln gelten), dann sollte ich vielleicht auch darauf verzichten, dasselbe von anderen zu erwarten und es für wichtiger zu halten, daß ich gerettet werde und nicht sie. Kürzlich sprach ich mit einem Freund, einem dreifachen Familienvater, über dieses Problem. Er lehnt Organspende ab und will auch seinerseits kein Spenderorgan beanspruchen. Aber was macht er, wenn eines der Kinder plötzlich ein Spenderorgan braucht? Oder wenn er doch eins braucht, weil die Kinder ihn brauchen? Unsere einzige Idee war, zu hoffen und zu beten, daß es nicht soweit käme.
Anders gefragt, was wäre die Spendebereitschaft eines Patienten wert, dessen Organe aus welchen Gründen auch immer für andere Menschen ungeeignet sind? Soll er dann Ersatzleistungen oder Ersatzbereitschaften vorweisen müssen, um nicht auf dem letzten Platz zu landen? Was ist mit medizinischen Leistungen, die mit einem bestimmten Lebenswandel im Zusammenhang stehen? Müssen Raucher, die an Lungenkrebs leiden, überhaupt noch behandelt werden? Oder Alkoholiker mit Leberzirrhose? Das Verrechnungsschema »Empfangsberechtigung gegen Spendebereitschaft« hat Konsequenzen weit über die Organspende hinaus.
Die Spatzen pfeifen es inzwischen von den Dächern, daß die Hochleistungsmedizin bald eine Exklusivmedizin sein wird und daß auf Dauer – vorsichtig gesagt – nicht mehr alle in den Genuß gigantisch teurer Therapien kommen werden. Also muß selektiert werden, mehr und strenger als je zuvor. »Gerecht« kann hier nur die umfassende und flächendeckende, am besten europaweite bürokratische Regelung sein, nicht aber der ärztliche Entschluß im konkreten Fall. Der Arzt darf nicht mehr seinem Gewissen folgen, und der Patient kann schreien, so viel er will. Der Fortschritt selbst, der unbezahlbar wird, untergräbt das Ethos des Helfens. Die Latte wird immer höher gelegt, bis der pure Fatalismus bleibt, oder die freiwillig beanspruchte Sterbehilfe etwaige Gerechtigkeitslücken schießt. Mit welchen Worten wurde Ministerin Zypries dieser Tage zum Thema Samenspende zitiert? – »Der säkulare Staat kennt kein Schicksal mehr.« Aber dazu ein andermal.
]]>Vorbereitend auf das morgen und übermorgen stattfindende »Premierenfestival« zum Erscheinen von Bernhard Lassahns Buch Frau ohne Welt trafen wir – Arnulf Baring, Bernhard Lassahn, Till Schneider und ich – uns gestern zum Gespräch. Die treibende Kraft des Abends war insofern Baring, als er uns beharrlich eine Erläuterung des Titels Frau ohne Welt abverlangte, den er rundheraus für unverständlich erklärte. Sekundiert wurde Baring von Till Schneider, der den Titel »schwierig« nannte. Lassahn und ich hatten es nicht leicht. Mit Hinweisen auf Günther Anders oder auf die Gnosis war Baring nicht zu beeindrucken. Wir mussten uns der Lösung tastend annähern, und was schließlich dabei herauskam, war verblüffend einfach.
Lassahns Kritik am Feminismus zielt darauf ab, dass er die Frau aus der Familie herausbricht wie eine tragende Säule aus einem Tempel. Der Applaus, mit dem diese Dekonstruktion einhergeht, gilt der Angleichung der Lebensverhältnisse von Mann und Frau. Denn die Familie ist bekanntlich der Hort der Ungleichheit, in dem nicht jedem dasselbe zusteht, sondern nur das, was er braucht. In dem nicht jeder dasselbe tut, sondern das, was er am besten kann. Die Frau, die so lebt wie der berufstätige Mann, mag alles bekommen, was auch er bekommt: Geld, Erfolg und Anerkennung. Die Familie, die er davon ernährt, bleibt ihr versagt, jedenfalls ist die Gefahr ziemlich groß. Wenn sie es aber schafft, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen, schlägt die errungene Gleichheit unter Umständen als Benachteiligung ihres Nachwuchses zu Buche. Nämlich dann, wenn sie sich insbesondere in den ersten drei Lebensjahren nicht ausschließlich den der grenzenlosen Mutterliebe bedürftigen kleinen Wesen zuwendet. Dann drohen später Lernschwierigkeiten und andere geistige Benachteiligungen bis hin zu einer erhöhten Gefahr, süchtig oder kriminell zu werden. All das ist ausreichend belegt und nicht nur von Christa Meves erschöpfend beschrieben worden. Gleichwohl böten diese Zusammenhänge Herrn Sigmar Gabriel ein schier unendliches Betätigungsfeld. Das wahre Potential seiner Aversion gegen kluge Eltern, die ihre Kinder – womöglich mit Erfolg – bei den Hausaufgaben unterstützen und ihnen dadurch einen ungerechten Vorteil verschaffen, hat er noch gar nicht ausgeschöpft! Der ungerechte Vorteil beginnt bereits mit der intensiven Mutterliebe und mit der vielen Zeit, die nicht berufstätige Mütter ihren Kindern schenken, was sich bei diesen in einem lebenslangen Sicherheitsgefühl und Selbstvertrauen niederschlägt. Wie ungerecht gegenüber Familien, in denen beide Elternteile arbeiten müssen! Staatlich organisierter Liebesentzug schafft Abhilfe. Gabriels Anbiederung zwecks Einführung der Ganztagsschule, die angebliche Abschaffung der Hausaufgaben, müsste nicht einmal der letzte Auswuchs etatistischen Größenwahns bleiben.
Das Gegenteil von Feminismus ist nicht etwa privilegierte Männlichkeit, sondern die Integration der Einzelinteressen, Einzelbedürfnisse und Einzelfähigkeiten in das multigenerationelle Dauerprojekt Familie. Wer den Geschlechterkampf als Gleichheitsprojekt versteht, ist ihm schon auf den Leim gegangen. Die konsequent feministische Frau, die Bernhard Lassahn »Frau ohne Welt« nennt, ebenfalls. Die Frau ohne Welt ist die junge Frau in Oslo, die, ohne liebenden Mann, ohne wachenden Vater und auch sonst ohne männlichen Schutz, seit einiger Zeit vermehrt südländischen Vergewaltigern zum Opfer fällt, von denen sie ob ihres freizügigen Lebensstils vor allem verachtet wird, von Männern, die sich mit ihren Verbrechen nicht nur gegen die moderne westliche Frau wenden,sondern die auf diese Weise auch den modernen westlichen Mann demütigen, der die Frauen nicht mehr schützen soll, will, muss oder kann. Die »Frau ohne Welt«, nun haben wir’s und verraten‘s vorab, ist die Frau ohne Familie:
Zweitägiges Premierenfestival Frau ohne Welt
am 21. & 22. September 2013 um 19.30 Uhr
im Zebrano-Theater (Berlin-Friedrichshain, Sonntagstraße 8)
Nach einer Änderung gilt diese neue Programmfolge:
Am 21. September um 19.30 Uhr
Bernhard Lassahn liest aus Frau ohne Welt, dem ersten Teil seiner
»Trilogie zur Rettung der Liebe«. Danach Gespräch mit Arnulf Baring
(Historiker) und Monika Ebeling (bis 2011 Gleichstellungsbeauftragte in
Goslar). Das Gespräch leitet Martin Betz, der es mit eigenen Gedichten zum
Thema Liebe anreichert. Till Schneider spielt Werke von Domenico Scarlatti.
Eintritt: 7 Euro.
Am 22. September um 19.30 Uhr
(ggf. mit Wahlmeldungen zwischendurch):
Bernhard Lassahn liest aus Frau ohne Welt, dem ersten Teil seiner »Trilogie
zur Rettung der Liebe«. Sebastian Krämer ergänzt die Vorstellung mit
eigenen, neuen Liedern. Till Schneider liest Capriccios über Liebe,
Frauen, Feminismus und Humor.
Eintritt: 7 Euro.
Kartenreservationen
Tel. (AB): (030) 29 04 94 11 oder
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Näheres über Frau ohne Welt. Die Trilogie zur Rettung der Liebe finden Sie hier.
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In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Tötungsgewalt vom europäischen Mann auf die europäische Frau übergegangen. Wenn das ein »Erfolg« des Feminismus ist, dann ist die rechtfertigende Funktion dieser Ideologie nicht nur »ad quem« zu verstehen – vorausdeutend auf künftige Feindschaft gegen den Mann und künftige Zerstörung der Familie –, sondern auch »a quo«: als nachgeschobene Begründung für einen intergenerationellen Bürgerkrieg mit Massenmord, für beispiellose Autogenozide im Namen von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Um daran auch im schönen Spätsommer zu erinnern, steht das folgende Zitat hier als Plädoyer für die fraglose Weitergabe des Lebens, wenngleich die Rückkehr in den unten beschriebenen »Naturzustand« schwierig und nur unter großen Anstrengungen oder nur auf Umwegen möglich sein mag. Vorbeugend gegen etwaige Unterstellungen und Missverständnisse sei darauf hingewiesen, dass sich gerade unter modernen Lebensbedingungen die Weitergabe des Lebens leichter mit vielen darüber hinausgehenden Wünschen und Ansprüchen versöhnen lassen sollte als je zuvor. Aber erstaunlicherweise tritt das Gegenteil ein: feministische Emanzipation und Weitergabe des Lebens werden gegeneinander ausgespielt. Die emanzipierte Frau und alle, die sie bei ihrem ziellosen Höhenflug unterstützen, verhindern die Zeugung oder töten ungeborene Kinder und damit ein Teil von sich selbst. Denn das abgetriebene Kind ist zugleich der Sohn eines Mannes, Enkel von vier Großeltern, Urenkel von acht Urgroßeltern und verwandt mit vielen weiteren Verwandten … Die Emanzipation wird zum Argument für Pille und Abtreibung, welche beide zusammen inzwischen allein in Deutschland eine Minderbevölkerung in zweistelliger Millionenhöhe zur Folge haben. Wenn es heute eine Kollektivschuld gibt, dann an 100.000 Abtreibungen pro Jahr allein bei uns. Wie heißt es so treffend in dem nun folgenden Zitat? Erst wird die Zerstörung des genealogischen Prinzips mit materieller Not begründet und bald darauf gar nicht mehr.
»Es handelt sich hier nicht um etwas, das sich mit alltäglicher Kausalität, etwa physiologisch, begreifen ließe, wie es die moderne Wissenschaft selbstverständlich versucht hat. Hier liegt eine durchaus metaphysische Wendung zum Tode vor. Der letzte Mensch der Weltstädte will nicht mehr leben, wohl als einzelner, aber nicht als Typus, als Menge; in diesem Gesamtwesen erlischt die Furcht vor dem Tode. Das, was den echten Bauern mit einer tiefen und unerklärlichen Angst befällt, der Gedanke an das Aussterben der Familie und des Namens, hat seinen Sinn verloren. (…) Nicht nur weil Kinder unmöglich geworden sind, sondern vor allem weil die bis zum äußersten gesteigerte Intelligenz keine Gründe für ihr Vorhandensein mehr findet, bleiben sie aus. Man versenke sich in die Seele Bauern, der von Urzeiten her auf seiner Scholle sitzt und oder von ihr Besitz ergriffen hat, um dort mit seinem Blute zu haften. Er wurzelt hier als der Enkel von Ahnen und als der Ahn von künftigen Enkeln. Sein Haus, sein Eigentum: (…) erst aus dem Seßhaftwerden im mystischen Sinne erhalten die großen Epochen des Kreislaufs, Zeugung, Geburt und Tod jenen mystischen Zauber, der seinen sinnbildlichen Niederschlag in Sitte und Religion aller landfesten Bevölkerungen findet. Das alles ist für den ›letzten Menschen‹ nicht mehr vorhanden. (…) Die große Wendung tritt ein, sobald es im alltäglichen Denken einer hochkultivierten Bevölkerung für das Vorhandensein von Kindern ›Gründe‹ gibt. Die Natur kennt keine Gründe. Überall, wo es wirkliches Leben gibt, herrscht eine innere organische Logik, ein ›es‹, ein Trieb, die vom Wachsein und dessen kausalen Verkettungen durchaus unabhängig sind und von ihm gar nicht bemerkt werden. Der Geburtenreichtum ursprünglicher Bevölkerungen ist eine Naturerscheinung, über deren Vorhandensein niemand nachdenkt, geschweige denn über ihren Nutzen oder Schaden. Wo Gründe für Lebensfragen überhaupt ins Bewußtsein treten, da ist das Leben schon fragwürdig geworden. Da beginnt eine weise Beschränkung der Geburtenzahl – die bereits Polybios als das Verhängnis von Griechenland beklagt -, die aber schon lange vor ihm in den großen Städten üblich war und in römischer Zeit einen erschreckenden Umfang angenommen hat –, die zuerst mit der materiellen Not und sehr bald überhaupt nicht mehr begründet wird. Da beginnt denn auch, und zwar im buddhistischen Indien so gut wie in Babylon, in Rom wie in den Städten der Gegenwart, die Wahl der ›Lebensgefährtin‹ – der Bauer und jeder ursprüngliche Mensch wählt die Mutter seiner Kinder – ein geistiges Problem zu werden. Die Ibsenehe, die ›höhere geistige Gemeinschaft‹ erscheint, in welcher beide Teile ›frei‹ sind, frei nämlich als Intelligenzen, und zwar vom pflanzenhaften Drange des Blutes, das sich fortpflanzen will; und Shaw darf den Satz aussprechen, ›daß die Frau sich nicht emanzipieren kann, wenn sie nicht ihre Weiblichkeit, ihre Pflicht gegen ihren Mann, gegen ihre Kinder, gegen die Gesellschaft, gegen das Gesetz und gegen jeden außer gegen sich selbst, von sich wirft‹. (B. Shaw, Ibsenbrevier, S. 57) Das Urweib, das Bauernweib, ist Mutter. Seine ganze von Kindheit an ersehnte Bestimmung liegt in diesem Wort beschlossen. Jetzt aber taucht das Ibsenweib auf, die Kameradin, die Heldin einer ganzen weltstädtischen Literatur vom nordischen Drama bis zum Pariser Roman. Statt der Kinder haben sie seelische Konflikte, die Ehe ist eine kunstgewerbliche Aufgabe und es kommt darauf an, ›sich gegenseitig zu verstehen‹. (…) [Die Damen] gehören alle sich selbst und sind unfruchtbar. (…) Kinderreichtum, dessen ehrwürdiges Bild Goethe im Werther noch zeichnen konnte, wird etwas Provinziales. Der kinderreiche Vater ist in Großstädten eine Karikatur – Ibsen hat sie nicht vergessen; sie steht in seiner ›Komödie der Liebe‹. Auf dieser Stufe beginnt in allen Zivilisationen das mehrhundertjährige Stadium einer entsetzlichen Entvölkerung. Die ganze Pyramide des kulturfähigen Menschentums verschwindet. Sie wird von der Spitze herab abgebaut, zuerst die Weltstädte, dann die Provinzstädte, endlich das Land, das durch die über alles Maß anwachsende Landflucht seiner besten Bevölkerung eine Zeitlang das Leerwerden der Städte verzögert …«
(Oswald Spengler, Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, München 1980 [1923], S. 679–681)
]]>Am 30. Juli hat Deutschlandradio Kultur mein Politisches Feuilleton zum »Recht auf Kinder« für gleichgeschlechtliche Paare gesendet. Meine Hauptthese: Ein Recht auf Kinder gibt es für niemanden, denn Kinder sind eine Frucht der Liebe, sie sind ein Geschenk und deshalb kein beliebig produzierbares oder zuteilungsfähiges Gut. Wer gar durch künstliche Befruchtung Gleichheit »herstellen« will, belastet die so entstehenden Kinder mit vorhersehbaren seelischen Schäden.
Immer öfter wird behauptet, dieses oder jenes gleichgeschlechtliche Paar habe »ein Kind bekommen«. Das ist natürlich glatt gelogen. Ein Kind hat einer der beiden Partner zusammen mit einem ausgeschlossenen Dritten bekommen, nach dem in den Medien nicht gefragt wird, und zwar nicht einmal dann, wenn die Mutter der ausgeschlossene Dritte ist. Nicht alle gleichgeschlechtlichen Eltern enthalten dem Kind das zweite Elternteil vor, fast immer aber tun es die Medien, die das Problem durch Schweigen rücksichtslos weglügen. In meinem Beitrag heißt es:
»Das Kind gleichgeschlechtlicher ›Eltern‹ muss ein Elternteil entbehren. Auf dessen Platz wird ihm eine Person präsentiert, mit der es nichts zu tun hat. Ähnliches kennen wir von Kuckuckskindern, Scheidungskindern und Halbwaisen. Dort gilt es aber als trauriges Schicksal. Von nun an werden diese traurigen Kinderschicksale zwecks Gleichstellung von sexuellen Präferenzen vorsätzlich herbeigeführt − ein grausames Novum in der Geschichte der Menschheit.«
Zu meinem Beitrag geht es hier. – Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem empfehle ich meinen kürzlich erschienenen Artikel »Herr Sibelius ist Mutter geworden« in Die Neue Ordnung, 67. Jg., Heft 3 (Juni) 2013, S. 195−206.
]]>Kleine Kinder brauchen Zuwendung. Ihre Mütter befiehlt der Staat aber »in die Produktion«. Immer mehr Frauen gehorchen dieser neuen »Verhaltenslehre der Kälte«. Wo die Liebe fehlt, erleidet der Nachwuchs lebenslange psychische und physiologische Beschädigungen. Dieses alte Wissen bestätigte jetzt mit großer Einmütigkeit eine iDAF-Konferenz zum Thema »Bindung – Bildung – Gewaltprävention«. Die von Jürgen Liminski organisierte und moderierte Tagung des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. mit rund 300 Teilnehmern fand am vergangenen Freitag im Haus der Hanns-Seidel-Stiftung in München statt. Christine Haderthauer (Bayerische Staatsministerin für Arbeit & Sozialordnung, Familie & Frauen) steuerte ein Grußwort bei. Das Programm der Tagung kann man hier nachlesen.
Eine steigende Zahl von Schülern schlägt ihre Mitschüler und Lehrer. Eine steigende Zahl von Schülern säuft, prügelt und erpresst. Sie prügelt mit einer Fühllosigkeit und Brutalität, die Staunen macht. Der Amoklauf ersetzt die Rauferei von einst, und das auch in den Ferien fortgesetzte Cybermobbing verdrängt den Wettbewerb um die besseren Noten. In dem neuen Ausmaß von Gewalt geht die Demokratie zur Tyrannis über. Kennzeichen dieses Übergangs sind schon bei Platon nicht nur die Söhne, die ihre Väter schlagen, sondern auch die Esel, die mitten auf der Straße stolzieren müssen.
Angesichts dieser Entwicklung wirkte es ein wenig überraschend, dass Peter Dathe, Präsident des bayerischen Landeskriminalamtes, in seinem Eröffnungsvortrag über Jugendgewalt in Bayern auf sinkende Kriminalitätszahlen verwies. Eine Bereinigung um den demografischen Faktor wollte er allerdings nicht einmal auf Nachfrage vornehmen. Auch wollte er nicht die Möglichkeit berücksichtigen, dass nicht die Taten selbst, sondern bloß die Anzeigen zurückgegangen sein könnten. Josef Kraus, Leiter eines Gymnasiums und Präsident des Deutschen Lehrerverbands, widersprach. Die tägliche Praxis zeige, dass die Anlässe schulischer Gewalt nichtiger werden und ihre Formen roher.
Die Alternative zur Aggression ist die Depression, die für Mitmenschen so bequeme Anspruchs- und Bedürfnislosigkeit. Dahinter verbirgt sich aber dieselbe emotionale Lähmung. Eine andere Alternative heißt »Sex oder Gewalt«. Spontane Gewaltausbrüche können innere Spannungen vorübergehend lösen, und insofern entsprechen sie strukturell der bindungslosen, promisken Sexualität, die ebenso viel Suchtgefahr birgt wie das überreaktive, leicht zur Gewohnheit werdende Zuschlagen. Wenn es um soziale und schulische Probleme von Kindern und Jugendlichen geht, um Lebensläufe, die im späteren Leben in kriminelle Karrieren übergehen können, gibt es eine Vielzahl von Lösungsansätzen. Den meisten von ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass man nie genug Geld ausgeben, also auch nie genug Geld einnehmen könne. Das ist reine Magie, aber eben deshalb ist sie auch sehr wirkmächtig. Viele beruhigt es offenbar ungemein, wenn sie das Fehlen von Krippen- und Kindergartenplätzen, von Erziehern, Lehrern, Psychologen und Sozialpädagogen beklagen. Und mehr Geld fordern.
Vertraut man dagegen dem überzeugenden Ergebnis der Münchener iDAF-Konferenz, dann wäre mehr Geld überhaupt nicht nötig, sondern nur eine sehr kostengünstige Rückkehr zu uraltem pädagogischem Basiswissen, vulgo Lebenserfahrung. Hirnforschung, Philosophie, Pädagogik und Psychotherapie sind sich vollkommen einig, dass die meisten Probleme von Kindern und Jugendlichen in unbewussten frühkindlichen Beschädigungen wegen fehlender oder gestörter Bindungen wurzeln, wobei die fehlende oder gestörte Mutterbindung die folgenschwerste ist. Oberarzt Karl Brisch stellte eine Formel auf, die er mit eindrucksvollen Videos aus der therapeutischen Praxis belegte: Gesicherte Bindung ermöglicht Weltbezug, nämlich Exploration. Gestörte Bindung dagegen bindet alle Aufmerksamkeit und zieht sie von der Außenwelt ab. Sie verhindert Weltbezug und Exploration. Der Hirnforscher Gerhard Roth beschrieb die entsprechenden physiologischen und chemischen Prozesse des Gehirns, in dem sich alle Erfahrungen ablagern, auch die vorgeburtlichen, als einen Wechsel von Cortisol- und Serotoninproduktion. Für den Stress brauchen wir das von der Amygdala ausgeschüttete Hormon Cortisol, zur Beruhigung das »Glückshormon« Serotonin. Cortisol- und Serotoninproduktion müssen einigermaßen ausgeglichen sein; ein negatives Serotoninsystem zieht eine defiziente Ausbildung des »Bindungshormons« Oxytocin nach sich. Schlimmstenfalls trifft ein hoher Cortisolspiegel auf viel Testosteron – das ist die Biochemie krimineller Gewalt.
Wenn die positive Bindungserfahrung fehlt, ist die Cortisol produzierende Amygdala überaktiv. Es entsteht ein ganzes Bündel von Problemen, wie Roth weiter ausführte, das besonders gut an ADHS-Kindern studiert werden kann. Die Hälfte aller ADHS-Kinder ist gewaltgefährdet, denn motorische Hyperaktivität geht häufig mit verringerter Affekt- und Impulskontrolle, mit einem Gefühl des Bedrohtseins, mit mangelnder Empathie und mit mangelndem Selbstwertgefühl einher. Eine günstige genetische Ausstattung kann die Ausprägung solcher Symptome deutlich vermindern. Wenn aber epigenetische Defizite und frühkindliche Traumatisierungen zusammenkommen, multipliziert das die negativen Auswirkungen im späteren Leben bis hin zur Psychopathologie. Notorische Gewalttäter haben meist mit tiefsitzenden Ausgrenzungs- und Beschämungserfahrungen zu kämpfen: »Hinter jeder zuschlagenden Faust steckt ein wimmerndes Herz.« Auffallend viele harte Jungs, die in kalifornischen Gefängnissen einsitzen, sind Bettnässer. Das Zuschlagen ist die Droge, die das verletzte Selbstwertgefühl kurzfristig beruhigt.
Ein Übermaß an Beschämung führt, wenn nicht in die Depression, zu aggressiver Gegenwehr. Aber eben nur ein Übermaß. Die hohe kulturelle Bedeutung der Scham ergibt sich, wie die Philosophin und Theologin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz ausführte, aus der Uneinheitlichkeit des Menschen, aus seiner Zerrissenheit zwischen gattungshafter Animalität und Triebhaftigkeit einerseits und schutzbedürftiger Individualität andererseits: Wer nur als Gattungswesen behandelt wird – als ob er bloß die Summe seiner körperlichen Funktionen wäre –, der verliert das Gleichgewicht von Körper und Selbst. Die Triebe müssen vom Selbst kontrolliert und auf einer höheren Stufe integriert werden, um den Suchgefährdungen zu entgehen, die in ungebremster Sexualität und Gewalt schlummern. Das Selbst braucht Scham, um sich gegen die Impulse des Körpers zu imprägnieren. Scham integriert Seele und Körper. Scham schützt gegen Sucht.
Das geliebte Kind ist aber nicht nur besser vor den Abgründen des Lebens geschützt. Es hat auch mehr Kraft für das Gelingen. Gelingendes Leben setzt voraus, dass dieselben Kräfte, die ungehemmt in die Selbstzerstörung oder in die Zerstörung anderer führen, produktiv genutzt werden können: »Agape besiegt Eros, indem sie ihn erlöst.« (Denis de Rougemont) Das Gute ist in diesem Sinne viel weniger eine Frage der Moral als der Liebesfähigkeit – und damit der Liebeserfahrung. Dieses Wissen nützt nur nicht viel, wenn zu seiner Anwendung die emotionale Ausstattung fehlt. Es gibt eben Dinge, die der Mensch nicht von alleine kann. Ohne die Erfahrung elterlicher Liebe, ohne, dass sich die Persönlichkeit des Kindes im Zuge der »gemäßigten, liebevollen Beschämung durch die Eltern« (Gerl-Falkovitz) entwickelt hat, wird es dem späteren Erwachsenen schwerfallen, sich auf das schönste Versprechen irdischen Lebens zu verlassen: Dass Eros von Agape nicht mit Zwang oder Moral gefesselt werden muss, sondern mit Liebe besiegt werden kann. Genau hierauf zielen aber immer noch und weiterhin die Wünsche und Hoffnungen der Mehrheit aller jungen Leute: auf die stabile Liebesbeziehung und auf die Familie mit Kindern. Da kann die Politik noch so krampfhaft versuchen, mit Gendergetöse die Geschlechterrollen zu verwirren und den bindungsgestörten, marktflexiblen und sozialstaatsabhängigen Single als neues Vorbild zu verkaufen. Gewiss, es gibt keine perfekte Familie. Trotzdem ist die Familie die größte »therapeutische Kraft« in unserem Leben, wie der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Albert Wunsch unter Berufung auf Jesper Juul betonte.
Politik und Medien arbeiten trotzdem ungerührt am Verfall und nicht an der Lebensfähigkeit der gezeugten, nicht gemachten Familie. Die allgemeine Fixierung auf das Negative verschärft die – relativ wenigen – Probleme. Die Fixierung auf das Negative führt von der gesunden Familie weg statt zu ihr hin. Die Fixierung auf das Negative bringt zum Beispiel ein Wort wie »Kinderarmut« in Umlauf. Das ist eine Diagnose, die uns einreden will, dass man den betroffenen Kindern nur ohne ihre Eltern helfen könnte. Wer »Kinderarmut« sagt, hat die Eltern schon entsorgt. Gewiss, zehn Prozent der Eltern kümmern sich gar nicht um ihre Kinder, und weitere zehn Prozent kümmern sich zu viel. Die materiell überversorgten, aber emotional verhungernden Kinder reicher Eltern zeigen, so Brisch, übrigens oft dieselben Symptome wie ihre Altersgenossen aus den unteren Problemschichten. »Diese 20 Prozent kosten 90 Prozent unserer Energie«, sagt Josef Kraus. Es geht gar nicht um Armut. Es geht um Liebe.
Weder der Staat im Allgemeinen, noch die Schule im Besonderen können das Versagen der Eltern kompensieren. Schon gar nicht, wenn die schulischen Leistungsanforderungen und die Autorität der Lehrer jahrzehntelang verteufelt wurden. Gerade sie müssten den Kindern die wichtige Möglichkeit geben, sich zu erproben, andernfalls der Weg in die Gewalt umso kürzer wird. Die Ganztagsschule raubt wertvolle, nämlich einzigartig liebevolle Elternzeit. Die Einheitsschule überfordert ein Drittel der Schüler und unterfordert ein anderes (Kraus). Dass egozentrische Eltern froh sind, ihre Kinder so viel wie möglich los zu sein, macht die Zugriffe des Staates keineswegs besser. Besser wäre es, er klopfte den Eltern auf die Finger. Denn weder die Ganztags- noch die Einheitsschule kann die spezifisch elterlichen Pflichten und Fähigkeiten ersetzen, an denen sich seit Pestalozzis Zeiten nichts geändert hat. Sei heißen »Zeit«, »Zuwendung« und »Zärtlichkeit«: »Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts.«
Alle gute Psychologie und Pädagogik pfeift es wie Spatzen von den Dächern, dass Kinder vor allem in den ersten drei Jahren ihres Lebens geschützte Bindung brauchen. Welche Frau, fragte Albert Wunsch, würde sich für einen Mann entscheiden, der ihr als Ersatz für Liebe eng bemessene »quality time« anböte? Schon Jean Paul wusste: »Mit einer Kindheit voll Liebe kann man ein halbes Leben hindurch die kalte Welt aushalten.« Wir sind keine Ich-AGs. Wir sind nicht als Autisten geboren. Wer in seinem Inneren auf die Suche nach sich selbst geht, findet dort nicht viel. Das Ich ist nicht innerlich. Das Ich ist exzentrisch. »Unsere Mitte liegt in einem Du«, sagt Hanna Barbara Gerl-Falkovitz. Wir stehen fortwährend unter Spannung, weil wir unseren Selbstwert nicht aus uns selbst schöpfen können, sondern auf den Zuspruch anderer angewiesen sind. Einem Menschen, dem Bezogenheit und Bindung schwerfallen, fehlt es deshalb auch an positivem und stabilem Selbstwertgefühl. Wenn 55 bis 60 Prozent aller Kinder mit sicheren Bindungen aufwachsen (Brisch), dann kann man die anderen 40 bis 45 Prozent nicht als Ausnahmen abtun. Alle sind und bleiben bedürftig: »Niemand hat je genug bekommen, und wir geben auch nie genug« (Gerl-Falkovitz).
Umso wichtiger ist es, viel zu geben, vor allem Kleinkindern. Davon, ob sie genug Liebe bekommen haben, hängt in ihrem späteren Leben ihre Liebes- und Arbeitsfähigkeit ab, also alles. Auch das Arbeitsleben kommt übrigens nicht ohne geordnete und verlässliche Beziehungen aus, die schwerlich geordnet und verlässlich sein können, wenn im privaten Leben die Liebe fehlt oder gefehlt hat. Kleinkinder, die widersprüchlichen Impulsen ausgesetzt sind, erstarren. Andere, denen sich die Mutter entzieht, zeigen promiskuitives Verhalten. Sie bieten sich schlichtweg jedem an, der in ihre Nähe kommt, wenn auch nicht aus sexuellen Gründen – oder noch nicht. Schon Kleinkinder können die schrecklichsten, subjektiv niemals aufhörenden Ambivalenzen erleben, wenn ihre Eltern eine gestörte Beziehung zu ihnen unterhalten. Jedwede Gemeinschaft, die ihrer eigenen Zukunft lebt, weiß das. Trotzdem gibt sie möglichst viel Verantwortung den niemals perfekten Eltern, weil deren Liebe mehrheitlich instinktsicher, am wenigsten missbräuchlich und unersetzlich ist.
Während die klassische Familie immer mehr diffamiert wird, konfrontiert uns die demografische Krise mit wachsenden quantitativen und qualitativen Nachwuchsproblemen, die die Zuwanderung nicht lösen kann. Unser Staat ignoriert die demografische Krise ja nicht nur. Er verschärft sie, indem er daran arbeitet, Kleinkindern die mütterliche Liebe vorzuenthalten und bereits erwachsene Bürger bindungslos, krank und verrückt zu machen. Wenn die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrer Kampagne »Mach’s mit« oberflächlich für die Benutzung von Kondomen, tatsächlich aber für egozentrischen, bindungslosen Geschlechtsverkehr wirbt, wenn sie bundesweit nicht nur für schnellen Sex und Promiskuität, sondern auch für gestörte Beziehungen wirbt, in denen der double bind regiert und ein höchstens siebzehnjähriges Mädchen, das »es« angeblich »soft« will, mit düsterem Blick und bandgierten Fäusten droht, wenn also eine »Gesundheitszentrale« (dieser Hohn ist kaum zu überbieten) solche Kampagnen inszeniert, dann setzt sie nicht nur auf gestörte Beziehungen, sondern auch auf gestörte Persönlichkeiten.
Sex ohne Bindung reicht offenbar nicht. Es reicht offenbar nicht, dass es leichter ist, mit jemandem zu schlafen, als ihn nach seinem Namen zu fragen, wie Botho Strauß schon im Jahre 1989 in Über Liebe schrieb. Das birgt im Gegenteil die Gefahr, süchtig zu werden, vom verzweifelt Gesuchten ausgesaugt und zerstört zu werden. Wozu sollten wir uns unserer Begierde unterwerfen? Wozu sollten wir andere zu Objekten unserer Begierde machen? Warum wird gleichzeitig der harmloseste Flirt als »Sexismus« verteufelt? Wie dem auch sei, jene jungen Frauen, die sich massenhaft schlitzen, die sich tätowieren und piercen lassen, tun genau das, was die Bundesgesundheitszentrale offenbar von ihnen erwartet: Sie hassen statt zu lieben, vor allem sich selbst. Nach demselben Muster, das der Kodomwerbung zugrunde liegt, müsste die Bundeszentrale auch für Gewalt als Mittel der Konfliktlösung werben. Gewalt geht, genau wie Sex, aber im Unterschied zur Liebe, wunderbar schnell. Nach der zeitsparenden Triebabfuhr stünde der unverzüglichen Rückkehr an den Arbeitsplatz nichts im Wege.
Trotz der Verrücktheiten unserer Tage gehört zu der unumstößlichen Ordnung, in und von der wir leben, das gar nicht so neue Wissen darum, wie sich eine Vielzahl sozialer Probleme vermeiden ließe, mit denen Eltern und Lehrer zu kämpfen haben, bevor ihnen Polizisten, Gefängniswärter und Psychiater die schwersten Fälle abnehmen. Wo Partnerschaftsprobleme künstlich gezüchtet werden, lassen Erziehungsprobleme nicht lange auf sich warten. Erziehungsprobleme führen wiederum zu Partnerschaftsproblemen. »Aus beidem zusammen entstehen Problemkinder, die mit Aggression oder Depression auf sich aufmerksam machen.« (Wunsch) Liebevolle Eltern sind unersetzlich (Kinder hören zwar nicht auf sie, machen ihnen aber alles nach). Die meisten Eltern sind liebevoll, und viele andere könnten es mit ein paar guten Ratschlägen sowie mit weniger Zeit- und Konsumdruck bestimmt leicht werden.
Die drei Imperative für elterliche Liebe und Erziehung lauten »wohlwollend«, »vorlebend« und »konsequent«: »Konsequenz ohne Wohlwollen ist Härte, Konsequenz ohne Vorleben ist Lüge, und Wohlwollen ohne Konsequenz ist Feigheit.« (Albert Wunsch) Wer von den eigenen Eltern weder geliebt noch gefordert wird, sucht sich Anerkennung und Herausforderung bei der »Peergroup«, im politischen Extremismus oder im Islam. Ein grausamer Staat, der alles daran setzt, ganzen Generationen die frühkindliche Mutterliebe zu entziehen, überschätzt seine Möglichkeiten seelischer Reparatur. Um von dem Zynismus nicht zu reden, der sehenden Auges die Reparaturbedürftigkeit riskiert. Der Staat muss selbst für eine Betreuung sorgen, die im Vergleich zur Mutter- und Elternliebe immer nur minderwertig sein kann. Später muss er unendlich viel Aufwand in die oft vergeblichen Heilungsversuche frühkindlicher Beschädigungen stecken. Der einzig gesunde Betreuungsschlüssel, der nach dem spontan zum »Bindungsguru« ernannten Karl Brisch bei höchstens drei Kindern durch einen Erwachsenen liegt, ist in großem Stil unbezahlbar. Selbst wenn er bezahlbar wäre, könnte er nicht die jahrelange Bindung an dieselbe Bezugsperson sicherstellen. Dabei wäre alles so einfach: Liebe, Liebe und nochmals Liebe. »Emotionen sind die Architekten des Gehirns«, zitierte Jürgen Liminski den amerikanischen Bindungsforscher und Kinderarzt Stanley Greenspan. Mit Liebe geht alles. Ohne Liebe geht nichts.
]]>Bis zum Sommer 2013 gab es einen einigermaßen konstanten kulturellen Konsens weltgeschichtlichen Ausmaßes. Die Behütung und Erziehung von Kindern durch ihre eigenen Eltern galt als der beste Lebensraum – für die Kinder. Jedenfalls bis auf wenige Ausnahmen, die das Prinzip selbst nicht in Frage stellten, sondern bestätigten. Denn für ein Volk, eine Kultur oder eine Gesellschaft gilt: Wer dem Wohlergehen der Kinder nicht den Vorrang gibt, riskiert ihr Wohl und hört früher oder später auf zu existieren. Wo bislang die Homosexualität gefördert wurde, ging es stets um den politischen Willen, die Zahl der Nachkommen zu begrenzen, warum auch immer. Wo man das nicht wollte, blieb die Homosexualität marginal. Das Widersprüchlichste auf Kosten des Kindeswohls rechtlich zu verbinden, nämlich die Homosexualität und den Kinderwunsch, kann nur einer Kultur einfallen, der die Wesenhaftigkeit beider Lebenstatsachen gleichgültig ist. Diesen Satz könnten auch viele Homosexuelle bestätigen. Der alte Konsens, nennen wir ihn den Primat des Kindes, war gelegentlich gefährdet, sodass er immer wieder verteidigt werden musste. In unseren Breiten waren es zuletzt die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, die ihn mit Füßen traten und zu beseitigen versuchten. Aber der Konsens hat überlebt. Fast überall auf der Welt steht er mit der selbstverständlichen Lebenspraxis der meisten Menschen und ihrer Familien im Einklag. Bis heute.
In der westlichen Welt ist es mit dieser Selbstverständlichkeit jetzt vorbei. Die europäischen und nordamerikanischen Medien beklagen zwar den terroristischen Islamismus (dem auch Kinder zum Opfer fallen), sie beklagen die Armut in Afrika (an der auch Kinder leiden und sterben) und sie beklagen den Kindesmissbrauch in den eigenen Ländern. Sie beklagen aber nicht, dass »der Westen«, der sich gern zur »Weltgemeinschaft« aufbläst, anmaßend, hochmütig und gewalttätig wird. Sie beklagen nicht, dass der Westen mit seiner eigenen Kultur und Zivilisation, mit den natürlichen Voraussetzungen seiner Zukunft und der Zukunft aller Menschen selbstmörderisch bricht. Sie beklagen nicht, dass er dem Rest der Welt im Namen der »Gleichheit« ein unmenschliches und abstoßendes Schauspiel liefert. Sie beklagen nicht, dass er die Grundgesetze von Naturvölkern, Weltreligionen und Hochkulturen, ja, die Lebensregeln aller kultivierten Völker mit Füßen tritt. Sie beklagen nicht, dass der Westen derejenige ist, der den Rest der Welt verstört, indem er ihn zu Abscheu und Verachtung zwingt.
Nein, leider übertreibe ich nicht. In dieser Woche wurde bekannt, dass der Oberste Gerichtshof der USA die Rechte von homosexuellen Paaren gestärkt habe. Die Richter hatten geurteilt, dass die Privilegierung der traditionellen Ehe von Mann und Frau im Steuer- und Erbrecht unzulässig sei. Ein entsprechendes Bundesgesetz wurde für verfassungswidrig erklärt. Zur Begründung hieß es, die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Derart von unserer Schutzmacht ermutigt, brauchte der Deutsche Bundestag nicht länger zu zögern. Er beschloss gestern, im Hinblick auf das jüngst gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Ehegattensplitting auf gleichgeschlechtliche Paare rückwirkend bis zum Jahr 2001 auszudehnen. Das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist noch nicht beschlossen, aber auch das wird kommen. Die staatliche Finanzierung von künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft sind noch nicht oder noch nicht bundesweit beschlossen, aber auch sie werden kommen.
Nachkommenschaft ist damit nicht länger eine Frage der persönlichen Verantwortung und Lebensführung. Kinder sind ab jetzt Objekt und Produkt staatlicher Zuteilung. Die Zuteilung findet nicht länger im Not- oder Ausnahmefall statt wie beim vorzeitigen Tod der leiblichen Eltern, sondern vorsätzlich zum Wohle einer als »gleichgeschlechtlich« bezeichneten Gruppe von Erwachsenen, die auf diese Weise einerseits ganz unscharf bestimmt, andererseits durch ihre wachsenden Privilegien um so schärfer abgegrenzt wird. Es handelt sich um eine Gruppe, von der man nicht einmal weiß, ob sie keine Kinder zeugen kann oder will. Nicht einmal das wissen wir. Die einfachste Frage wird nicht gestellt.
Der Deutschlandfunk kommentierte das amerikanische Urteil sinngemäß derart, dass gleichgeschlechtliche »Eltern« für Kinder genauso gut und wertvoll seien wie herkömmliche Eltern auch. Dazu fällt mir der Mitarbeiter Stalins ein, der auf den Deportationslisten eines Tages den Namen seiner Frau fand und von Stalin väterlich beruhigt wurde. In der Tat machte ihm noch am selben Abend eine andere Frau die Tür auf … So eine Welt muss man aushalten können. Elmar Kraushaar verstieg sich in der Berliner Zeitung zu dem todessüchtigen Satz: »Homosexualität bleibt so lange außen vor, solange es Heterosexualität gibt.« Richtig, aber wenn dieser Fall einträte, den er sich offenbar herbeiwünscht, würde es bald darauf überhaupt keine Menschen mehr geben. Um von jeglicher Sexualität ganz zu schweigen. Dieser Preis erscheint Herrn Kraushaar als nicht zu hoch. Was schließen wir daraus? Wer ist hier eigentlich aggressiv? Erst durfte die Fruchtbarkeit nicht mehr das Kriterium sein, das die einzig wertvolle Form von Sexualität von weniger wertvollen Formen schied: »Die normalen Leute kriegen ja auch immer weniger Kinder.« Ich weiß – wer solchen Schwachsinn kommentiert, begibt sich auf dessen Niveau. Aber sei’s darum. Es muss ja leider gesagt werden: Man tut so, als ob die Kinderlosigkeit, nur weil es sie gibt, auch schon begrüßenswert und förderungswürdig wäre. Dann fällt denselben Leuten, die Kinderlosigkeit vorbildlich finden, plötzlich auf, dass es, obwohl sie die Kinderlosigkeit im Geiste längst gleichgestellt und das Vorhandensein von Kindern für unbeträchtlich erklärt haben, immer noch Kinder gibt.
Und nun wollen sie auch welche, obwohl die Kinderlosigkeit das tertium comparationis ihrer »Gleichheit« ist. Um welche zu bekommen, wollen sie das Kindermachen den anderen Leuten aber nicht einfach nachmachen. Die ganz normale Art des Kindermachens kommt für sie aus Gründen ein und desselben Gleichheitsgedankens offenbar nicht in Frage. Eine womöglich gelebte und nicht nur behauptete Gleichheit darf die Leute ja nicht um ihre wertvolle Ungleichheit bringen, die allein es ihnen ermöglicht, alle Mängel ihrer Lebensweise durch Forderungen an Staat und Gesellschaft auszugleichen. Es geht nicht darum, gleich zu sein, sondern gleich und ungleich zugleich. Sodass man immer auf beiden Hochzeiten tanzen kann, auch dann, wenn es gar keine Hochzeiten mehr zu feiern gibt. Um der Gleichheit willen (und unter Berücksichtigung der unverzichtbaren Ungleichheit) müssten also künftig alle Kinder aus künstlicher Befruchtung entstehen oder vom Klapperstorch geliefert werden. Was sie offenbar schon geschieht, weil ja, wie Bernhard Lassahn in seiner neuesten Intervention festgestellt hat, die natürliche Zeugung durch Mann und Frau, wenn auch aus anderen Gründen als damals, heute wieder nicht angesprochen werden darf, um von einer etwaigen Bevorzugung vor anderen Methoden ganz zu schweigen. Nein, ausgerechnet Die Grünen versprechen uns für den Fall ihrer nächsten Regierungsbeteiligung, nachdem sie uns schon zum Schutz der Natur die Industrialisierung der Landschaft durch Windräder beschert haben, den medizintechnischen Menschenpark. Die entsprechenden Firmen werden sich freuen. Wer bezahlt eigentlich die Grünen?
Klar, wenn Familie überall da ist, »wo es Kinder gibt« oder »wo alle aus demselben Kühlschrank essen«, dann sind »Eltern« ganz einfach irgendwelche Erwachsenen, die gerade mit Kindern zusammensind, warum oder seit wann auch immer. Ein homosexuelles Paar, das mit technischer Hilfe zu »Eltern« wird, hat aber einen Dritten im Bunde, der zurücktreten muss: den anderen biologischen Elternteil. Vater Samenspender oder Mutter Eizellspenderin, um von der Leihmutter zu schweigen, überlassen dem zahlenden Elternteil und seinem gleichgeschlechtlichen Partner, demnächst mit staatlicher Unterstützung, das Familienfeld. Das umgebogene Wort »Familie« vertuscht genau an der Stelle eine krasse Ausgrenzung, wo es super integrativ zu klingen scheint. Die komplette Hälfte der allerengsten Verwandtschaft des Kindes (neben Vater oder Mutter auch die dazugehörigen Großeltern sowie leibliche Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen usw.) wurde schon ausgeschlossen, bevor die Familie überhaupt zustande kam. Wenn diese von vornherein ausgeschlossene allerengste Verwandtschaft es sich plötzlich anders überlegt, wird das homosexuelle Stiefelternteil seine womöglich hochbezahlten »Rechte« mit Zähne und Klauen verteidigen müssen.
Das Wort »Familie« ist, wie die Wörter »Ehe«, »Eltern« und »verheiratet«, schon jetzt zu einem unbrauchbaren Dunkelwort verkommen, bei dem man nicht mehr weiß, wovon eigentlich die Rede ist. Die Medien, die es sich leisten können, lügen sogar bewusst, um den Eindruck zu erzeugen, es gäbe so etwas wie natürliche gleichgeschlechtliche Eltern, und die gäbe es umso sicherer, je geheimnisvoller die Wege sind, auf denen sie »ihre« Kinder bekommen. Deshalb die neue Konjunktur des Klapperstorchs. Diesen ganzen Popanz kann man behaupten und auch mitmachen, den Preis aber zahlen die Kinder. Das Kind gleichgeschlechtlicher »Eltern« muss mindestens ein Elternteil entbehren. Auf dem Platz des fehlenden Elternteils wird ihm nicht etwa aus Not, sondern zum erklärten Wohle des vorhandenen homosexuellen Elternteils eine Person präsentiert, mit der es nichts zu tun hat. Ähnliches kennen wir von Kuckuckskindern, Scheidungskindern und Halbwaisen. Dort gilt es aber – oder galt es bisher – als trauriges Schicksal. Von nun an werden diese traurigen Kinderschicksale zwecks Gleichstellung von sexuellen Präferenzen vorsätzlich herbeigeführt, ein grausames Novum in der Geschichte der Menschheit.
Diese Feststellung ist aber offenbar nur noch ein schwaches Argument gegen die wie selbstverständlich erscheinenden Zumutungen, die man den Kindern vorbehält. Ihre Not ist der wahre Preis für den Selbstbetrug der Erwachsenen. Körperliche Kinderarbeit wird durch seelische ersetzt. Unsere elternverrückenden, also gewollt verrückten Verhältnisse sind schon so weit fortgeschritten, dass all das ziemlich widerspruchslos geschehen kann. Deshalb wird auch mein weitergehendes Argument nicht viel nützen, das den Blick in den wahren Abgrund dieser Vorgänge eröffnet. Wir kennen das Problem von der Abtreibung. Das Leid von Frauen, die abgetrieben haben, aber ihre Entscheidung lebenslang bereuen, muss unter den Tisch fallen. Das Leid der Kinder, die den Abtreibungswunsch ihrer Mutter aus irgendwelchen Gründen überlebt haben, muss auch unter den Tisch fallen. Wovon spreche ich? Wenn die Abtreibung prinzipiell erlaubt und möglich ist, beschädigt sie auch das nicht abgetriebene Leben in der Fraglosigkeit seiner Würde und Daseinsberechtigung.
Die Mutter, die da hätte abtreiben können, es aber nicht getan hat, gerät in die kaum beherrschbare Versuchung, ihren Abtreibungsimpuls auf Dauer zu stellen und dem Kind das Leben überall dort zu Hölle zu machen, wo das Leben des Kindes ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen in die Quere kommt. Von ernsten Problemen, die das Kind verursachen könnte, ganz zu schweigen. Das Kind läuft große Gefahr, seelische Störungen und Probleme bis hin zur Suchtgefährdung und Selbstmordneigung zu entwickeln. Die Selbstverständlichkeit von Abtreibung beschädigt das Lebensgefühl aller Kinder, denn Kinder brauchen nichts nötiger als fragloses Angenommensein und selbstverständliche Liebe. Das Problem, um das es hier geht, ist nicht, dass es diese Liebe hier und da nicht gäbe, aus welchen Gründen auch immer. Das Problem ist, dass diese Liebe ausdrücklich für verzichtbar erklärt wird, wo es um die »Selbstbestimmung« von Erwachsenen geht. Die fraglose, selbstverständliche Liebe zu Kindern um der Kinder willen wird in Zeiten massenhafter, staatlich geförderter Abtreibungspraxis Mangelware – bei allem Verständnis für manch schweren Einzelfall, in dem die Abtreibung begründet sein mag.
Diese Erfahrung muss dringend auf die Konstruktion gleichgeschlechtlicher »Familien« übertragen werden. Wenn das Schicksal von Scheidungskindern, Adoptivkindern und Halbwaisen nicht länger die bedauernswerte Ausnahme bleibt, sondern zum emanzipationspolitisch gewünschten Glücksfall umgelogen wird, was dann? Auf welches Verständnis, auf welches Mitleid, auf welche Einfühlung und auf welche Schonung dürfen dann jene Kinder noch rechnen, die auf herkömmliche Weise ein Elternteil oder gar beide auf einmal verlieren? Wird man ihnen sagen: »Hör zu, dein Klassenkamerad Peter hat zwei Väter, der hatte nie eine Mutter, und was der kann, das kannst du auch, hör schon auf zu heulen«? Mitleid mit Scheidungs- oder Halbwaisenkindern müsste künftig als Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Familien verurteilt und verboten werden. Ein entsprechendes Schuldgefühl wäre das mindeste.
Es wäre nicht das erste Schuldgefühl, mit dem wir unseren »Kulturfortschritt« bezahlten. Das tiefste und natürlichste Bedürfnis von Kindern, nämlich von ihren eigenen Eltern gehütet, geliebt und geborgen zu werden, dürfte nicht länger für wertvoll angesehen werden, weil es den gleichgeschlechtlichen Familien ein ständiger Dorn im Auge wäre, eine ständige Anklage, ein permanenter Hinweis auf das geplante, gewollte und staatlicherseits für gut befundene Defizit homosexueller Elternschaft. Es wird nicht nur eine neue Ungleichheit unter Kindern geben – jene mit ihren natürlichen und jene mit ihren juristischen Eltern, die man für ihre natürlichen ausgeben wird –, nein, es wird auch eine Diskriminierung von Kindern geben, die noch mit ihren natürlichen Eltern aufwachsen, weil sie es sein werden, die den Fortschritt beständig an die Leichen erinnern, die er in seinem eigenen Keller zu liegen hat.
Der Schriftsteller Mario Vargas Llosa schreibt in seinem Buch Alles Boulevard (S. 67), das kolossale Vorurteil unserer Tage bestehe darin, eine Sache, bloß weil es sie gibt, als gleichwertig anzusehen. Mit diesem Vorurteil bezahlen wir den Abschied von allen anderen Vorurteilen, während wir die Fähigkeit verlieren, uns noch zu irgendeinem gesunden Urteil aufzuraffen. Zu diesem Problem gehört die vorurteilsbewehrte »Gleichwertigkeit« gleichgeschlechtlicher »Elternschaft«, die allem Wissen über zarte Kinderseelen Hohn spricht. Viele dieser Kinder werden es in ihrer Entwicklung sehr schwer haben und zwar nur deshalb, weil Mama oder Papa nicht auf das andere Geschlecht »stehen«. Oder nicht nur. Oder nicht mehr. Diese Kinder werden aber, als brave Kinder ihrer Eltern, alle Defizite ihrer Lage in höchst persönliche Schuldgefühle zu verwandeln wissen, wie Bertrand Vergely betont hat. Früher sagte man: »Bei Kindern hört der Spaß auf.« Heute hört das Glück von Kindern mit Rücksicht auf den Spaß von so genannten Eltern auf. Heute hört das Glück von Kindern mit Rücksicht auf ein Phänomen auf, vor dem herkömmliche, liebevolle und nicht narzisstisch mit sich selbst beschäftigte Eltern gesunderweise die Augen verdrehen. Wenigstens dann, wenn es um Kinder geht.
Wer den Ausschluss eines Elternteils aus eigener Erfahrung kennt, der weiß: Wir haben es mit seelischen Beschädigungen zu tun, die nicht länger auf ein Minimum begrenzt, sondern von staatlicher Seite juristisch gedeckt und finanziell gefördert werden. Wir haben im Zuge solcher Gleichstellungsmaßnahmen nichts Geringeres verwirkt als das Recht, uns noch über irgendeinen terroristischen Anschlag irgendwo auf dieser Welt zu empören. Wir verfahren nicht weniger rücksichtslos als jene, die ebenfalls mit zweifellos »guten« Absichten Menschen, Häuser und Autos in die Luft jagen. Wir jagen die gesunde, normale Familie in die Luft, nicht mit Bomben, aber mit Gesetzen, die dem Leben feindlich sind und der Schöpfung und Erneuerung von Leben auch.
Wir machen unsere Kinder krank und verrückt, wenn wir sie zwingen, unsere Verrücktheiten als ein neues Gut zu bejahen. Wir machen kranke und verrückte Kinder, wenn wir sie von anderen und anderswo produzieren lassen. Wozu muss das sein? Doch nicht, damit Männer Männer lieben dürfen und Frauen Frauen. Das dürfen sie fast überall. Selbst Nigeria kämpft offenbar nur gegen Homosexualität in der Öffentlichkeit und mehr noch gegen Bevormundung durch den Westen. Eine Gesellschaft, die die folgenlose, weil unfruchtbare Sexualität gleichstellt, stellt die Folgenlosigkeit und Unfruchtbarkeit der Folgenhaftigkeit und Fruchtbarkeit gleich, sie stellt Nichtleben und Leben gleich, sie stellt Tod und Leben gleich. Eine Gesellschaft, die das tut, will nicht mehr leben. Mindestens soll sie nicht mehr leben wollen. Es geht nicht um Gleichheit, es geht um Leben und Tod. Wilde Liebe und wilde Sexualität waren schon immer Liebe zur Liebe und nicht Liebe zur geliebten Person. Liebe zur Liebe ist in Wahrheit Liebe zum Hindernis der Liebe. Ist Liebe zur Unmöglichkeit von Liebe. Ist Liebe zur Unmöglichkeit zu leben. Ist Liebe zum Tod (vgl. Denis de Rougemont, Die Liebe und das Abendland, Köln/Berlin 1966; frz. Originalausgabe von 1939).
An dem Preis, den die Kinder zahlen sollen, könnten wir ablesen, dass auch Erwachsene nicht alles dürfen, was ihre Triebe oder Impulse ihnen als Wunsch oder Wille einreden. Die Kinder der westlichen Welt können sich ihrer natürlichen Eltern nicht mehr sicher sein, weil sie nicht mehr sicher sein können, dass das Zusammenleben von Kindern mit ihren natürlichen Eltern verlässliche private und öffentliche Wertschätzung erfährt, dass es geschützt oder wenigstens bevorzugt wird: »Wir wollten mit den Eliten aufräumen, denn das Privilegierte, Abwertende, Diskriminierende (…) war uns moralisch zuwider, und im Laufe der Zeit haben wir auf verschiedene Weise diese exklusive Bande von Schulmeistern, die sich für etwas Besseres hielten, (…) aufgerieben. Aber was wir erreicht haben, war ein Pyrrhussieg, ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit: zu leben in einer verwirrten Welt, in der paradoxerweise, weil niemand mehr weiß, was sie eigentlich bedeutet, Kultur nun alles ist und nichts.« (Mario Vargas Llosa, Alles Boulevard, S. 69 f.)
Das Wichtigste und Kostbarste, was Kinder überhaupt haben – wenn schon nicht die Liebe der eigenen Eltern, dann wenigstens die eigenen Eltern –, eben das wird von Staat, Politik und Medien mit Füßen getreten. Staat und Gemeinwesen werden von nun an der Behütung und Erziehung durch die leiblichen Eltern nicht mehr den klaren Vorzug geben müssen, wollen oder können. Die Welt, die dem Wohl von Kindern den Vorzug gab, war die Welt von gestern. Die Welt von morgen ist eine bizarre, grausame Welt, die die Schicksale von Scheidungskindern, Kuckuckskindern und Halb- oder Vollwaisenkind zu einem erstrebenswerten, wünschenswerten und emanzipationspolitisch kostbaren Vorfall macht.
Eine Welt, die das tut, muss das wollen, andernfalls sie es nicht tun würde. Wenigstens würde sie es tun, ohne es zu feiern, wenn sie es nicht wollte und dennoch für notwendig befände. Was für eine Welt das ist, in der wir von nun an leben werden, verrät uns die Frankfurter Rechtsprofessorin Ute Sacksofsky in einer Rechtskolumne, die im Juni-Heft der Zeitschrift Merkur erschien und hier online gelesen werden kann. Da erfahren wir nicht nur, »dass es um die Weitergabe deutschen Erbguts nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr gehen kann«. Das wussten wir schon. Die »deutsche Kultur«, wozu Frau Sacksofsky immerhin deutsche Weihnacht, deutsche Volkslieder, die Liebe zu Wald und Bier, die Romantik und die Currywurst einfällt, habe, sagt sie, ihre Prägekraft verloren, sodass es keinen Grund gebe, sie unter »Artenschutz« zu stellen.
Diese Bodenlosigkeit ist der wohlbestallten Professorin und Richterin aber noch nicht bodenlos genug. Frau Sacksofsky tut es offenbar nicht unterhalb der vollständigen Verachtung ihres eigenen Lebenszusammenhangs: »Die Steigerung der Geburtenrate ist kein legitimes staatliches Ziel.« Geburt auf der einen Seite sowie Verhütung und Abtreibung auf der anderen sollen eine gleichgewichtige Alternative bilden. Grundrechtliche Freiheit verlange, dass der Staat sich seines Einflusses enthält, mithin neutral ist. Anreize, insbesondere Anreize zur Nachwuchsförderung, seien mit der Neutralität des Staates nicht kompatibel, folglich verfassungswidrig. Den Rest ihres Beitrags widmet Frau Sacksofsky dem offenbar gerechtfertigten Neid (ist es der Neid anderer oder ihr eigener?) auf »Reiche« und Kinderreiche, insbesondere natürlich auf die staatliche Förderung von Kinderreichen, von der »Reiche« angeblich besonders profitieren. Dabei sei das gar nicht nötig, schließlich brauche man nicht für jedes neue Kind einen neuen Kinderwagen.
Das »Neutralitätsgebot« würde bereits der Staat verletzen, der ein Interesse an seinem eigenen Fortbestehen hätte: »Der Staat ist die Selbstorganisation eines Volkes; wenn es kein Volk mehr gäbe, wäre der Staat überflüssig.« Der Satz ist ja nicht falsch. Wie klang der Gedanke bei Elmar Kraushaar? – »Homosexualität bleibt so lange außen vor, solange es Heterosexualität gibt.« Auch dieser Satz ist nicht falsch. Wenn aber etwas wertvoll ist, nur weil es vorkommt, dann kann auch das Nichtvorkommen wertvoll werden. Also das Nichts. Wäre es besser, der »neutrale« Staat gäbe Geld für das Nichts – und nicht für Kinder? Wenn der Westen so weitermacht, wird ihn der große Rest der Menschheit nicht nur zu Recht verachten, bekämpfen und besiegen. Er wird ihn ganz zuletzt auch vergessen. Einen Herrn Kraushaar und eine Frau Sacksofsky, die sich darüber freuen würden, wird es dann längst nicht mehr geben. Ganz zu schweigen von all den anderen, die wegen dieser vom »neutralen« Staat verordneten Gleichgültigkeit, ja Gewissenlosigkeit gegenüber dem Wohl von Kindern abgetrieben, seelisch verkrüppelt oder gar nicht erst gezeugt wurden. Wenn die selbsternannten Weltverbesserer früher von sich sagten, sie seien die Leute, vor denen ihre Eltern sie immer gewarnt hätten, dann müssten sie heute sagen: »Wir sind die Leute, vor denen unsere Eltern uns noch geschützt haben.«
Wer wird die Kinder vor den Leuten beschützen, die jetzt das Sagen haben? Wenn doch wenigstens der Hochmut nicht wäre. Wer diese rücksichtslose Gleichstellungspolitik zukunftsweisend findet und gutheißt, der bilde sich nicht länger ein, er diente dem globalen Fortschritt der Menschheit. Er bilde sich nicht ein, er wäre noch irgendjemandem auf dieser Welt moralisch überlegen. Das ist er nicht. Das Recht, an irgendetwas irgendwo auf der Welt aus moralischen Gründen zu appellieren, hat er spätestens von heute an verwirkt. »Der Westen« ist derjenige, der die Menschheit gefährdet, der ihren Gemeingeist aufkündigt, der die Menschheit verrät. Das wird sich bitter rächen. Der hochmütige Glaube, der Wahn, das Tor zu einer neuen Zeit aufgestoßen zu haben, wird uns teuer zu stehen kommen.
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Zum kommenden Umbau des Adoptionsrechtes, das bisher für Kinder da war und von nun an »für« bestimmte Erwachsene da sein soll, habe ich soeben in der Zeitschrift »Die Neue Ordnung« einen Artikel veröffentlicht, den man hier online lesen kann.
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