Der Zivilisationsbruch ist da. Die Welt, die dem Wohl von Kindern den Vorzug gab, war die Welt von gestern. Im Zuge der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare soll das Wohl der Kinder von nun an dem vermeintlichen Wohl von Erwachsenen geopfert werden. Gleichstellung zieht seelische Beschädigung von Kindern nach sich.
Bis zum Sommer 2013 gab es einen einigermaßen konstanten kulturellen Konsens weltgeschichtlichen Ausmaßes. Die Behütung und Erziehung von Kindern durch ihre eigenen Eltern galt als der beste Lebensraum – für die Kinder. Jedenfalls bis auf wenige Ausnahmen, die das Prinzip selbst nicht in Frage stellten, sondern bestätigten. Denn für ein Volk, eine Kultur oder eine Gesellschaft gilt: Wer dem Wohlergehen der Kinder nicht den Vorrang gibt, riskiert ihr Wohl und hört früher oder später auf zu existieren. Wo bislang die Homosexualität gefördert wurde, ging es stets um den politischen Willen, die Zahl der Nachkommen zu begrenzen, warum auch immer. Wo man das nicht wollte, blieb die Homosexualität marginal. Das Widersprüchlichste auf Kosten des Kindeswohls rechtlich zu verbinden, nämlich die Homosexualität und den Kinderwunsch, kann nur einer Kultur einfallen, der die Wesenhaftigkeit beider Lebenstatsachen gleichgültig ist. Diesen Satz könnten auch viele Homosexuelle bestätigen. Der alte Konsens, nennen wir ihn den Primat des Kindes, war gelegentlich gefährdet, sodass er immer wieder verteidigt werden musste. In unseren Breiten waren es zuletzt die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, die ihn mit Füßen traten und zu beseitigen versuchten. Aber der Konsens hat überlebt. Fast überall auf der Welt steht er mit der selbstverständlichen Lebenspraxis der meisten Menschen und ihrer Familien im Einklag. Bis heute.
In der westlichen Welt ist es mit dieser Selbstverständlichkeit jetzt vorbei. Die europäischen und nordamerikanischen Medien beklagen zwar den terroristischen Islamismus (dem auch Kinder zum Opfer fallen), sie beklagen die Armut in Afrika (an der auch Kinder leiden und sterben) und sie beklagen den Kindesmissbrauch in den eigenen Ländern. Sie beklagen aber nicht, dass »der Westen«, der sich gern zur »Weltgemeinschaft« aufbläst, anmaßend, hochmütig und gewalttätig wird. Sie beklagen nicht, dass der Westen mit seiner eigenen Kultur und Zivilisation, mit den natürlichen Voraussetzungen seiner Zukunft und der Zukunft aller Menschen selbstmörderisch bricht. Sie beklagen nicht, dass er dem Rest der Welt im Namen der »Gleichheit« ein unmenschliches und abstoßendes Schauspiel liefert. Sie beklagen nicht, dass er die Grundgesetze von Naturvölkern, Weltreligionen und Hochkulturen, ja, die Lebensregeln aller kultivierten Völker mit Füßen tritt. Sie beklagen nicht, dass der Westen derejenige ist, der den Rest der Welt verstört, indem er ihn zu Abscheu und Verachtung zwingt.
Nein, leider übertreibe ich nicht. In dieser Woche wurde bekannt, dass der Oberste Gerichtshof der USA die Rechte von homosexuellen Paaren gestärkt habe. Die Richter hatten geurteilt, dass die Privilegierung der traditionellen Ehe von Mann und Frau im Steuer- und Erbrecht unzulässig sei. Ein entsprechendes Bundesgesetz wurde für verfassungswidrig erklärt. Zur Begründung hieß es, die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Derart von unserer Schutzmacht ermutigt, brauchte der Deutsche Bundestag nicht länger zu zögern. Er beschloss gestern, im Hinblick auf das jüngst gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Ehegattensplitting auf gleichgeschlechtliche Paare rückwirkend bis zum Jahr 2001 auszudehnen. Das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist noch nicht beschlossen, aber auch das wird kommen. Die staatliche Finanzierung von künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft sind noch nicht oder noch nicht bundesweit beschlossen, aber auch sie werden kommen.
Nachkommenschaft ist damit nicht länger eine Frage der persönlichen Verantwortung und Lebensführung. Kinder sind ab jetzt Objekt und Produkt staatlicher Zuteilung. Die Zuteilung findet nicht länger im Not- oder Ausnahmefall statt wie beim vorzeitigen Tod der leiblichen Eltern, sondern vorsätzlich zum Wohle einer als »gleichgeschlechtlich« bezeichneten Gruppe von Erwachsenen, die auf diese Weise einerseits ganz unscharf bestimmt, andererseits durch ihre wachsenden Privilegien um so schärfer abgegrenzt wird. Es handelt sich um eine Gruppe, von der man nicht einmal weiß, ob sie keine Kinder zeugen kann oder will. Nicht einmal das wissen wir. Die einfachste Frage wird nicht gestellt.
Der Deutschlandfunk kommentierte das amerikanische Urteil sinngemäß derart, dass gleichgeschlechtliche »Eltern« für Kinder genauso gut und wertvoll seien wie herkömmliche Eltern auch. Dazu fällt mir der Mitarbeiter Stalins ein, der auf den Deportationslisten eines Tages den Namen seiner Frau fand und von Stalin väterlich beruhigt wurde. In der Tat machte ihm noch am selben Abend eine andere Frau die Tür auf … So eine Welt muss man aushalten können. Elmar Kraushaar verstieg sich in der Berliner Zeitung zu dem todessüchtigen Satz: »Homosexualität bleibt so lange außen vor, solange es Heterosexualität gibt.« Richtig, aber wenn dieser Fall einträte, den er sich offenbar herbeiwünscht, würde es bald darauf überhaupt keine Menschen mehr geben. Um von jeglicher Sexualität ganz zu schweigen. Dieser Preis erscheint Herrn Kraushaar als nicht zu hoch. Was schließen wir daraus? Wer ist hier eigentlich aggressiv? Erst durfte die Fruchtbarkeit nicht mehr das Kriterium sein, das die einzig wertvolle Form von Sexualität von weniger wertvollen Formen schied: »Die normalen Leute kriegen ja auch immer weniger Kinder.« Ich weiß – wer solchen Schwachsinn kommentiert, begibt sich auf dessen Niveau. Aber sei’s darum. Es muss ja leider gesagt werden: Man tut so, als ob die Kinderlosigkeit, nur weil es sie gibt, auch schon begrüßenswert und förderungswürdig wäre. Dann fällt denselben Leuten, die Kinderlosigkeit vorbildlich finden, plötzlich auf, dass es, obwohl sie die Kinderlosigkeit im Geiste längst gleichgestellt und das Vorhandensein von Kindern für unbeträchtlich erklärt haben, immer noch Kinder gibt.
Und nun wollen sie auch welche, obwohl die Kinderlosigkeit das tertium comparationis ihrer »Gleichheit« ist. Um welche zu bekommen, wollen sie das Kindermachen den anderen Leuten aber nicht einfach nachmachen. Die ganz normale Art des Kindermachens kommt für sie aus Gründen ein und desselben Gleichheitsgedankens offenbar nicht in Frage. Eine womöglich gelebte und nicht nur behauptete Gleichheit darf die Leute ja nicht um ihre wertvolle Ungleichheit bringen, die allein es ihnen ermöglicht, alle Mängel ihrer Lebensweise durch Forderungen an Staat und Gesellschaft auszugleichen. Es geht nicht darum, gleich zu sein, sondern gleich und ungleich zugleich. Sodass man immer auf beiden Hochzeiten tanzen kann, auch dann, wenn es gar keine Hochzeiten mehr zu feiern gibt. Um der Gleichheit willen (und unter Berücksichtigung der unverzichtbaren Ungleichheit) müssten also künftig alle Kinder aus künstlicher Befruchtung entstehen oder vom Klapperstorch geliefert werden. Was sie offenbar schon geschieht, weil ja, wie Bernhard Lassahn in seiner neuesten Intervention festgestellt hat, die natürliche Zeugung durch Mann und Frau, wenn auch aus anderen Gründen als damals, heute wieder nicht angesprochen werden darf, um von einer etwaigen Bevorzugung vor anderen Methoden ganz zu schweigen. Nein, ausgerechnet Die Grünen versprechen uns für den Fall ihrer nächsten Regierungsbeteiligung, nachdem sie uns schon zum Schutz der Natur die Industrialisierung der Landschaft durch Windräder beschert haben, den medizintechnischen Menschenpark. Die entsprechenden Firmen werden sich freuen. Wer bezahlt eigentlich die Grünen?
Klar, wenn Familie überall da ist, »wo es Kinder gibt« oder »wo alle aus demselben Kühlschrank essen«, dann sind »Eltern« ganz einfach irgendwelche Erwachsenen, die gerade mit Kindern zusammensind, warum oder seit wann auch immer. Ein homosexuelles Paar, das mit technischer Hilfe zu »Eltern« wird, hat aber einen Dritten im Bunde, der zurücktreten muss: den anderen biologischen Elternteil. Vater Samenspender oder Mutter Eizellspenderin, um von der Leihmutter zu schweigen, überlassen dem zahlenden Elternteil und seinem gleichgeschlechtlichen Partner, demnächst mit staatlicher Unterstützung, das Familienfeld. Das umgebogene Wort »Familie« vertuscht genau an der Stelle eine krasse Ausgrenzung, wo es super integrativ zu klingen scheint. Die komplette Hälfte der allerengsten Verwandtschaft des Kindes (neben Vater oder Mutter auch die dazugehörigen Großeltern sowie leibliche Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen usw.) wurde schon ausgeschlossen, bevor die Familie überhaupt zustande kam. Wenn diese von vornherein ausgeschlossene allerengste Verwandtschaft es sich plötzlich anders überlegt, wird das homosexuelle Stiefelternteil seine womöglich hochbezahlten »Rechte« mit Zähne und Klauen verteidigen müssen.
Das Wort »Familie« ist, wie die Wörter »Ehe«, »Eltern« und »verheiratet«, schon jetzt zu einem unbrauchbaren Dunkelwort verkommen, bei dem man nicht mehr weiß, wovon eigentlich die Rede ist. Die Medien, die es sich leisten können, lügen sogar bewusst, um den Eindruck zu erzeugen, es gäbe so etwas wie natürliche gleichgeschlechtliche Eltern, und die gäbe es umso sicherer, je geheimnisvoller die Wege sind, auf denen sie »ihre« Kinder bekommen. Deshalb die neue Konjunktur des Klapperstorchs. Diesen ganzen Popanz kann man behaupten und auch mitmachen, den Preis aber zahlen die Kinder. Das Kind gleichgeschlechtlicher »Eltern« muss mindestens ein Elternteil entbehren. Auf dem Platz des fehlenden Elternteils wird ihm nicht etwa aus Not, sondern zum erklärten Wohle des vorhandenen homosexuellen Elternteils eine Person präsentiert, mit der es nichts zu tun hat. Ähnliches kennen wir von Kuckuckskindern, Scheidungskindern und Halbwaisen. Dort gilt es aber – oder galt es bisher – als trauriges Schicksal. Von nun an werden diese traurigen Kinderschicksale zwecks Gleichstellung von sexuellen Präferenzen vorsätzlich herbeigeführt, ein grausames Novum in der Geschichte der Menschheit.
Diese Feststellung ist aber offenbar nur noch ein schwaches Argument gegen die wie selbstverständlich erscheinenden Zumutungen, die man den Kindern vorbehält. Ihre Not ist der wahre Preis für den Selbstbetrug der Erwachsenen. Körperliche Kinderarbeit wird durch seelische ersetzt. Unsere elternverrückenden, also gewollt verrückten Verhältnisse sind schon so weit fortgeschritten, dass all das ziemlich widerspruchslos geschehen kann. Deshalb wird auch mein weitergehendes Argument nicht viel nützen, das den Blick in den wahren Abgrund dieser Vorgänge eröffnet. Wir kennen das Problem von der Abtreibung. Das Leid von Frauen, die abgetrieben haben, aber ihre Entscheidung lebenslang bereuen, muss unter den Tisch fallen. Das Leid der Kinder, die den Abtreibungswunsch ihrer Mutter aus irgendwelchen Gründen überlebt haben, muss auch unter den Tisch fallen. Wovon spreche ich? Wenn die Abtreibung prinzipiell erlaubt und möglich ist, beschädigt sie auch das nicht abgetriebene Leben in der Fraglosigkeit seiner Würde und Daseinsberechtigung.
Die Mutter, die da hätte abtreiben können, es aber nicht getan hat, gerät in die kaum beherrschbare Versuchung, ihren Abtreibungsimpuls auf Dauer zu stellen und dem Kind das Leben überall dort zu Hölle zu machen, wo das Leben des Kindes ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen in die Quere kommt. Von ernsten Problemen, die das Kind verursachen könnte, ganz zu schweigen. Das Kind läuft große Gefahr, seelische Störungen und Probleme bis hin zur Suchtgefährdung und Selbstmordneigung zu entwickeln. Die Selbstverständlichkeit von Abtreibung beschädigt das Lebensgefühl aller Kinder, denn Kinder brauchen nichts nötiger als fragloses Angenommensein und selbstverständliche Liebe. Das Problem, um das es hier geht, ist nicht, dass es diese Liebe hier und da nicht gäbe, aus welchen Gründen auch immer. Das Problem ist, dass diese Liebe ausdrücklich für verzichtbar erklärt wird, wo es um die »Selbstbestimmung« von Erwachsenen geht. Die fraglose, selbstverständliche Liebe zu Kindern um der Kinder willen wird in Zeiten massenhafter, staatlich geförderter Abtreibungspraxis Mangelware – bei allem Verständnis für manch schweren Einzelfall, in dem die Abtreibung begründet sein mag.
Diese Erfahrung muss dringend auf die Konstruktion gleichgeschlechtlicher »Familien« übertragen werden. Wenn das Schicksal von Scheidungskindern, Adoptivkindern und Halbwaisen nicht länger die bedauernswerte Ausnahme bleibt, sondern zum emanzipationspolitisch gewünschten Glücksfall umgelogen wird, was dann? Auf welches Verständnis, auf welches Mitleid, auf welche Einfühlung und auf welche Schonung dürfen dann jene Kinder noch rechnen, die auf herkömmliche Weise ein Elternteil oder gar beide auf einmal verlieren? Wird man ihnen sagen: »Hör zu, dein Klassenkamerad Peter hat zwei Väter, der hatte nie eine Mutter, und was der kann, das kannst du auch, hör schon auf zu heulen«? Mitleid mit Scheidungs- oder Halbwaisenkindern müsste künftig als Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Familien verurteilt und verboten werden. Ein entsprechendes Schuldgefühl wäre das mindeste.
Es wäre nicht das erste Schuldgefühl, mit dem wir unseren »Kulturfortschritt« bezahlten. Das tiefste und natürlichste Bedürfnis von Kindern, nämlich von ihren eigenen Eltern gehütet, geliebt und geborgen zu werden, dürfte nicht länger für wertvoll angesehen werden, weil es den gleichgeschlechtlichen Familien ein ständiger Dorn im Auge wäre, eine ständige Anklage, ein permanenter Hinweis auf das geplante, gewollte und staatlicherseits für gut befundene Defizit homosexueller Elternschaft. Es wird nicht nur eine neue Ungleichheit unter Kindern geben – jene mit ihren natürlichen und jene mit ihren juristischen Eltern, die man für ihre natürlichen ausgeben wird –, nein, es wird auch eine Diskriminierung von Kindern geben, die noch mit ihren natürlichen Eltern aufwachsen, weil sie es sein werden, die den Fortschritt beständig an die Leichen erinnern, die er in seinem eigenen Keller zu liegen hat.
Der Schriftsteller Mario Vargas Llosa schreibt in seinem Buch Alles Boulevard (S. 67), das kolossale Vorurteil unserer Tage bestehe darin, eine Sache, bloß weil es sie gibt, als gleichwertig anzusehen. Mit diesem Vorurteil bezahlen wir den Abschied von allen anderen Vorurteilen, während wir die Fähigkeit verlieren, uns noch zu irgendeinem gesunden Urteil aufzuraffen. Zu diesem Problem gehört die vorurteilsbewehrte »Gleichwertigkeit« gleichgeschlechtlicher »Elternschaft«, die allem Wissen über zarte Kinderseelen Hohn spricht. Viele dieser Kinder werden es in ihrer Entwicklung sehr schwer haben und zwar nur deshalb, weil Mama oder Papa nicht auf das andere Geschlecht »stehen«. Oder nicht nur. Oder nicht mehr. Diese Kinder werden aber, als brave Kinder ihrer Eltern, alle Defizite ihrer Lage in höchst persönliche Schuldgefühle zu verwandeln wissen, wie Bertrand Vergely betont hat. Früher sagte man: »Bei Kindern hört der Spaß auf.« Heute hört das Glück von Kindern mit Rücksicht auf den Spaß von so genannten Eltern auf. Heute hört das Glück von Kindern mit Rücksicht auf ein Phänomen auf, vor dem herkömmliche, liebevolle und nicht narzisstisch mit sich selbst beschäftigte Eltern gesunderweise die Augen verdrehen. Wenigstens dann, wenn es um Kinder geht.
Wer den Ausschluss eines Elternteils aus eigener Erfahrung kennt, der weiß: Wir haben es mit seelischen Beschädigungen zu tun, die nicht länger auf ein Minimum begrenzt, sondern von staatlicher Seite juristisch gedeckt und finanziell gefördert werden. Wir haben im Zuge solcher Gleichstellungsmaßnahmen nichts Geringeres verwirkt als das Recht, uns noch über irgendeinen terroristischen Anschlag irgendwo auf dieser Welt zu empören. Wir verfahren nicht weniger rücksichtslos als jene, die ebenfalls mit zweifellos »guten« Absichten Menschen, Häuser und Autos in die Luft jagen. Wir jagen die gesunde, normale Familie in die Luft, nicht mit Bomben, aber mit Gesetzen, die dem Leben feindlich sind und der Schöpfung und Erneuerung von Leben auch.
Wir machen unsere Kinder krank und verrückt, wenn wir sie zwingen, unsere Verrücktheiten als ein neues Gut zu bejahen. Wir machen kranke und verrückte Kinder, wenn wir sie von anderen und anderswo produzieren lassen. Wozu muss das sein? Doch nicht, damit Männer Männer lieben dürfen und Frauen Frauen. Das dürfen sie fast überall. Selbst Nigeria kämpft offenbar nur gegen Homosexualität in der Öffentlichkeit und mehr noch gegen Bevormundung durch den Westen. Eine Gesellschaft, die die folgenlose, weil unfruchtbare Sexualität gleichstellt, stellt die Folgenlosigkeit und Unfruchtbarkeit der Folgenhaftigkeit und Fruchtbarkeit gleich, sie stellt Nichtleben und Leben gleich, sie stellt Tod und Leben gleich. Eine Gesellschaft, die das tut, will nicht mehr leben. Mindestens soll sie nicht mehr leben wollen. Es geht nicht um Gleichheit, es geht um Leben und Tod. Wilde Liebe und wilde Sexualität waren schon immer Liebe zur Liebe und nicht Liebe zur geliebten Person. Liebe zur Liebe ist in Wahrheit Liebe zum Hindernis der Liebe. Ist Liebe zur Unmöglichkeit von Liebe. Ist Liebe zur Unmöglichkeit zu leben. Ist Liebe zum Tod (vgl. Denis de Rougemont, Die Liebe und das Abendland, Köln/Berlin 1966; frz. Originalausgabe von 1939).
An dem Preis, den die Kinder zahlen sollen, könnten wir ablesen, dass auch Erwachsene nicht alles dürfen, was ihre Triebe oder Impulse ihnen als Wunsch oder Wille einreden. Die Kinder der westlichen Welt können sich ihrer natürlichen Eltern nicht mehr sicher sein, weil sie nicht mehr sicher sein können, dass das Zusammenleben von Kindern mit ihren natürlichen Eltern verlässliche private und öffentliche Wertschätzung erfährt, dass es geschützt oder wenigstens bevorzugt wird: »Wir wollten mit den Eliten aufräumen, denn das Privilegierte, Abwertende, Diskriminierende (…) war uns moralisch zuwider, und im Laufe der Zeit haben wir auf verschiedene Weise diese exklusive Bande von Schulmeistern, die sich für etwas Besseres hielten, (…) aufgerieben. Aber was wir erreicht haben, war ein Pyrrhussieg, ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit: zu leben in einer verwirrten Welt, in der paradoxerweise, weil niemand mehr weiß, was sie eigentlich bedeutet, Kultur nun alles ist und nichts.« (Mario Vargas Llosa, Alles Boulevard, S. 69 f.)
Das Wichtigste und Kostbarste, was Kinder überhaupt haben – wenn schon nicht die Liebe der eigenen Eltern, dann wenigstens die eigenen Eltern –, eben das wird von Staat, Politik und Medien mit Füßen getreten. Staat und Gemeinwesen werden von nun an der Behütung und Erziehung durch die leiblichen Eltern nicht mehr den klaren Vorzug geben müssen, wollen oder können. Die Welt, die dem Wohl von Kindern den Vorzug gab, war die Welt von gestern. Die Welt von morgen ist eine bizarre, grausame Welt, die die Schicksale von Scheidungskindern, Kuckuckskindern und Halb- oder Vollwaisenkind zu einem erstrebenswerten, wünschenswerten und emanzipationspolitisch kostbaren Vorfall macht.
Eine Welt, die das tut, muss das wollen, andernfalls sie es nicht tun würde. Wenigstens würde sie es tun, ohne es zu feiern, wenn sie es nicht wollte und dennoch für notwendig befände. Was für eine Welt das ist, in der wir von nun an leben werden, verrät uns die Frankfurter Rechtsprofessorin Ute Sacksofsky in einer Rechtskolumne, die im Juni-Heft der Zeitschrift Merkur erschien und hier online gelesen werden kann. Da erfahren wir nicht nur, »dass es um die Weitergabe deutschen Erbguts nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht mehr gehen kann«. Das wussten wir schon. Die »deutsche Kultur«, wozu Frau Sacksofsky immerhin deutsche Weihnacht, deutsche Volkslieder, die Liebe zu Wald und Bier, die Romantik und die Currywurst einfällt, habe, sagt sie, ihre Prägekraft verloren, sodass es keinen Grund gebe, sie unter »Artenschutz« zu stellen.
Diese Bodenlosigkeit ist der wohlbestallten Professorin und Richterin aber noch nicht bodenlos genug. Frau Sacksofsky tut es offenbar nicht unterhalb der vollständigen Verachtung ihres eigenen Lebenszusammenhangs: »Die Steigerung der Geburtenrate ist kein legitimes staatliches Ziel.« Geburt auf der einen Seite sowie Verhütung und Abtreibung auf der anderen sollen eine gleichgewichtige Alternative bilden. Grundrechtliche Freiheit verlange, dass der Staat sich seines Einflusses enthält, mithin neutral ist. Anreize, insbesondere Anreize zur Nachwuchsförderung, seien mit der Neutralität des Staates nicht kompatibel, folglich verfassungswidrig. Den Rest ihres Beitrags widmet Frau Sacksofsky dem offenbar gerechtfertigten Neid (ist es der Neid anderer oder ihr eigener?) auf »Reiche« und Kinderreiche, insbesondere natürlich auf die staatliche Förderung von Kinderreichen, von der »Reiche« angeblich besonders profitieren. Dabei sei das gar nicht nötig, schließlich brauche man nicht für jedes neue Kind einen neuen Kinderwagen.
Das »Neutralitätsgebot« würde bereits der Staat verletzen, der ein Interesse an seinem eigenen Fortbestehen hätte: »Der Staat ist die Selbstorganisation eines Volkes; wenn es kein Volk mehr gäbe, wäre der Staat überflüssig.« Der Satz ist ja nicht falsch. Wie klang der Gedanke bei Elmar Kraushaar? – »Homosexualität bleibt so lange außen vor, solange es Heterosexualität gibt.« Auch dieser Satz ist nicht falsch. Wenn aber etwas wertvoll ist, nur weil es vorkommt, dann kann auch das Nichtvorkommen wertvoll werden. Also das Nichts. Wäre es besser, der »neutrale« Staat gäbe Geld für das Nichts – und nicht für Kinder? Wenn der Westen so weitermacht, wird ihn der große Rest der Menschheit nicht nur zu Recht verachten, bekämpfen und besiegen. Er wird ihn ganz zuletzt auch vergessen. Einen Herrn Kraushaar und eine Frau Sacksofsky, die sich darüber freuen würden, wird es dann längst nicht mehr geben. Ganz zu schweigen von all den anderen, die wegen dieser vom »neutralen« Staat verordneten Gleichgültigkeit, ja Gewissenlosigkeit gegenüber dem Wohl von Kindern abgetrieben, seelisch verkrüppelt oder gar nicht erst gezeugt wurden. Wenn die selbsternannten Weltverbesserer früher von sich sagten, sie seien die Leute, vor denen ihre Eltern sie immer gewarnt hätten, dann müssten sie heute sagen: »Wir sind die Leute, vor denen unsere Eltern uns noch geschützt haben.«
Wer wird die Kinder vor den Leuten beschützen, die jetzt das Sagen haben? Wenn doch wenigstens der Hochmut nicht wäre. Wer diese rücksichtslose Gleichstellungspolitik zukunftsweisend findet und gutheißt, der bilde sich nicht länger ein, er diente dem globalen Fortschritt der Menschheit. Er bilde sich nicht ein, er wäre noch irgendjemandem auf dieser Welt moralisch überlegen. Das ist er nicht. Das Recht, an irgendetwas irgendwo auf der Welt aus moralischen Gründen zu appellieren, hat er spätestens von heute an verwirkt. »Der Westen« ist derjenige, der die Menschheit gefährdet, der ihren Gemeingeist aufkündigt, der die Menschheit verrät. Das wird sich bitter rächen. Der hochmütige Glaube, der Wahn, das Tor zu einer neuen Zeit aufgestoßen zu haben, wird uns teuer zu stehen kommen.
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Zum kommenden Umbau des Adoptionsrechtes, das bisher für Kinder da war und von nun an »für« bestimmte Erwachsene da sein soll, habe ich soeben in der Zeitschrift »Die Neue Ordnung« einen Artikel veröffentlicht, den man hier online lesen kann.