Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, aber zum Glück nicht nur der Teufel, sondern auch der liebe Gott. Deshalb ist es so wichtig, in den Debatten um Leben und Tod besonders auf die Feinheiten zu achten. Da schrieb zum Beispiel gestern der Bundesgeschäftsführer der FDP Marco Buschmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von »zwei Elternteile(n) gleichen Geschlechts mit ihrem Kind«, um Stimmung für die zu erwartende »Öffnung« der Ehe durch das Bundesverfassungsgericht zu machen. So zu reden ist aber eine glatte Lüge, die auch Wikipedia nicht wahrer macht, wenn es dort in einer Bildunterschrift heißt: »Lesbisches Elternpaar mit seinen Kindern« . Vermutlich grenzt der Hinweis auf die korrekte Formulierung »Lesbisches Paar mit Kindern« inzwischen an Homophobie. Was wir tatsächlich vor uns haben, ist ein homosexuelles Elternteil mit Lebenspartner. Das andere leibliche Elternteil des Kindes fehlt, sein Schicksal kennen wir nicht. Wir erfahren in der Regel auch nicht, ob die künstlich gemachten Kinder, die jetzt, wie man so hört, in der New Yorker Schwulenszene in beträchtlicher Zahl die Haushunde ablösen, irgendeine Beziehung zu ihren Müttern haben. Die Elternschaft Homosexueller löst nicht nur Probleme, sie schafft auch neue. Die aber müssen in der öffentlichen Wahrnehmung unter den Tisch fallen, damit die unvermeidliche Spannung, die es ja fast immer auf irgendeine Weise im Leben auszuhalten gilt, außen vor bleibt. Die seelischen Kosten dieser Verleugnung tragen natürlich die Kleinen, und es könnte der Tag kommen, an dem wir den Aufstand von mehreren hunderttausend waisen- und halbwaisenartig aufgewachsenen Kindern erleben, die nach ihren leiblichen Eltern fragen und die Bekanntschaft mit ihnen einfordern. Und die sich in ihrem Schicksal gegenüber jenen Gleichaltrigen massiv diskriminiert fühlen, die mit beiden leiblichen Elternteilen aufwachsen durften. Je größer die Gewalt, mir der »Gleichheit« erzwungen wird, desto größer die Ungleichheit, die an anderer Stelle nachwächst.
Aber eigentlich wollte ich auf eine andere Feinheit aufmerksam machen. Zur Debatte um den assistierten Suizid zitiere ich in meinem Beitrag für das neue Buch, das am 23. Juni (mit einem Betrag von Robert Spaemann) in der Edition Sonderwege erscheint, einen alten Mann, der von seiner Angst spricht, tagtäglich in seinen Ausscheidungen unwürdig dahinsiechen zu müssen, »tagtäglich« und »unwürdig«. Eine kluge Analytikerin machte mich gestern darauf aufmerksam, dass die Not, von der dieser Mann spricht, erst durch die Verknüpfung zweier Tatsachen entsteht, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, nämlich den Kontrollverlust über die Ausscheidungen auf der einen und den Verlust der Menschenwürde auf der anderen Seite. Ausscheidungen sind menschlich, also nicht per se unwürdig. Der Verlust der Würde kommt nicht durch Ausscheidungen zustande, sondern dadurch, dass die Pflege unter Umständen lieblos mit einem hilfsbedürftigen Menschen umgeht. Der Verlust der Würde ist kein Naturereignis wie die Alterung des Körpers, sondern vermeidbares Ergebnis eines sozialen Geschehens. Zur Rechtfertigung der Suizidhilfe wird also der Eindruck einer negativen Gesetzmäßigkeit erzeugt, die frei erfunden ist. Was einmal mehr beweist, dass der assistierte Suizid nicht zum Wohle der Alten und Kranken so massiv beworben wird, sondern zur Entlastung derer, die den Anblick dieser Leidenden nicht länger ertragen können, wollen oder sollen. Peter Hintze hat es vermutlich unfreiwillig verraten, als er vor einiger Zeit von »Extremekel« sprach, wo es im Sinne des angeblichen Patientenleids korrekterweise »Extremselbstekel« hätte heißen müssen.
Das sollte doch wenigstens gesagt sein.